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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0411

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382

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

IV. BAND

Dieses neue prismatische Pulver erhielt nur einen
Kanal und führte die Bezeichnung „prismatisches
Pulver C/75“. Da sich späterhin auch dieses Pulver
als zu offensiv für 28 cm Kanonen erwies, gelang
es der Pulverfabrik zu Düneberg, ein prismatisches
Pulver mit nur 3 °/0 Schwefel herzustellen, welches
17 °/0 einer sehr hochprozentigen Kohle (etwa 7 5 °/0ig)
enthielt und von schokoladenbrauner Farbe war.
Dieses als „prismatisches Pulver C/82“ bei der
Marine eingeführte Pulver wurde bis in die neueste
Zeit bei den schwersten Kalibern der Schiffs-
und Küstenartillerie verwandt und stellt wohl das
am langsamsten verbrennende Schwarzpulver dar,
welches sich überhaupt erreichen läfst. Angezündet


Abb. 16. Hydraulische Presse zum Herstellen
der Pulverkuchen.
verbrennt ein solches braunes Prisma kaum leb-
hafter, als etwa ein Feueranzünder.
Im Jahre 1877 ging man endlich dazu über,
auch das gewöhnliche Geschützpulver aus ge-
läutertem Satz herzustellen, die Läufer hatten sich
also vollständig ihre frühere, durch die Champy-
schen Versuche verdrängte Stellung wiedererobert,
nur dienten sie jetzt mehr Aufbereitungszwecken
und nicht mehr zur Kuchenbildung.
Alle diese umfangreichen und erfolgreichen
Versuche liefsen es aussichtsvoll erscheinen eine
weitere Gleichmäfsigkeit des Gewehrpulvers M/71
anzustreben. Es gelang denn auch im Jahre 1883
in der Tat, durch kleine Änderungen in der Be-
arbeitungsweise und Verwendung einer 30 % ig-611
Kohle ein Gewehrpulver mit weiter verbesserten

Eigenschaften zu erzielen, welches noch heute
unter der Bezeichnung „neues Gewehrpulver M/71“
in Gebrauch ist und neben dem prismatischen
Pulver C/82 wohl das Vollendetste darstellt, was
das Schwarzpulver überhaupt leisten kann. Gerade
die folgenden Jahre gaben dem Schwarzpulver
Gelegenheit, einem übermächtigen Konkurrenten
gegenüber noch die äufserst möglichen An-
strengungen zu machen.
Die politischen Verhältnisse Mitte der 80 er
Jahre zwangen in Preufsen zur Einführung einer
für den Augenblick dem französischen Gewehr
erheblich überlegenen Waffe, nämlich des Mehr-
laders M 71/84. Mit der Anschneidung dieser
grundsätzlichen Verbesserung war ebenso der An-
stofs zu durchgreifenden Änderungen im Be-
waffnungswesen und der Gefechtsweise gegeben,
wie wir dies in unseren Tagen infolge der Ein-
führung des Schutzschildes bei der französischen
Feldartillerie gesehen haben. Der durch die Mehr-
ladung ohne weiteres bedingte, sehr vermehrte
Patronenverbrauch zwang zwecks Erleichterung
der Munition zur Herabsetzung des Kalibers.
Somit stand die Pulverfabrikation einer völlig
neuen Aufgabe gegenüber, da alle Versuche, die
Leistungsfähigkeit des Schwarzpulvers noch weiter
zu steigern und den neuen Verhältnissen, der sehr
gesteigerten Querschnittsbelastung der Geschosse,
anzupassen, völlig fehlschlugen. Selbst durch die
stärkste Verdichtung des Satzes, durch Herstellung
ganzer Patronenladungen aus einem Stück, liefs
sich die Verbrennungsgeschwindigkeit nicht so
weit verringern, dafs die geforderte Rasanz der
Geschofsflugbahn bei noch annehmbarem Gas-
druck und der nötigen Gleichmäfsigkeit der
Wirkung auch nur annähernd erzielt wurde.
So ging man denn einen gewaltigen Schritt
vorwärts. War das Schwarzpulver seinem Wesen
nach ein chemisches Spannwerk mit mechanischem
Aufbau, so ist das neue rauchschwache Pulver
auf einem Grundstoff aufgebaut, welcher ein rein
chemisches Spannwerk von aufserordentlicher
Leistungsfähigkeit darstellt. Wir hatten gesehen,
dafs das im Salpeter enthaltene Kalium durch
seine Verbindung mit einem grofsen Teil der Kohlen-
säure die Kraftwirkung des Schwarzpulvers er-
heblich abschwächt, also nur eine Behinderung
dieses Spannwerks darstellt. Inzwischen hatte die
org'anische Chamie gelehrt, dafs Verbindungen
nach Art der Salze auch zwischen Säuren und
organischen Stoffen möglich sind, in Gestalt der
sogenannten „Ester“. Wir haben die Salpetersäure
kennen gelernt mit der Formel N02 ■ OH. Statt
dieses Wasserstoffs kann nun eine organische Ver-
bindung ein treten. Als Beispiel sei das Methan
ewählt, das leicht brennbare Gruben-oder Sumpf-
 
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