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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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5. Heft
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Graevenitz, George von: Die Bewaffnung des Gattamelata
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0159

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5. HEFT

v. GRAEVENITZ, GATTAMELATA

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der Rüstung zu vereinfachen, namentlich aber
vollständige Deckung zu erreichen. Solche starren
„Mailänder“ Harnische zeigen ausnahmslos die
zahlreichen Reliefgestalten des Triumphbogens,
der den Einzug Alfons I. von Aragon am 26. Fe-
bruar 1443 in das eroberte Neapel feiert, ein Werk
des Mailänders Pietro di Martino. So mufs die
Rüstung, die der Gattamelata Donatellos trägt,
schon 1457 den Eindruck des Historischen, des
Altertümlichen gemacht haben. Und nun greifen
wir zurück. Wir erfuhren aus der Jugendgeschichte
des Erasmo da Narni, dafs die Bezeichnung Lorica
für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts eine ge-
bräuchliche war, wir hörten weiter, dafs es Sitte war,
dafs der ältere Führer die von ihm selbst getragene
Lorica dem jüngeren von ihm geschätzten Kame-
raden als Auszeichnung schenkte. Und so teilt uns
auch die Grabrede Quirinis mit, dafs der g'rofse
Braccio, nach seiner Grabschrift in S. Francesco in
Perugia der „parens militiae Italiae“, seinem jungen
Waffengenossen Erasmo einen Panzerrock ge-
schenkt habe, den er selbst bei seinen wichtigsten
Siegen getragen hatte. Quirini weist aber auch aus-
drücklich darauf hin, dafs diese Lorica von Gatta-
melata „für sich und die Seinen sorgfältig auf-
gehoben und gehütet worden sei“. („Quem dux
noster ad perpetuam tanti viri memoriam in
hodiernum usque diem et sibi et suis diligentissime
conservarat“. Fabretti, Biografie dei capitani ven
turieri dell’ Umbria; Montepulciano 1842, Doku-
mente S. 310). Liegt der Gedanke allzuweit ab,
dafs Giacorna oder Giantonio, als Donatello mit
der Darstellung des Reiters begann, ihm diesen
Familienbesitz gewiesen haben, dafs der Künstler
dies geschichtliche Ausrüstungsstück zweier
grofser Kondottieren seiner Arbeit zugrunde ge-
legt habe?! Erklärt sich nicht auch aus solcher
Annahme in ungezwungener Weise die auffallende
Tatsache, dafs auch die Grabfigur des Generals
die eigenartige altertümelnde Lorica trägt? Hier
im privaten Raum des Familiengedächtnisses war
ja eine solche persönliche Erinnerung erst recht
berechtigt. Andernfalls läge ja eine sklavische
Nachahmung- Donatellos vor, die wir einem be-
gabten Schüler des Meisters — um einen solchen
handelt es sich wohl — nicht ohne weiteres Zu-
trauen dürfen.
Das Zurückgehen auf frühere Zeiten in dem
Llauptstück der Rüstung, das ja in jedem Falle
vorliegt, hat den freischaffenden und seinen Stoff
souverän beherrschenden Künstler nicht daran
gehindert, wie antike Elemente so auch moderne
Erscheinungen der Mitte des 15. Jahrhunderts in
der Gesamterscheinung seines gerüsteten und
gewaffneten Feldherrn organisch zu verschmelzen.
So zeigt namentlich das Beinzeug schon den sieg-

reichen Einflufs der Renaissance. Die eckigen,
scharfen und aufgetriebenen gotischen Formen
sind verschwunden und haben runden und ge-
wölbten Platz gemacht und die Linienführung
der neuen „antikischen“ Kunst tritt namentlich
an den stark ausgebildeten Kniebuckeln (ginoc-
chietti), die auch ornamental mit besonderer Liebe
behandelt sind, zutage. Der Eindruck der Leich-
tigkeit und bequemen Eleganz, den die Gesamt-
rüstung des Reiters macht, wird vervollständigt
durch die Panzerzeug-Eisenschuhe mit Plättchen-
bedeckung der Zehen, die einzeln plastisch hervor-
treten und so imstande sind, mühelos den Steig-
bügel festzuhalten. Der über den Eisenschuh
geschnallte Sporn, das Zeichen der ritterlichen
Würde, ist von beträchtlicher Länge. Die rela-
tive Unbeweglichkeit des Unterschenkels in den
Kniebuckeln erklärt aber diese Länge, und aufser-
dem wollte auch Donatello diese Horizontallinie
stark betonen, wie ja auch der parademäfsig auf-
gebundene und gehobene stark entwickelte Pferde-
schwanz gegenüber den Massen des Pferdeleibes
seine Wirkung für die Gesamtansicht ausüben
soll. Eine ähnliche Wirkung wird durch die
Schräglinie des Schwertes erzielt, die sich in der
des erhobenen Kommandostabes fortsetzt. Das
riesige Reiterschwert zu anderthalb Hand, den
das Reiterbild trägt, erinnert an die schönen
Exemplare der Waffengruppe im Arsenal von
Venedig, an die Schwerter der Dogen Francesco
Foscari und Cristoforo Moro, Zeitgenossen Gat-
tamelatas und Donatellos. In technisch durch-
aus realistischer Weise hat letzterer die vom
Gürtelriemen herabhängende Schwerttasche ge-
bildet, eine italienische Erfindung, die den Ritter-
gürtel des Mittelalters ersetzte und dem .Schwert
die gewünschte schräge Lage gab.
Fehlt für die sogenannte Rüstung des Gatta-
melata im Arsenal von Venedig eine genügende
Beglaubigung der Echtheit, so erscheint nach
dem Urteil des zuverlässigen Schilderers des
Santo, Gonzati, ein aus vergoldetem Silber ge-
arbeiteter Kommandostab im Kirchenschatz des
Santo als ein verbürgtes Besitzstück des Generals.
Dieser 75 cm lange mit eingravierten Arabesken
geschmückte Stab, eine gute Arbeit des 15. Jahr-
hunderts, ist wahrscheinlich derjenige, der Gatta-
melata am Tage der feierlichen Übergabe des
Generalkapitanats 1438 in Brescia übergeben und
der Überlieferung nach von ihm in gefahrvoller
kriegerischer Lage dem Santo gelobt wurde.
Donatello hat ihn jedenfalls nicht benutzt, denn
dieser Stab zeigt einen apfelartigen krönenden
mit Türkissen besetzten Abschlufs, derjenige des
Standbildes ist ein einfacher, auch sehr viel
längerer Stab. Dieser Kommandostab kehrt eben-

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