398
LITERATUR
IV. BAND
riistung Philipps I. von Castilien“ (S. 201 und Taf. 88) liest
er in der Inschrift gleich mir: „MVLERIB“ sei.: BUS und
nicht „MVLERE“. Gleich mir vermutet er den Kinder-
harnisch in der Eremitage zu St. Petersburg (S. 212 und
Taf. 91), mit grofsem Andreas-Astkreuz, Feuerstahlen und
Funken auf dem Bruststück, als wahrscheinlich für den
Infanten Don Carlos, geb. 1545, gest. 1568, bestimmt und
weist mit mir Gilles Annahme zurück, es handele sich um
einen Kinderharnisch Karls des Kühnen. Endlich weist er
auch mit mir den „leichten Kriegsharnisch Philipps II.“
(S. 207 und Taf. 90) gegen Böheim und mit dem Conde
de Valencia de Don Juan dem Plattner Sigismund Wolf
aus Landshut und nicht dem Plattner Wilhelm Worms d. J.
aus Nürnberg zu.
Da mir brieflich, wenn auch nicht öffentlich, wegen
meines a. oben a.O. ausgesprochenen Satzes, dieser Harnisch
sei „jetzt als eine Arbeit des Sigismund Wolf aus genau
der Mitte des 16. Jahrhunderts archivalisch erwiesen“
von einem unserer ersten Fachleute Vorhaltungen gemacht
worden sind, so sei es mir gestattet, auf diesen Gegen-
stand und auf die Ausführungen Macoirs bei dieser Ge-
legenheit nochmals, und zwar etwas näher einzugehen.
In einem Inventar mit Abbildungen aus dem 16. Jahr-
hundert in der Armeria Real zu Madrid befindet sich ein
Blatt mit der Skizze eines Harnisches, auf dessen Brust-
stück eine breite Zierleiste mit Andreas-Astkreuzen und
Feuerstahlen zu sehen ist. Die Umrisse der Zeichnung
und namentlich die Zierleiste stimmen mit dem in Rede
stehenden Harnisch. Auf der Rückseite des Blattes steht
(in spanischer Sprache): „Dieses ist die Skizze zu dem
Harnisch mit den Andreaskreuzen, den Meister Wolf (Bolfe)
aus Landshut anfertigen soll, dem eine Kopie dieses Ent-
wurfes im Monat April 1551 nach Augsburg überbracht
wurde.“
Damit dürfte einwandfrei festgestellt sein, dafs der
in Rede stehende Harnisch im Jahre 1551 bei Sigismund
Wolf in Auftrag gegeben worden ist. Am 2. Mai des
gleichen Jahres gab Philipp II. Befehl, dem Meister Wolf eine
Anzahlung von 200 escudos in Gold zu leisten (S. 208).
Nun ist mir brieflich entgegen gehalten worden:
1. es stehe ziemlich fest, dafs Sigismund Wolf im
Jahre 1553 gestorben sei;
2. die Struktur des Harnisches, alle seine Teile und
auch die dekorative Ausstattung mit Ätzstreifen
wiesen auf eine etwas spätere Zeit, etwa um
1560, hin.
Folglich könne der Harnisch nicht vonSigis-
mund Wolf sein.
Die obige Todeszeit mag nach den Mitteilungen von
M. v. Ehrenthal in dem Aufsatz: „Franz Grofsschedel zu
Landshut und einige seiner Werke“ (diese Zeitschrift,
II. Bd., 10. Heft, S. 347) richtig sein. Warum soll aber ein
Harnisch, dessen Vorlage, nach der er bestellt und ge-
arbeitet wurde, mit den dekorativen Streifen im Jahre
1551 gefertigt worden ist, nicht auch vor 1560 mit diesen
dekorativen Streifen ausgeführt worden sein? Ich
vermag das nicht einzusehen.
Vielleicht kann man aber annehmen, dafs der Harnisch
von Sigismund Wolf begonnen, nach seinem Tode von
seinem Gehilfen Franz Grofsschedel vollendet worden ist.
(Vgl. Ehrenthal a. a. O , S. 367.) Hierfür spricht vielleicht,
dafs Philipp II. am 29. November des Jahres (angeblich)
fünfzehnhundertfünfundfünfzig den Befehl gegeben hat,
dem Franz Grofsschedel und dem Meister Bolfe,
seinem Plattner zu Lancuete, die Summe von 350
escudos in Gold auszuzahlen (Valencia de Don Juan,
Catälogo usw., Madrid 1898, S. 88).
Vielleicht ist hier aber auch zu lesen: fünfzehnhundert-
dreiundfünfzig, andernfalls müfste man annehmen, der
König habe im Jahre 1555 von dem Ende 1553 eingetretenen
Tode des Sigismund Wolf noch nichts gewufst! Oder aber das
obige Todesjahr ist falsch und Wolf ist erst 1555 gestorben!
Ich verlasse nunmehr diesen Gegenstand und kehre
zu dem grofsen Prachtwerke zurück, dessen Besprechung
Anlafs zu den vorstehenden Bemerkungen bot, indem ich
noch hinzufüge, dafs seine Ausstattung über jedes Lob
erhaben ist. Schönes, schweres holländisches Büttenpapier
mit dem Wasserzeichen: „Toison d’Or“, prächtiger Druck und
ganz vorzüglich gelungene Bildertafeln, die die Kunstwerke
mit allen Feinheiten und in fabelhafter Treue wiedergeben!
Möge das schöne Werk auch in deutschen Kreisen
die Würdigung finden, die es verdient!
Dr. Stephan Kekule von Stradonitz.
G. Wrzodek, Oberleutnant im Infanterie-Regt.
Freiherr Fliller von Gaertringen (4. Posensches)
Nr. 59 und Assistent der Königlichen Gewehr-
Prüfungskommission, Die Entwickelungen der
Handfeuerwaffen seit der Mitte des 19. Jahr-
hunderts und ihr heutiger Stand. Leipzig,
Göschen 1908.
Bei dem hohen Interesse der Gegenwart für Waffen-
fragen ist es ein glücklicher Gedanke, in der bekannten
und beliebten Sammlung Göschen eine gedrängte Dar-
stellung der Entwickelung der Handfeuerwaffen zu geben,
wie es für das Feldgeschütz bereits in dem bekannten
Werke von Heydenreich geschehen ist. Das Büchlein wird
der im Titel gestellten Aufgabe in sehr glücklicher Weise
gerecht. Die ersten beiden Abschnitte „Die Entwickelung
der glatten Vorderlader zu Hinterladern und gezogenen
Gewehren kleinen Kalibers (1841—1866)“ und „Allgemeine
Annahme der Hinterladung“ gruppieren sich um die
historische Tatsache der ausgezeichneten Leistungen des
preußischen Zündnadelgewehres, die den Konstrukteuren
aller Länder zunächst den Weg wiesen. Der 3. Abschnitt
behandelt die verschiedenen Mehrladesysteme, der 4. die
Kaliberfrage und die Einführung des rauchschwachen
Pulvers, der 5., der vielleicht unter den Lesern der Laien-
welt am meisten Interessenten finden wird, den heutigen
Stand der Handfeuerwaffen im In- und Ausland. Dieser
Abschnitt bietet im Hinblick auf den geringen Raum, der
dem Verfasser zur Verfügung stand, sehr viel Lehrreiches
in übersichtlicher Anordnung nach Konstruktionen.
Weitere Fragen, die in der Öffentlichkeit erst seit
verhältnismäßig kurzer Zeit behandelt wurden, berück-
sichtigen die Abschnitte 6—9: Spitzgeschoß, Selbstladerfrage,
Verkürzte Gewehre, insbesondere Karabiner, Faustfeuer-
waffen. Bei der Selbstladerfrage konnte vielleicht erwähnt
werden, daß die Frage des Munitionsnachschubs, die bei
Einführung von Selbstladegewehren wieder einmal brennend
werden würde, voraussichtlich mit der jetzt begonnenen
allgemeinen Verwendung des mechanischen Zuges für den
Heereslastentransport gelöst werden wird. Unter „Ver-
kürzte Gewehre“ hätte vielleicht des englischen kurzen
Gewehres, um das ja so heftig diskutiert wird, noch ein-
mal gedacht werden können.
Zwei Tabellen über Gewehrkonstruktionen um 1870
und solche der Gegenwart ergänzen die treffliche Arbeit
aufs glücklichste.
Jedem, der schnell über die Handfeuerwaffenfrage
Belehrung sucht, nicht aber Zeit hat, umfangreiche Waffen-
lehren durchzustudieren, ist das Büchlein wärmstens zu
empfehlen. Hauptmann Meyer, Inf.-Regt. 132.
LITERATUR
IV. BAND
riistung Philipps I. von Castilien“ (S. 201 und Taf. 88) liest
er in der Inschrift gleich mir: „MVLERIB“ sei.: BUS und
nicht „MVLERE“. Gleich mir vermutet er den Kinder-
harnisch in der Eremitage zu St. Petersburg (S. 212 und
Taf. 91), mit grofsem Andreas-Astkreuz, Feuerstahlen und
Funken auf dem Bruststück, als wahrscheinlich für den
Infanten Don Carlos, geb. 1545, gest. 1568, bestimmt und
weist mit mir Gilles Annahme zurück, es handele sich um
einen Kinderharnisch Karls des Kühnen. Endlich weist er
auch mit mir den „leichten Kriegsharnisch Philipps II.“
(S. 207 und Taf. 90) gegen Böheim und mit dem Conde
de Valencia de Don Juan dem Plattner Sigismund Wolf
aus Landshut und nicht dem Plattner Wilhelm Worms d. J.
aus Nürnberg zu.
Da mir brieflich, wenn auch nicht öffentlich, wegen
meines a. oben a.O. ausgesprochenen Satzes, dieser Harnisch
sei „jetzt als eine Arbeit des Sigismund Wolf aus genau
der Mitte des 16. Jahrhunderts archivalisch erwiesen“
von einem unserer ersten Fachleute Vorhaltungen gemacht
worden sind, so sei es mir gestattet, auf diesen Gegen-
stand und auf die Ausführungen Macoirs bei dieser Ge-
legenheit nochmals, und zwar etwas näher einzugehen.
In einem Inventar mit Abbildungen aus dem 16. Jahr-
hundert in der Armeria Real zu Madrid befindet sich ein
Blatt mit der Skizze eines Harnisches, auf dessen Brust-
stück eine breite Zierleiste mit Andreas-Astkreuzen und
Feuerstahlen zu sehen ist. Die Umrisse der Zeichnung
und namentlich die Zierleiste stimmen mit dem in Rede
stehenden Harnisch. Auf der Rückseite des Blattes steht
(in spanischer Sprache): „Dieses ist die Skizze zu dem
Harnisch mit den Andreaskreuzen, den Meister Wolf (Bolfe)
aus Landshut anfertigen soll, dem eine Kopie dieses Ent-
wurfes im Monat April 1551 nach Augsburg überbracht
wurde.“
Damit dürfte einwandfrei festgestellt sein, dafs der
in Rede stehende Harnisch im Jahre 1551 bei Sigismund
Wolf in Auftrag gegeben worden ist. Am 2. Mai des
gleichen Jahres gab Philipp II. Befehl, dem Meister Wolf eine
Anzahlung von 200 escudos in Gold zu leisten (S. 208).
Nun ist mir brieflich entgegen gehalten worden:
1. es stehe ziemlich fest, dafs Sigismund Wolf im
Jahre 1553 gestorben sei;
2. die Struktur des Harnisches, alle seine Teile und
auch die dekorative Ausstattung mit Ätzstreifen
wiesen auf eine etwas spätere Zeit, etwa um
1560, hin.
Folglich könne der Harnisch nicht vonSigis-
mund Wolf sein.
Die obige Todeszeit mag nach den Mitteilungen von
M. v. Ehrenthal in dem Aufsatz: „Franz Grofsschedel zu
Landshut und einige seiner Werke“ (diese Zeitschrift,
II. Bd., 10. Heft, S. 347) richtig sein. Warum soll aber ein
Harnisch, dessen Vorlage, nach der er bestellt und ge-
arbeitet wurde, mit den dekorativen Streifen im Jahre
1551 gefertigt worden ist, nicht auch vor 1560 mit diesen
dekorativen Streifen ausgeführt worden sein? Ich
vermag das nicht einzusehen.
Vielleicht kann man aber annehmen, dafs der Harnisch
von Sigismund Wolf begonnen, nach seinem Tode von
seinem Gehilfen Franz Grofsschedel vollendet worden ist.
(Vgl. Ehrenthal a. a. O , S. 367.) Hierfür spricht vielleicht,
dafs Philipp II. am 29. November des Jahres (angeblich)
fünfzehnhundertfünfundfünfzig den Befehl gegeben hat,
dem Franz Grofsschedel und dem Meister Bolfe,
seinem Plattner zu Lancuete, die Summe von 350
escudos in Gold auszuzahlen (Valencia de Don Juan,
Catälogo usw., Madrid 1898, S. 88).
Vielleicht ist hier aber auch zu lesen: fünfzehnhundert-
dreiundfünfzig, andernfalls müfste man annehmen, der
König habe im Jahre 1555 von dem Ende 1553 eingetretenen
Tode des Sigismund Wolf noch nichts gewufst! Oder aber das
obige Todesjahr ist falsch und Wolf ist erst 1555 gestorben!
Ich verlasse nunmehr diesen Gegenstand und kehre
zu dem grofsen Prachtwerke zurück, dessen Besprechung
Anlafs zu den vorstehenden Bemerkungen bot, indem ich
noch hinzufüge, dafs seine Ausstattung über jedes Lob
erhaben ist. Schönes, schweres holländisches Büttenpapier
mit dem Wasserzeichen: „Toison d’Or“, prächtiger Druck und
ganz vorzüglich gelungene Bildertafeln, die die Kunstwerke
mit allen Feinheiten und in fabelhafter Treue wiedergeben!
Möge das schöne Werk auch in deutschen Kreisen
die Würdigung finden, die es verdient!
Dr. Stephan Kekule von Stradonitz.
G. Wrzodek, Oberleutnant im Infanterie-Regt.
Freiherr Fliller von Gaertringen (4. Posensches)
Nr. 59 und Assistent der Königlichen Gewehr-
Prüfungskommission, Die Entwickelungen der
Handfeuerwaffen seit der Mitte des 19. Jahr-
hunderts und ihr heutiger Stand. Leipzig,
Göschen 1908.
Bei dem hohen Interesse der Gegenwart für Waffen-
fragen ist es ein glücklicher Gedanke, in der bekannten
und beliebten Sammlung Göschen eine gedrängte Dar-
stellung der Entwickelung der Handfeuerwaffen zu geben,
wie es für das Feldgeschütz bereits in dem bekannten
Werke von Heydenreich geschehen ist. Das Büchlein wird
der im Titel gestellten Aufgabe in sehr glücklicher Weise
gerecht. Die ersten beiden Abschnitte „Die Entwickelung
der glatten Vorderlader zu Hinterladern und gezogenen
Gewehren kleinen Kalibers (1841—1866)“ und „Allgemeine
Annahme der Hinterladung“ gruppieren sich um die
historische Tatsache der ausgezeichneten Leistungen des
preußischen Zündnadelgewehres, die den Konstrukteuren
aller Länder zunächst den Weg wiesen. Der 3. Abschnitt
behandelt die verschiedenen Mehrladesysteme, der 4. die
Kaliberfrage und die Einführung des rauchschwachen
Pulvers, der 5., der vielleicht unter den Lesern der Laien-
welt am meisten Interessenten finden wird, den heutigen
Stand der Handfeuerwaffen im In- und Ausland. Dieser
Abschnitt bietet im Hinblick auf den geringen Raum, der
dem Verfasser zur Verfügung stand, sehr viel Lehrreiches
in übersichtlicher Anordnung nach Konstruktionen.
Weitere Fragen, die in der Öffentlichkeit erst seit
verhältnismäßig kurzer Zeit behandelt wurden, berück-
sichtigen die Abschnitte 6—9: Spitzgeschoß, Selbstladerfrage,
Verkürzte Gewehre, insbesondere Karabiner, Faustfeuer-
waffen. Bei der Selbstladerfrage konnte vielleicht erwähnt
werden, daß die Frage des Munitionsnachschubs, die bei
Einführung von Selbstladegewehren wieder einmal brennend
werden würde, voraussichtlich mit der jetzt begonnenen
allgemeinen Verwendung des mechanischen Zuges für den
Heereslastentransport gelöst werden wird. Unter „Ver-
kürzte Gewehre“ hätte vielleicht des englischen kurzen
Gewehres, um das ja so heftig diskutiert wird, noch ein-
mal gedacht werden können.
Zwei Tabellen über Gewehrkonstruktionen um 1870
und solche der Gegenwart ergänzen die treffliche Arbeit
aufs glücklichste.
Jedem, der schnell über die Handfeuerwaffenfrage
Belehrung sucht, nicht aber Zeit hat, umfangreiche Waffen-
lehren durchzustudieren, ist das Büchlein wärmstens zu
empfehlen. Hauptmann Meyer, Inf.-Regt. 132.