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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0408

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12. HEFT

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

379

Namen „Neues Flintenpulver“ erhielt und im
Jahre 1832 bei der preul'sischen Armee eingeführt
wurde.
Diese wesentlichen Änderungen in der Pulver-
fabrikation traten indessen erst nach Verlegung
der Berliner Pulverfabrik nach Spandau im
Jahre 1838 in die Erscheinung. Bei dieser be-
deutenden Neuanlage liefs man die Läufer gänz-
lich fort und machte in umfangreichster W eise
von Trommeln Gebrauch, welche durch Wasser-
kraft angetrieben wurden. Die Kuchen wurden
auf einem endlosen Band unter einer nach dem
System der Wringmaschinen gebauten, riesigen
Hebelpresse hergestellt. Gekörnt wurde in der
Lefevreschen Siebkörnmaschine. Man sieht, dafs
die Pulverfabrikation binnen zweier Jahrzehnte
eine völlige Umwandlung erfahren hatte.
Auch die ballistische Seite der Pulverfrage
war inzwischen angeschnitten worden. Zwar war
das einzige Prüfungsgerät noch immer der Probier-
mörser, indessen erkannte man sehr bald dieWich-
tigkeit des kubischen Gewichts, d. h. des Gewichts
der Mafseinheit. Bei den glatten Vorderladern
nämlich war die festgebeutelte Kartusche an dem
Geschofs mittelst des hölzernen Spiegels be-
festigt (der sogenannte „Schufs“) und wurde beim
Laden bis zum Boden gebracht. War das kubische
Gewicht hoch, d. h. war das Pulver sehr dicht
und die Körner rundlich, hatte es also in unserem
heutigen Sinne gute ballistische Eigenschaften,
so nahm die Kartusche einen kleinen Raum ein,
sie war kürzer, das Geschofs kam mehr zu Boden,
der Verbrennungsraum wurde kleiner und der
Gasdruck stieg sehr hoch. Zu diesem Ergebnis
war man denn auch durch die eingetretenen Ver-
besserungen im Herstellungsverfahren gekommen,
und die Folge war, dafs auf den Schiefsplätzen
das Springen der Kanonen recht häufig wurde.
Über die Ursache dieser unangenehmen, auch in
Frankreich beobachteten Erscheinung war man
sich keineswegs klar, man sprach von einer zu
hohen „ Offensivität“ des Pulvers, und die ganze
Zeit bis zum Ende der sechziger Jahre ist in der
Pulverfabrikation durch das Bestreben charakte-
risiert, diese Offensivität nach Möglichkeit herab-
zusetzen. Das einzige Mittel, die relative Offen-
sivität zweier Pulversorten festzustellen, war der
Dauerbeschufs, bei dem zwei Rohre von gleicher
Güte so lange mit diesen Pulversorten beschossen
wurden, bis eines im Innern bleibende Änderungen
zeigte. Nach vielfachen Versuchen und Über-
legungen suchte man schliefslich den Grund der
hohen Offensivität in der Verwendung der hoch-
prozentigen Retortenkohle (der Prozentgehalt der
Kohle wurde bestimmt aus dem Gewicht der er-
haltenen Kohle zu dem des dazu benutzten Holzes).


Hochprozentige Kohle enthielt noch gewisse
Mengen Wasserstoff, der natürlich bei Verbindung
mit dem Sauerstoff des Salpeters zu einer erheb-
lichen Energiequelle wurde. Die dieserhalb an-
gestellten erneuten Untersuchungen über den Ein-
flufs der einzelnen Fabrikationselemente auf die
ballistischen Eigenschaften des Pulvers führten
u. a. zur Einführung drehbarer Retorten zur Pler-
stellung der Kohle. Ein wertvolles Hilfsmittel
bei diesen Versuchen bildete das 1840 eingeführte
ballistische Pendel. Abb. 12 gibt das Wesen des
ballistischen Pendels. Es besteht aus zwei in
derselben Ebene schwingenden Pendeln A und C
von denen A die Schufswaffe (Gewehrlauf oder
Geschützrohr) ab aufnimmt, dagegen C einen
Kugelfang D trägt. Schiefst man nun aus dem
Gewehr a b gegen den Kugelfang D, so schlagen
beide Pendel aus. Die Ausschlagwinkel liefsen
sich an zwei Skalen ablesen und gestatteten —
da die Gewichte der beiden Pendel und der Kugel
bekannt waren — Rückschlüsse auf die Geschofs-
geschwindigkeit. Über die Offensivität des Pulvers
dagegen konnte das ballistische Pendel keinen
Aufschlufs geben, denn dieselbe Geschofs-
geschwindigkeit läfst sich sowohl mit langsam
verbrennendem Pulver und geringem Gasdruck,
wie mit rasch verbrennendem Pulver und hohem
Gasdruck erreichen, aber der Einflufs auf die
Waffe ist sehr verschieden. So stimmten denn
die mit dem ballistischen Pendel gewonnenen Er-
gebnisse nicht mit dem der Dauerbeschüsse
überein. Schliefslich sah man das Heil in der
sehr richtigen Forderung: „hohes spezifisches,
geringes kubisches Gewicht!“, ein Verlangen, dem
leider damals kaum in der gewünschten Weise
genügt werden konnte. Indessen führte der bis
dahin eingeschlagene Weg zu einem für die bald
 
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