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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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1./2. Heft
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Johannsen, Otto: Die Anwendung des Gußeisens im Geschützwesen des Mittelalters und der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0032

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12

OTTO JOHANNSEN, GESCHÜTZWESEN IM MITTELALTER

VIII. BAND

phine, Ösen und Verzierungen wurden im
15. Jahrhundert wohl nur nach dem Wachs-
ausschmelzverfahren hergestellt, später auch mit
Kernstücken, wie aus Brunners Anleitung zu


Abb. 6. Mörser vom Jahre 1538. Kal. 15,2 cm.
Wien, Heeresmuseum.

rigkeiten, da man über die Entwicklung der
Kammerstücke und der kleinen Spe'zialgeschütze,
zu denen die erhaltenen Gufseisengeschütze ge-
hören, nicht näher unterrichtet ist. Keinesfalls
darf man alle Kammerstücke ohne weiteres in
das 15. Jahrhundert datieren, da diese in den
engen Batterien der Festungen und Schiffe und
zum Geschwindschiefsen noch im 17. Jahrhundert
benutzt wurden.
Da schmiedeeiserne Geschütze des Mittel-
alters oft als gegossen bezeichnet werden, steht
der Fachmann allen Nachrichten über gufseiserne
Geschütze der früheren Zeit zweifelnd gegen-
über. Da auch der Techniker oft nicht sicher
entscheiden kann, ob Gufs oder Schmiedearbeit
vorliegt, empfiehlt es sich, alle zweifelhaften Ge-
schütze analysieren zu lassen. Man gewinnt da-
durch gleichzeitig Anhaltspunkte zur Beant-
wortung der Frage, wie das Geschütz hergestellt
und aus welchen Erzen das benutzte Gufseisen
gewonnen ist. <
Nur für die nachstehend genannten Geschütze
von mittelalterlichem Aussehen halte ich es heute
für erwiesen, dafs Eisengufs vorliegt:
Die beiden Vorderlader mit Lochvisier, ge-
funden in Pöfsneck. Germ. Museum Nürnberg02).
(Abb. 7 a u. b.)

entnehmen ist. Verzierungen an Gufseisenge-
schützen sind jedoch selten. Filarete berichtet
von einem gufseisernen Prunkgeschütz (siehe
unten). Das älteste erhaltene Gufseisengeschütz
mit Verzierungen ist der Mörser des Siegener
Meisters Hans Bender vom Jahre 1538 im K. u.
K. Heeresmuseum zu Wien (Abb. 6)80). Nach
Bringiuccio wurden kleine Handrohre aus Bronze
im Formkasten in Sand gegossen. Möglicher-
weise sind auch gufseiserne Hakenbüchsen dieser
Zeit schon nach diesem einfachen Verfahren ge-
formt worden60 61 *).
■ Von gröfstem Wert für die Geschichte des
Geschützwesens und des Eisengusses sind die
erhaltenen gufseisernen Geschütze mittelalterlicher
Art. Leider bietet die Datierung derselben Schwie-
60) Wendelin Boeheim: Die Sammlung alter Geschütze
im K. K. Artillerie-Arsenale zu Wien. (Mitt, der Central-
Commission zur Erforsch, u. Erhalt, der kunst- u. hist. Denk-
male. Neue Folge Bd. 9. Wien 1883 S. 91.) — Gustav Ernst:
Ein Geschütz aus Siegen vom Jahre 1538. (Siegerland.
Blätter des Vereins f. Heimatkunde und H-eimatschutz im
Siegerlande. 2. Bd. Siegen 1914. S. 193.)
61) Im Vaterl. Museum zu Braunschweig befindet sich
ein gußeiserner Vorderlader von etwa 5 cm Kaliber, der
frühestens dem 16. Jahrh. angehört. Dieses kleine Rohr ist
sicher liegend in Sand gegossen, denn man sieht in halber
Höhe die Gußnaht und oben auf der ganzen Rohrlänge
Gußlöcher.

Abb. 7 a. Gufseiserner Vorderlader. Kal. 15 cm.
Germ. Nat.-Museum Nürnberg (ungefaßt).


Abb. 7 b. Gufseiserner Vorderlader. Kal. 13 cm.
Germ. Nat‘-Museum Nürnberg (auf späterer Holzlafette.)


Ein ähnlicher Vorderlader, doch ohne Visier,
eine Hakenbüchse und eine Kammer. Fürstl.
Zeughaus, Schwarzburg63).

°2) A III370.
03) A III 370. — Abb.: Z. f h. W. IV, S. 346.
 
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