1./2. HEFT
FACHNOTIZEN
31
der heilige crist stieß syne ruten
in den jorelan, daz der jordan weder stunt:
Also müssen edle u-pffen böse vndc gut
vermiete myn fleisch vndc blut,
daz ye gesmedt wart,
sint der heilige crist gehorch wart —
Ane daz myne alleyne,
daz müsse snicle fleisch vnde gebeyne;
wan daz kommet vß myner liant,
so sie es zcu den andern geczalt.
des lielffe mir der heilige got, ■
der an dem crutze leit den bittern tod.
AMEN.
Rudolph Zaunick.
Peter Bruegels des Älteren St. Georgskirmes.
Der niederländische Maler und Radierer Peter
Bruegel d. Ä. (1525—1569; Antwerpen, Brüssel),
bekannt auch unter dem Namen Bauern-Bruegel,
hat uns vortreffliche Schilderungen des bunten,
oft tollen und rohen Treibens der unteren Volks-
schichten seiner Heimat gegeben. Eine be-
sonders gelebte Darstellung zeigt der Kupfer-
stich, den Peter van der Heyden nach Bruegels
Vorlage anfertigte und d^r damals im Verlage
des angesehenen Antwerpener Kunstverlegers
Hieronymus Cock erschien. Dieses Blatt, das eine
Kirmes, einen Jahrmarkt am Tage des heiligen
Georg (23. April) schildert, verdient näher bekannt
gemacht zu werden.
Das Fest spielt sich in einem Dorfe oder
Flecken nahe einer grofsen Stadt ab, die im Hinter-
gründe den Gesichtskreis abschliefst. Der Schau-
platz und-das Treiben auf ihm sind wohl kaum als
eine ganz getreue Nachbildung, die also auf einen
bestimmten Ort, auf einen bestimmten Tag zurück-
geht, anzusehen. Eindrücke, die Bruegel auf
verschiedenen Dorfkirmsen empfangen, hat der
Künstler auf diesem Blatte vereinigt: daher das
Vielerlei, das überbunte Treiben auf engemRaume.
Dafs das Fest dem Ritter St. Georg gilt, ist un-
zweifelhaft. Zwar sagt uns das nicht die grofse
Fahne, die aus dem Wirtshause „Zur Krone“
herunterhängt, denn in dem Ritter auf ihr mit
Pfeilen und Bogen und mit der Aufschrift: ,,laet
die boeren haer Kermis houwen“ müssen wir,
wollen wir ihn überhaupt für einen Heiligen an-
sprechen, doch wohl den hl. Sebastian erkennen,
den Patron der Schützengilden. Der Vorgang
im Mittelgründe indessen läfst keinen Zweifel
darüber auf kommen, dafs der Festtag dem hl.
Ritter Georg gehört. In belustigender Weise
wird seine Ruhmestat, die Besiegung des bösen
Drachen, hier dargestellt. Der gepanzerte
Ritter sprengt mit eingelegter Lanze gegen
den feuerspeienden Drachen, ein Gebilde aus
Holz und Pappe, das ein Mann vorwärts zu
schieben sich abmüht. Das Königskind aber,
das der Heilige zu befreien, sich anschickt, steht,
offenbar erschreckt und deshalb vom Vater ge-
stützt, daneben, ihm zur Seite ein Lämmchen.
Der Reitersmann ist gut ausstaffiert, dem Pferde
fehlt, und das ist begreiflich, jede Schutz-
bekleidung.
In nächster Nähe dieses Auftritts nun geht
etwas vor sich, das unsere Aufmerksamkeit
gleichfalls fesseln mufs. Da sind elf junge
Burschen, die wohl im Solde der nahen Stadt
stehen, hinausgezogen zum Feste. Sie führen
einen Schwerttanz auf. Leben und Bewegung
steckt in ihnen. . Eben haben einige der Tänzer
begonnen eine Kette zu bilden und unter den
emporgehaltenen Schwertern der übrigen Kame-
raden durchzuschlüpfen (vgl. Z. f. h. Wffk. VII,
s. 143 ff.). Kaum ist daran zu zweifeln, dafs es
später auch zum Einzelkampfe kommen und
? dann dem Spiele und Scherze blutiger Ernst
folgen wird, da es sich um ausgelassene, wilde
Gesellen handelt.
Links im Hintergründe unseres Blattes sehen
wir einen Windmühlenberg. Bogenschützen
tummeln sich dort oben in hellem Haufen. Ihr
Ziel ist der lebende Vogel, der Hahn, der oben
FACHNOTIZEN
31
der heilige crist stieß syne ruten
in den jorelan, daz der jordan weder stunt:
Also müssen edle u-pffen böse vndc gut
vermiete myn fleisch vndc blut,
daz ye gesmedt wart,
sint der heilige crist gehorch wart —
Ane daz myne alleyne,
daz müsse snicle fleisch vnde gebeyne;
wan daz kommet vß myner liant,
so sie es zcu den andern geczalt.
des lielffe mir der heilige got, ■
der an dem crutze leit den bittern tod.
AMEN.
Rudolph Zaunick.
Peter Bruegels des Älteren St. Georgskirmes.
Der niederländische Maler und Radierer Peter
Bruegel d. Ä. (1525—1569; Antwerpen, Brüssel),
bekannt auch unter dem Namen Bauern-Bruegel,
hat uns vortreffliche Schilderungen des bunten,
oft tollen und rohen Treibens der unteren Volks-
schichten seiner Heimat gegeben. Eine be-
sonders gelebte Darstellung zeigt der Kupfer-
stich, den Peter van der Heyden nach Bruegels
Vorlage anfertigte und d^r damals im Verlage
des angesehenen Antwerpener Kunstverlegers
Hieronymus Cock erschien. Dieses Blatt, das eine
Kirmes, einen Jahrmarkt am Tage des heiligen
Georg (23. April) schildert, verdient näher bekannt
gemacht zu werden.
Das Fest spielt sich in einem Dorfe oder
Flecken nahe einer grofsen Stadt ab, die im Hinter-
gründe den Gesichtskreis abschliefst. Der Schau-
platz und-das Treiben auf ihm sind wohl kaum als
eine ganz getreue Nachbildung, die also auf einen
bestimmten Ort, auf einen bestimmten Tag zurück-
geht, anzusehen. Eindrücke, die Bruegel auf
verschiedenen Dorfkirmsen empfangen, hat der
Künstler auf diesem Blatte vereinigt: daher das
Vielerlei, das überbunte Treiben auf engemRaume.
Dafs das Fest dem Ritter St. Georg gilt, ist un-
zweifelhaft. Zwar sagt uns das nicht die grofse
Fahne, die aus dem Wirtshause „Zur Krone“
herunterhängt, denn in dem Ritter auf ihr mit
Pfeilen und Bogen und mit der Aufschrift: ,,laet
die boeren haer Kermis houwen“ müssen wir,
wollen wir ihn überhaupt für einen Heiligen an-
sprechen, doch wohl den hl. Sebastian erkennen,
den Patron der Schützengilden. Der Vorgang
im Mittelgründe indessen läfst keinen Zweifel
darüber auf kommen, dafs der Festtag dem hl.
Ritter Georg gehört. In belustigender Weise
wird seine Ruhmestat, die Besiegung des bösen
Drachen, hier dargestellt. Der gepanzerte
Ritter sprengt mit eingelegter Lanze gegen
den feuerspeienden Drachen, ein Gebilde aus
Holz und Pappe, das ein Mann vorwärts zu
schieben sich abmüht. Das Königskind aber,
das der Heilige zu befreien, sich anschickt, steht,
offenbar erschreckt und deshalb vom Vater ge-
stützt, daneben, ihm zur Seite ein Lämmchen.
Der Reitersmann ist gut ausstaffiert, dem Pferde
fehlt, und das ist begreiflich, jede Schutz-
bekleidung.
In nächster Nähe dieses Auftritts nun geht
etwas vor sich, das unsere Aufmerksamkeit
gleichfalls fesseln mufs. Da sind elf junge
Burschen, die wohl im Solde der nahen Stadt
stehen, hinausgezogen zum Feste. Sie führen
einen Schwerttanz auf. Leben und Bewegung
steckt in ihnen. . Eben haben einige der Tänzer
begonnen eine Kette zu bilden und unter den
emporgehaltenen Schwertern der übrigen Kame-
raden durchzuschlüpfen (vgl. Z. f. h. Wffk. VII,
s. 143 ff.). Kaum ist daran zu zweifeln, dafs es
später auch zum Einzelkampfe kommen und
? dann dem Spiele und Scherze blutiger Ernst
folgen wird, da es sich um ausgelassene, wilde
Gesellen handelt.
Links im Hintergründe unseres Blattes sehen
wir einen Windmühlenberg. Bogenschützen
tummeln sich dort oben in hellem Haufen. Ihr
Ziel ist der lebende Vogel, der Hahn, der oben