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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Versuche zur Erleichterung der Feldgeschütze im 17. und 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0417

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388

W. GOHLKE, VERSUCHE ZUR ERLEICHTERUNG DER FELDGESCHÜTZE

IV. BAND

stärken als die sonst üblichen Rohre besafsen.
Auch sie waren Kammergeschütze und feuerten
mit 1/s kugelschweren Pulverladungen. Das Gufs-
metall war vorzüglich und die Dauerhaftigkeit der
Rohre sehr hoch.
Nach Hoyer (Geschichte der Kriegskunst
S. 413) sollen diese Geschütze nur eine Bespannung
von zwei bez. vier Pferden, eine viermal schwächere
als sonst, beansprucht haben, was jedoch sehr
unwahrscheinlich ist, da die sechspfündigen Rohre
von den dort ang'eführten Abmessungen allein
900 Pfund (421 kg) gewogen haben würden, auf
ein Pferd also 420 kg- entfallen wären, wenn man
für Lafette und Protze auch nur dasselbe Gewicht
wie für das Rohr ansetzen wollte. Die Nieder-
länder hatten nach Handius (De beschrijwinge
ende uytbeedinge van viederley groff Geschut
1624) zu dieser Zeit auch ein leichtes Geschütz
von 900 Pfund Gewicht eingeführt, dessen Einzel-
heiten er jedoch nicht mitteilt, um sie geheim
zu halten.
In den Kriegen, die Gustav Adolf gegen
Polen führte, vermochte auch die erleichterte
Artillerie der Reiterei nicht schnell genug zu
folgen. Der König ging deshalb gern auf den
Vorschlag des damals bei dem schwedischen
Fufsvolk stehenden Obersten von Wurmbrandt
ein, die von diesem konstruierten sogenannten
ledernen Kanonen als P"eidstücke einzuführen
(1627).
Nach schwedischen Quellen1) bestand der Lauf
dieser Rohre aus einem sehr dünnen geschmiedeten
kupfernen Rohr, das ringsum durch eiserne Schienen
verstärkt, mit eisernen Ringen umgeben, ab-
wechselnd mit Stricken umwickelt und mit Mastix-
lack überzogen war, so dafs der Rohrkörper am
Stofs ein Kaliber, am Kopf zweidrittel Kaliber
erreichte. Die eisernen Schildzapfen safsen an
einem starken eisernen Ring, die Friesen waren
durch vermehrte Strickumwicklung hergestellt,
der Boden mit Traube aus Metall war mit sechs
Schrauben am Kupferrohr befestigt. Das fertige
Rohr erhielt einen Überzug von gebranntem Leder;
es war nur 15 Kaliber lang (beim Sechspfünder
also 1,37 m, beim Zwölfpfünder 1,78 m lang) und
wog nur 38 kg für die kleineren Kaliber, so dafs
sie von zwei Mann getragen werden konnten.
Die Lafetten trugen zur Erinnerung- an den Er-
finder die Inschrift:
,Leicht bin ich und wenig geacht,
Thue soviel mancher nicht gedacht;
Meines Gleichen von Metall gemacht,
Kann ich bestt hen mit meiner Macht.

f) Vgl. F. A. Spak, Öfversigt öfver Artilleriets upp-
komst.

Durch Gottes Gnad bin ich erfunden,
Der mich erdacht, halt sich vor schlecht,
Bleibt doch seines Heeren treuer Knecht.
Melchior Wurmbrand Lib. Baro. Juleta2)
die 22. Aug. Anno 1627.“
Schon in demselben Jahre traten bei Wormditt
vier dreipfündige und zwrei sechspfündige lederne
Kanonen ins Feuer, auch wurden solche Rohre
— es kamen auch einige vierundzwanzigpfündige
vor — bis zum Sch'lufs des Polnischen Krieges,
sowie später in der Schlacht bei Leipzig (1631)
benutzt. Obschon sie nur mit ]/4 bis J/8 kug-el-
schwerer Ladung und allezeit mit Kartätschen
schossen, entsprachen sie doch nicht den hohen
Erwartungen.
Schon nach zehn Schüssen erhitzten sie sich
derart, dafs sie beim Einsetzen der Ladung die
Bedienung gefährdeten und erst abgekühlt werden
mufsten. Im Jahre 1631 wurden sie bei den Schweden
endgültig wieder abgeschafft.
Deutsche Zeitgenossen äufsern sich über diese
Geschütze wie folgt: Der K. K. Feldartillerie Stück-
hauptmann M. Mieth sagt in seiner „Artilleriae
Praxis oder Neuen Geschützbeschreibung“ 16843):
„Was von den Ledernen Stucken zu halten: Die
ledernen Stücke sind durch die Flerrn Schweden
mehrenteils bekannt worden, welche sie in dem
30jährigen Kriege mit zum Vorschein gebracht,
wie wohl von ihnen in älteren Schriften lange vor-
her gedacht worden. Sie sind aus zweierlei Ur-
sachen inventiret: Erstlich, dafs sie nicht viel kosten,
weil sie geschwind können verfertiget werden. Zum
andern, dafs solche leicht fortzubringen, welches
beydes den Herrn Schweden höchst nöthig ge-
wesen; dann ohne schnelle Marche und andern
Ursachen solches eigentlich erfordert haben. Sie
sind aber von ihnen selbst bald verworfen, weil
sie in wenig- Schüssen zersprungen und zu nichten
worden.
Es hat ein Metallenes Stücke zu thun, dafs
es aufshalte und das seinige verrichte, geschweige
dann ein solch zusammengepaptes, dahero sie
gäntzlich zu verwerffen und fahren zu lassen.
Die Historienschreiber ziehen solche an unter-
schiedlichen Orten als etwas sonderliches an,
welches bei den unwissenden einige Verwunderung
erwecket, in welchen Schriften nur allein ihre
Wehrung bestehet, an sich selbsten aber haben
sie wegen ihres Unvermögens niemals über zehn

2) Landgut in der Provinz Sudermanland, das ihm nebst
12000 Talern als Belohnung für die Erfindung geschenkt
wurde.
8) Das Weik erschien nach seinem Tode, er fiel 1683
bei der Belagerung von Wien. In der Zueignung des Werks
bedauert Mieth, dafs er Kaiserl. Majestät nicht an vielen
Orten zugleich dienen könne.
 
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