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ERWIN SCHRAMM, DIE GESCHÜTZE DES ALTERTUMS
VIII. BAND
dem Modell bestätigt. Für das Schiefsen wurden
aus diesem Grunde die hölzernen Ketten und
Kettenräder ganz ausgeschaltet und dafür Fahr-
radketten und Kettenräder verwendet, womit das
Geschütz tadellos arbeitete. Die Treffsicherheit
war überraschend.' Bei einem Beschufs spaltete
ein Pfeil den vorhergehenden in der Scheibe.
Philon schreibt, dafs das Geschütz höchstens etwas
mehr als ein Stadion geschossen habe. Das Modell
hat die gleiche Schufsweite erreicht (Abb. 15).
Abb. 15. Mehrlader
Das Luftgeschütz des Ktesibios
(ein Steinwerfer).
Für die Kenntnis und die Beurteilung der
altgriechischen Artillerie hat dies Geschütz kaum
eine Bedeutung, es ist aber insofern von Interesse,
als es ein klares Bild von der hohen Vollkommen-
heit der technischen Hilfsmittel des Altertums
bietet.
Die Beschreibung Philons weist zwei Lücken
auf: Einmal schreibt er, dafs die Kolben so genau
in die Zylinder eingepafst waren, dafs keine
Flüssigkeit,'selbst mit der gröfsten Gewalt, zwi-
schen ihnen durchdringen konnte. Es wären also
nach dieser Beschreibung keine Liderungsringe
aus Leder, Pappe oder dergl. vorhanden gewesen,
obgleich dadurch ein sorgfältiges Einschleifen
vermieden werden konnte, denn ein Liderungsring
gleicht infolge seiner Elastizität und Weichheit
geringe Unebenheiten im Schliff aus.
Um aber die Kolben genau in die Zylinder
einschmirgeln zu können, mufsten sie sich in den-
selben ungehindert auf- und abbewegen können,
ohne Gegendruck der Luft. Die Böden der Zy-
linder mufsten also wenigstens anfangs Luftlöcher
haben, welche erst nach dem saugendenVerpassen
der Kolben geschlossen werden durften. In der
Beschreibung steht nichts davon.
Ferner: Ob Liderungsringe vorhanden sind
oder nicht, auf die Dauer wird doch etwas Luft
entweichen und daher allmählich die Kraft der
Bogenarme geringer werden. Das allmähliche
Zurückgehen der Kraftleistung ist ja bei den
Torsionsgeschützen genau so der Fall. Durch
ein geringes Andrehen der Spannbuchsen wird
dann die Kraft der Bogenarme wieder erhöht.
Beim Aerotonon mufs die entwichene Luft ersetzt
werden. Das ist nur mit Hilfe einer Luftpumpe
möglich.
Dafs die Alten die Luftpumpe gekannt und
auch ang'ewendet haben, wissen wir; dafs sie auch
im vorliegenden Falle angewendet wurde, ist
wahrscheinlich, jedoch nicht bewiesen. Die Be-
schreibung erwähnt weder die Luftpumpe noch
den Stutzen, an dem sie angesetzt wurde.
Das System des Geschützes ist einfach: Zwei
Zylinder mit darin befindlichen Kolben sind so
angeordnet, dafs die kurzen Arme zweier zwei-
armiger Hebel gegen die Kolben drücken; wenn
man die langen Arme durch die Sehne zurück-
zieht, wird die Luft in den Zylindern zusammen-
gedrückt. Beim.Loslassen der Sehne drückt um-
gekehrt die Kraft der zusammengeprefsten Luft
die Bogenarme in ihre ursprüngliche Lage zurück
und das Geschofs wird durch die Bogensehne fort-
geschleudert. Ohne Anwendung der Luftpumpe ist
die Schufsweite ungenügend, und zwar aus folgen-
den Gründen: SelbstdermodernenTechnikmitallen
ihren verfeinerten Hilfsmitteln ist es nicht möglich,
beide Zylinder mit Kolben so absolut gleich her-
zustellen, dafs auch ihre entwickelte Kraft absolut
die gleiche ist. Nur durch Zupumpen von Luft
läfst sich die Kraftleistung beider Kolben und
somit der Bogenarme gleich machen.
Da es sich bei dem Einschleifen der Kolben
um Hundertstel eines Millimeters handelt, ist auch
die Konsistenz des Schmiermittels von grofsem
Einflufs. Dasselbe Öl, das im Sommer oder im
warmen Zimmer zur Verminderung der Reibung
der Kolben in den Zylindern beiträgt, verklebt
dieselben bei Kälte so, dafs sie nicht wieder in
ihre ursprüngliche Stellung zurückkehren.
Ein Geschütz, dessen Leistungsfähigkeit der-
art von den Witterungseinflüssen abhängig ist,
das auch durch Staub und Schmutz, sowie durch
ganz geringfügige Beschädigungen sofort ver-
ERWIN SCHRAMM, DIE GESCHÜTZE DES ALTERTUMS
VIII. BAND
dem Modell bestätigt. Für das Schiefsen wurden
aus diesem Grunde die hölzernen Ketten und
Kettenräder ganz ausgeschaltet und dafür Fahr-
radketten und Kettenräder verwendet, womit das
Geschütz tadellos arbeitete. Die Treffsicherheit
war überraschend.' Bei einem Beschufs spaltete
ein Pfeil den vorhergehenden in der Scheibe.
Philon schreibt, dafs das Geschütz höchstens etwas
mehr als ein Stadion geschossen habe. Das Modell
hat die gleiche Schufsweite erreicht (Abb. 15).
Abb. 15. Mehrlader
Das Luftgeschütz des Ktesibios
(ein Steinwerfer).
Für die Kenntnis und die Beurteilung der
altgriechischen Artillerie hat dies Geschütz kaum
eine Bedeutung, es ist aber insofern von Interesse,
als es ein klares Bild von der hohen Vollkommen-
heit der technischen Hilfsmittel des Altertums
bietet.
Die Beschreibung Philons weist zwei Lücken
auf: Einmal schreibt er, dafs die Kolben so genau
in die Zylinder eingepafst waren, dafs keine
Flüssigkeit,'selbst mit der gröfsten Gewalt, zwi-
schen ihnen durchdringen konnte. Es wären also
nach dieser Beschreibung keine Liderungsringe
aus Leder, Pappe oder dergl. vorhanden gewesen,
obgleich dadurch ein sorgfältiges Einschleifen
vermieden werden konnte, denn ein Liderungsring
gleicht infolge seiner Elastizität und Weichheit
geringe Unebenheiten im Schliff aus.
Um aber die Kolben genau in die Zylinder
einschmirgeln zu können, mufsten sie sich in den-
selben ungehindert auf- und abbewegen können,
ohne Gegendruck der Luft. Die Böden der Zy-
linder mufsten also wenigstens anfangs Luftlöcher
haben, welche erst nach dem saugendenVerpassen
der Kolben geschlossen werden durften. In der
Beschreibung steht nichts davon.
Ferner: Ob Liderungsringe vorhanden sind
oder nicht, auf die Dauer wird doch etwas Luft
entweichen und daher allmählich die Kraft der
Bogenarme geringer werden. Das allmähliche
Zurückgehen der Kraftleistung ist ja bei den
Torsionsgeschützen genau so der Fall. Durch
ein geringes Andrehen der Spannbuchsen wird
dann die Kraft der Bogenarme wieder erhöht.
Beim Aerotonon mufs die entwichene Luft ersetzt
werden. Das ist nur mit Hilfe einer Luftpumpe
möglich.
Dafs die Alten die Luftpumpe gekannt und
auch ang'ewendet haben, wissen wir; dafs sie auch
im vorliegenden Falle angewendet wurde, ist
wahrscheinlich, jedoch nicht bewiesen. Die Be-
schreibung erwähnt weder die Luftpumpe noch
den Stutzen, an dem sie angesetzt wurde.
Das System des Geschützes ist einfach: Zwei
Zylinder mit darin befindlichen Kolben sind so
angeordnet, dafs die kurzen Arme zweier zwei-
armiger Hebel gegen die Kolben drücken; wenn
man die langen Arme durch die Sehne zurück-
zieht, wird die Luft in den Zylindern zusammen-
gedrückt. Beim.Loslassen der Sehne drückt um-
gekehrt die Kraft der zusammengeprefsten Luft
die Bogenarme in ihre ursprüngliche Lage zurück
und das Geschofs wird durch die Bogensehne fort-
geschleudert. Ohne Anwendung der Luftpumpe ist
die Schufsweite ungenügend, und zwar aus folgen-
den Gründen: SelbstdermodernenTechnikmitallen
ihren verfeinerten Hilfsmitteln ist es nicht möglich,
beide Zylinder mit Kolben so absolut gleich her-
zustellen, dafs auch ihre entwickelte Kraft absolut
die gleiche ist. Nur durch Zupumpen von Luft
läfst sich die Kraftleistung beider Kolben und
somit der Bogenarme gleich machen.
Da es sich bei dem Einschleifen der Kolben
um Hundertstel eines Millimeters handelt, ist auch
die Konsistenz des Schmiermittels von grofsem
Einflufs. Dasselbe Öl, das im Sommer oder im
warmen Zimmer zur Verminderung der Reibung
der Kolben in den Zylindern beiträgt, verklebt
dieselben bei Kälte so, dafs sie nicht wieder in
ihre ursprüngliche Stellung zurückkehren.
Ein Geschütz, dessen Leistungsfähigkeit der-
art von den Witterungseinflüssen abhängig ist,
das auch durch Staub und Schmutz, sowie durch
ganz geringfügige Beschädigungen sofort ver-