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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0410

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12. HEFT

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

381

Bereits Ende der 6oer Jahre war man in
Preufsen in Versuche eingetreten, ein leistungs-
fähigeres Feldgeschütz herzustellen und man war
auch hierbei zur Überzeugung gekommen, dafs
eine erhöhte Mündungsarbeit durch Ladungs-
steigerung des bisherigen Geschützpulvers unter
keinen Umständen zu erreichen sei. Man verwertete
daher nach dem Kriege 1870/71 die mit dem pris-
matischen Pulver gemachten Erfahrungen und
stellte ebenfalls aus doppelt bearbeitetem Satz
ein grofskörniges Pulver her, welches im neuen
Feldgeschütz C/73 vollkommen genügte und unter
der Bezeichnung „Grobkörniges Geschützpulver
C/73“ im Jahre 1873 endgiltig eingeführt wurde.
Bei diesen, wie bei den zum prismatischen Pulver
führenden Versuchen hatte neben dem Gasdruck-
messer von Rodman der Flugzeitmesser von Le
Boulenge ausgezeichnete Dienste geleistet. Die Be-
sprechung dieses genialen Apparat s behalte ich
mir vorfür einebesondere Abhandlung! ber die Ent-
wickelung der Pulverprobierverfahren. Im Jahre
1871 war das Geschütz-Pendel auf dem Tegeler
Schiefsplatz zum letzten Mal gebraucht worden.
Wenig später schieden auch der Probiermörser
und das Gewehrpendel aus der Reihe der bal-
listischen Versuchsinstrumente aus.
Durch die doppelte Bearbeitung des Satzes
für das prismatische und grobkörnige Pulver
mufste naturgemäfs die Leistungsfähigkeit der
Pulverfabrik erheblich leiden. Eine durchgreifende
Abhilfe wurde erzielt, als die im Kriege 1870/71
mit dem Chassepot-Gewehr gemachten Erfahrungen
zum Übergang zu dem gleichen Kaliber von n mm
zwangen und sich hier das bisherige Flintenpulver
viel zu offensiv erwies. In Anlehnung an englische
Erfahrungen wurden daher Versuche zur Her-
stellung eines dichteren, also langsamer brennenden
Lew ehrpulvers sowohl in der Pulverfabrik Spandau,
wie in derjenigen in Metz eingeleitet, hier mit
Hilfe der vorhandenen, noch aus französischen
Zeiten stammenden Läufer, dort durch mehrfache,
bis fünffache Körnung. Die Ergebnisse waren
ziemlich gleichwertig, die Bearbeitung unter
Läufern aber erheblich einfacher, und so kehrte
man zu dieser Einrichtung wieder zurück, die man
40 Jahre zuvor verlassen hatte. Die modernen
Läuferwerke erhielten allerdings, den Fortschritten
der Technik entsprechend, etwas andere Gestalt.
Die Läufer selbst wurden aus Hartgufs hergestellt,
ebenso dieLäuferteller, und verschiedene Schaufeln
und Kratzen sorgten dafür, dafs der Pulversatz
immer wieder in die Läuferbahn gescharrt und
daselbst ständig aufgelockert wurde. (Abb. 15.)
Das Herstellungsverfahren des neuen, unter der
Bezeichnung „Gewehrpulver M/71“ eingeführten
Pulvers gestaltete sich nunmehr derart, dafs der

unter Verwendung 27,5 %iger Kohle hergestellte
Satz unter Läufern aus Hartgufs verdichtet, darauf
wieder in Mehlpulver verwandelt und unter einer
hydraulischen Presse in dünnen Lagen zwischen


Abb. 15. Modernes Läuferwerk (Kollergang).

Ebonitplatten zu Kuchen geprefst wurde. (Abb. 16.)
Die Körnung erfolgte teils im Siebkörnwerk,
teils in einer Körnmaschine, welche die Kuchen
mittelst geriffelter Walzen kleinte. Die aus ge-
läufertem Satz hydraulisch hergestellten Kuchen
sehen aus wie Schiefer, haben schwach metallischen
Klang und sind in der Hand kaum zu zerbrechen.
Die hier gewonnenen Erfahrungen wurden
wiederum verwertet zur weiteren Durchbildung
des prismatischen Pulvers. Die schweren Marine-
geschütze des 26 und 28 cm Kalibers verlangten
zum Verfeuern der Hartgufsgranaten ein noch
langsamer brennendes Pulver, zu welchem man,
wie bald darauf zu allem prismatischen Pulver,
aus geläutertem Satz hergestelltes Kornpulver
benutzte, so dafs nunmehr mit Ausnahme für
Geschützpulver der gesamte Satz geläutert wurde.
 
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