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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0434

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10. HEFT

299

H. MÜLLER-HICKLER, STUDIEN ÜBER DEN LANGEN SPIESS

Es ergiebt sich ganz von selbst, dafs die Mitte
nicht die Haltestelle gewesen sein kann, wenn
man bedenkt, dafs der Schwerpunkt bei 4,65 Länge
auf 2,38 von der Spitze lag, die dickste Stelle
aber — die natürliche Handhabe — 3 Meter von
der Spitze entfernt war. Auch war hinter dem
Mann nicht der nötige Platz für so viel über-
flüssiges Holz. (Bei richtigem Tragen ragte der
Schaft nur ungefähr 1,30 m nach hinten.) Die
Lage des Schwerpunktes (hinter der Mitte) gab
in Verbindung mit dem dicksten Teil des Spiefses,
der noch weiter hinten lag, die Anfafsstelle des
Schaftes von selbst an.
Vor Allem aber gilt bei jeder Waffe als
oberster Grundsatz, dafs der Schwerpunkt vor
dem Lechter liegen mufs, einerlei ob Spiefs oder
Schwert. Nur so kann Stofs und Durchschlags-
kraft erzielt werden. Lafst die Laust vor dem
Schwerpunkte, so wird der Hieb ein armseliger
Schlag und der Stofs ein unwirksames Gesteche.
Dafs aber die Schweizer wirksam hieben
und stachen, haben sie auf blutigem Leide ge-
nugsam bewiesen.
Die Schafte wurden in der Schweiz von
einer besonderen Zunft, den „Spiefsmachern“, an-
gefertigt und auf ihse Herstellung wurde so
grofser Wert gelegt, dafs ein eigens von den
Städten Beauftragter (der „Baumeister“ genannt
wurde) die Spiefsmacher beaufsichtigte. Diese
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Nachdem wir nun den Spiefs selbst kennen
lernten, interessiert uns dessen Handhabung.
Auf dem Marsche trug der Knecht den Spiefs
am Schwerpunkte auf der Schulter. Die Marsch-
ordnung' war infolgedessen etwas gelockert und
in die Länge gezogen.
So wenigstens beim Kriegsmarsch, bei dem
feindlicher Angriff zu gewärtigen war. Ging es
durch Lreundesland im Reisemarsch auf das
Kriegsziel los, so mögen die Spiefse, die doch
recht auf die Schulter drückten, auf Wagen
nachgefahren worden sein, wie die Hakenbüchsen
und Schlachtschwerter, oder auch auf Saumrossen
getragen, wofür folgende Stelle spricht: „die
Schweizer nahmen auf ihrem Zuge 1512 nach Italien


Abb. 4.
mit: 72 Saumrofs, so spiefs, buchsen, bullfer und
stein tragen habent usw.“ (Dr. Häne-Zürich).
Doch so nur beim Lriedensmarsch; sonst wurde
wohl acht gegeben. Wie in so Vielem falsche
Begriffe vom Landsknechtleben herrschen, so
meinen die Meisten, dafs eine Schlacht ein Ge-
balge, ein Marsch ein Gebummel durchs Land
war. Im Gegenteil! Man erkannte mit Machia-
velli, dafs ein Marsch gefährlicher sein konnte
denn eine Schlacht. Herr Ludwig der Bärtige
schreibt 1428 seinem Sohne: „Wer wol chriegen
wil, der acht umb gut Kuntschaft und dafs er
,wol reitend Knecht' vorausschicken soll“.
Die bequeme Tragweise änderte sich sofort,
wenn in die Ordnung gerückt wurde. Jetzt wurde
der Spiefs steil mit einer leichten Senkung nach
hinten gegen die Schulter (vielleicht war auch
die Seite bestimmt) getragen und mit der Hand
angeprefst. Lautlose Stille herrschte, die Lähn-
 
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