1/2. HEFT
FACHNOTIZEN
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die Sitte eingestanzter und eingelegter Besitzer-
namen auf Schwertklingen gekannt hat. Der
Illustrator will durch die Inschrift lediglich sagen,
dafs es Dido ist, die sich hier ersticht, ebenso
wie er den Namen Anna über dem Kopf der
Schwester anbringt. Der Miniator benutzte also
das Motiv der Schwertinschrift mit künstlerischer
Freiheit, um den bildlichen Inhalt durch Worte
zu erläutern. Dies Auseinandergehen von Wirk-
lichkeit und künstlerischem Brauch warnt uns
wieder einmal mit Nachdruck vor kritikloser Aus-
beute des stofflichen Inhalts bildlicher Darstellung.
S. 15; Schultz, Höf. Leben II 2 S. 13)1) und über-
läfst es unserer Phantasie, die Buchstaben zu
Worten, Namen oder Sprüchen gebunden oder in
freierer Folge zu denken. Buchstaben schmückten
und hatten apotropäische Bedeutung (s. Falk
a. a. O. S. 32); ihren Sinn, der dem Schöpfer und
Besitzer der Klinge meist dunkel war, in jedem
Einzelfalle ergründen zu wollen, bleibt ein ver-
gebliches Unterfangen. Und der Versuch Wegelis,
eine Anzahl dieser Buchstabengruppen als „Initial-
inschriften“ zusammenzustellen und von ,,mystisch
kabbalistischen Inschriften“ zu sondern, täuscht
Abb. 2
Dürfen wir also aus dieser Miniatur lediglich
folgern, dafs es zu Beginn des 13. Jahrhunderts
Schwertklingen mit Namen gab, so ist es nicht
gestattet, weiter nach dem Verhältnis des Namens
zum Schwert zu fragen.
Erst letzthin (Zeitschr. f. histor. Waffenk. 7,
197 ff.) hat R. Forrer auf Schwertinschriften ro-
manischer Miniaturen aufmerksam gemacht. Ich
glaube nicht, dafs wir aus diesen Inschriften etwas
anderes schliefsen dürfen als die gan^; allgemeine
Tatsache, dafs man die Schwerter jener Zeit mit
Buchstaben zu schmücken liebte: der französische
Epiker nennt das Schwert letre, d. h. mit Buch-
staben versehen (s. Sternberg a. a. O. S. 5; Bach
über den wirklichen Sachverhalt hinweg, denn
allen diesen sinnlosen Buchstabenreihen, sprechbar
oder unaussprechlich, die eine uns nicht mehr er-
kennbare Buchstabenfolge variieren oder mög-
licher Weise ägyptische, hebräische, babylonische
oder griechische Laute vermengen, wurde Zauber-
kraft beigemessen und sie haben sämtlich auch in
dieser uns überlieferten, nicht mehr verständlichen
Form als Zaubersprüche gegolten (s. A. Dieterich,
ABC-Denkmäler, Rhein. Mus. N. F. 56, S. 91 ff.).
Sch wie ter in g.
’) Vergl. auch Virginal 37, 10: so warn im sine reize
mit buochstäben durchgraben guot —
FACHNOTIZEN
29
die Sitte eingestanzter und eingelegter Besitzer-
namen auf Schwertklingen gekannt hat. Der
Illustrator will durch die Inschrift lediglich sagen,
dafs es Dido ist, die sich hier ersticht, ebenso
wie er den Namen Anna über dem Kopf der
Schwester anbringt. Der Miniator benutzte also
das Motiv der Schwertinschrift mit künstlerischer
Freiheit, um den bildlichen Inhalt durch Worte
zu erläutern. Dies Auseinandergehen von Wirk-
lichkeit und künstlerischem Brauch warnt uns
wieder einmal mit Nachdruck vor kritikloser Aus-
beute des stofflichen Inhalts bildlicher Darstellung.
S. 15; Schultz, Höf. Leben II 2 S. 13)1) und über-
läfst es unserer Phantasie, die Buchstaben zu
Worten, Namen oder Sprüchen gebunden oder in
freierer Folge zu denken. Buchstaben schmückten
und hatten apotropäische Bedeutung (s. Falk
a. a. O. S. 32); ihren Sinn, der dem Schöpfer und
Besitzer der Klinge meist dunkel war, in jedem
Einzelfalle ergründen zu wollen, bleibt ein ver-
gebliches Unterfangen. Und der Versuch Wegelis,
eine Anzahl dieser Buchstabengruppen als „Initial-
inschriften“ zusammenzustellen und von ,,mystisch
kabbalistischen Inschriften“ zu sondern, täuscht
Abb. 2
Dürfen wir also aus dieser Miniatur lediglich
folgern, dafs es zu Beginn des 13. Jahrhunderts
Schwertklingen mit Namen gab, so ist es nicht
gestattet, weiter nach dem Verhältnis des Namens
zum Schwert zu fragen.
Erst letzthin (Zeitschr. f. histor. Waffenk. 7,
197 ff.) hat R. Forrer auf Schwertinschriften ro-
manischer Miniaturen aufmerksam gemacht. Ich
glaube nicht, dafs wir aus diesen Inschriften etwas
anderes schliefsen dürfen als die gan^; allgemeine
Tatsache, dafs man die Schwerter jener Zeit mit
Buchstaben zu schmücken liebte: der französische
Epiker nennt das Schwert letre, d. h. mit Buch-
staben versehen (s. Sternberg a. a. O. S. 5; Bach
über den wirklichen Sachverhalt hinweg, denn
allen diesen sinnlosen Buchstabenreihen, sprechbar
oder unaussprechlich, die eine uns nicht mehr er-
kennbare Buchstabenfolge variieren oder mög-
licher Weise ägyptische, hebräische, babylonische
oder griechische Laute vermengen, wurde Zauber-
kraft beigemessen und sie haben sämtlich auch in
dieser uns überlieferten, nicht mehr verständlichen
Form als Zaubersprüche gegolten (s. A. Dieterich,
ABC-Denkmäler, Rhein. Mus. N. F. 56, S. 91 ff.).
Sch wie ter in g.
’) Vergl. auch Virginal 37, 10: so warn im sine reize
mit buochstäben durchgraben guot —