Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

DOI Heft:
11. Heft
DOI Artikel:
Diener von Schönberg, Alfons: Das Fürstliche Zeughaus zu Schwarzburg: Festschrift zur Hauptversammlung des Vereins für historische Waffenkunde in Blankenburg 24. bis 26. Juni 1908
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0365

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
336

A. DIENER-SCHÖNBERG, DAS FÜRSTLICHE ZEUGHAUS ZU SCHWARZBURG

IV. BAND

einer grofsen Anzahl anderer Sättel, Zäume, Steigbügel und Geschirre stehen im ersten Stockwerk
noch sechs kunstvoll ausgeführte Prunkschlitten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, von denen wir
zwei in Abbildungen bringen. Nr. 1610 zeigt reiche Rokoko-Ornamente in blauer Bemalung und
Vergoldung. Nr. 1608 dagegen ist ein g-anz eigenartiges Gefährt, denn es hat nicht den sonst üb-
lichen, regelrechten Sitz, sondern der Leib des Pferdes läuft in eine mit gelbem Sammet überzogene
Pritsche aus, auf der der Führer des Schlittens rittlings Platz nehmen mufste. Wahrscheinlich
diente dieser Schlitten dem Hofmarschall, wenn er ein Fest gewissermafsen als Vorreiter anführte.
An der Vereinigung der hochaufgebogenen Kufen ist das Schwarzburgische Hoheitszeichen, die
Gabel2), angebracht.
Unter den Trutzwaffen nehmen die Stangenwaffen den geringsten Raum ein, weisen
aber einige interessante Stücke auf. So kann man an einigen Helmbarten die Formenentwicklung
dieser Waffe gut verfolgen. Die früheste, noch in das Ende des 15. Jahrhunderts zu setzen, ist die
Helmbarte Nr. 725 (siehe Abb.). Sie zeigt noch ganz die gedrungere Form mit kurzem, geradem


Schlageisen, kurzer Spitze und kleinem Rückenstachel. — Der ersten Plälfte des 16. Jahrhunderts
gehört Nr. 724 an. Die im g-anzen 87 cm lange Klinge ist in eine aufserordentlich lange Spitze
ausgezogen und mit sehr langen Federn am Schafte befestigt. Das Barteneisen weist noch einige
Ähnlichkeit mit dem Vorhergehenden auf und trägt eine Kleeblattmarke. — Eine gänzlich ver-
änderte Form, bereits in den Beginn des 17. Jahrhunderts weisend, zeigt dagegen Nr. 740. Alle früher
geraden Linien sind in geschwungene übergegangen, die Schneide ist halbmondförmig ausgeschnitten,
und vier S-förmige Flakenansätze treten als Verzierung auf. Mit der Spitze ist das Eisen 77 cm
lang-. — Eine noch weiter ins Bizarre g'ehende Fortentwicklung" der Helmbartenform veranschau-
lichen eine gröfsere Anzahl Nachtwächterspiefse (im unteren Stockwerke aufgestellt), bei denen alle
Linien derartig gewunden und geschwungen sind, dafs das Eisen geradezu an Wetterfahnen ge-
mahnt. — Eine sehr interessante Waffe ist Nr. 764 (siehe Abb.). Als Gläfe können wir sie, die dem
Anfänge des 16. Jahrhunderts entstammt, jedenfalls nicht bezeichnen, denn deren Charakteristikum
ist nach v. Kretschmar (in dieser Zeitschrift Bd. IV, ITeft 7, S. 213): „eine glatte, nach aufsen
gfekrümmte Schneide mit einem Stachel am Rücken“. Hier ist aber die Klinge nach innen ge-
‘2) Die Gabel und der Rechen (oder Rofskamm), die noch heute dem Schwarzburgischen Wappen angehören,
sollen nach v. Spener auf ein fragliches, von den Schwarzburger Grafen im Heiligen Römischen Reiche angeblich be-
sessenes „Erz-Stallmeister-Amt“ hinweisen.
 
Annotationen