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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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7. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0238

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218

LITERATUR

VIII. BAND

um 1690 in Trebinje (Hercegovina) einwanderte, das Jahr
1737 aber nicht mehr erlebt zu haben scheint6): Alle diese
Rohre besitzen ausnahmslos die verhältnismäfsig recht spät
in Gebrauch kommende gestellte Schwanzschraube.
Für die Datierung eines Rohres wird aber Stöcklein ein
ganz besonders interessantes Ziermotiv wichtig, dessen Ent-
wicklungsgeschichte er bis nach China und Tibet verfolgt,
von wo es im 13. Jahrhundert seine Wanderung nach Persien,
Südrufsland und Ägypten antritt, um hundert Jahre später
in dem maurischen Spanien, am Ende des 15. Jahrhunderts
in der Türkei, im 16. Jahrhundert in Italien und Ungarn
(Vitez-Kötes — Stickerei für Helden), endlich über Tirol in
Süddeutschland zu erscheinen: Es sind dies die zu einem
einfachen oder mehrfachen Knoten, Tschang, geschürzten
zwei Stränge von glückbringender, besonders ein langes
Leben verbürgenden Bedeutung. Stöcklein zeigt, dafs dieser
Knoten nie in Verbindung mit irgendeinem anderen Orna-
ment aus Flechtwerk und meist nur an den wichtigsten
Stellen des Laufes, an der Mündung und am Pulversack,
auftritt, und zwar mit symbolischer Bedeutung. Die Grund-
form dieses Knotens sind, wenn ich mich der gröfseren
Anschaulichkeit wegen dieses Bildes bedienen darf, zwei
aus je einem Band gebildete, mit den Spitzen gegenein-
ander gekehrte und ineinander hineingeschobene Herzen.
Diese Form des Knotens tritt im Laufe des 16. und 17. Jahr-
hunderts auf. Bildet jede Spitze eines jeden Herzens eine
Schlinge, so haben wir eine Vervollkommnung des Knotens,
welche das 17. und 18. Jahrhundert vorzunehmen liebt; eine
weitere Windung auf jeder Seite schafft eine dritte Grund-
form, die im 18. Jahrhundert Mode wird. Diese, wenn ich so
sagen darf, anatomische Zerlegung des Aufbaues des ur-
alten Knotens Tschang, welcher, wie ich hier einschalten
möchte, auch an der an japanischen Helmen, Soldatenhüten
angebrachten Quaste, an der Verschnürung von japanischen
• Kassetten, Koffern zuferkennen ist; das Verfolgen seines
vielverschlungenen Reiseweges innerhalb dreier Jahrhun-
derte von China, dem sagenumwobenen Tibet bis ins Herz
Mitteleuropas; das scharfsinnige Heranziehen dieses Zier-
motivs zur zeitlichen Bestimmung von|Erzeugnissen des
islamitischen Kunstgewerbes bildet wohl den gröfsten Reiz
dieser feinsinnigen Studie, welche uns ganz neue Hilfs-
mittel — Form und Ausstattung nämlich — zur zeitlichen
Festlegung von morgenländischen Feuerwaffen an die Hand
und uns damit einen Wink gibt, der Sprache der Ornamente
auch auf diesen Waffen erhöhte Beachtung zu schenken,
zu versuchen, diese Zierleisten, Ranken, Verknotungen als
eine Art Hilfskalender zur wissenschaftlichen Würdigung
einer Waffe des mohammedanischen Ostens heranzuziehen.
Otmar Baron Potier.
Miniaturen aus Handschriften der Königlichen
Hof- und Staatsbibliothek in München.
Herausgegeben von Dr. Georg Leidin'ger.
Heft3. Turnierbuch HerzogWilhelmsIV.von
Bayern. Riehn & Tietze, München. (Be-
sprechung durch den Krieg unliebsam ver-
zögert.)
Als Beiträge zu der immer noch ungeschriebenen
Geschichte des Turniers sind die fürstlichep Turnierbücher
von unschätzbarem Werte. Jede neue Publikation in dieser

a) Ibrahim Beg Defterdarovic: Alte Briefschaften der
Familie Resulbegovfo in den „Wissenschaftlichen Mittei-
lungen aus Bosnien und der Hercegovina“, Band VI, Wien,
1899..

Richtung ist daher von vornherein zu begrülsen. In vor-
liegendem Werke hat Dr. Leidinger das Turnierbuch 'Her-
zog Wilhelms V. von Bayern von neuem publiziert.
Das Turnierbuch ist nach einer im Buche selbst ver-
merkten Inschrift von dem herzoglichen Wappemneister
Ilans Schenk angelegt und 1541 von einem Maler Hans
Ostendorfer gemalt worden. Der Verfasser geht dem über
die Meister dieses Namens in der Literatur entstandenen
Knäuel von fälschen und richtigen Angaben energisch zu
Leibe und stellt die für die bayrische Kunstgeschichte
wichtige Frage endlich einmal auf eine feste Basis. Der
Erfolg der ausführlichen Darlegungen, zu welchen auch
Dr. H. Buchheit wertvolle archivalische Beiträge lieferte,
ist der, dafs wir nun zwischen drei Meistern Hans Osten-
dörfer zu entscheiden haben. Als Meister des Turnier-
buches weist der Verfasser überzeugend Hans Ostendorfer
den Mittleren nach, der 1526—1570/71 in München nachweis-
bar ist. Für das Jahr der Herstellung wurde, wie mir
scheint mit vollem Rechte, das Jahr 1541 festgelegt unter
Entkräftung anderer auf die Jahre 1541 —1545 lautenden
Datierungsversuche.
Aus der Geschichte der Handschrift sei hier nur in
Kürze mitgeteilt, dafs dieselbe aus dem Besitze des Wappen-
meisters H. Schenk in den der Gemahlin HerzogWilhelms IV.,
Jacobaea von Baden, überging. Bei dem Einfall der Schwe-
den im Jahre 1632 wurde das Buch von Herzog Wilhelm
von Weimar, dem schwedischen General, von München
nach Weimar verschleppt, von wo es später nach Gotha
kam. 1816 erbat sich Kronprinz Ludwig, der spätere König
Ludwig!, von 'Bayern, das Buch, um es in München ko-
pieren zu lassen. Herzog August von Sachsen-Coburg-
Gotha bewies seine vornehme Gesinnung, indem er das
Original selbst dem Kronprinzen schenkte, der dasselbe
der Münchner Hof- und Staatsbibliothek überwies.
Im Jahre 1817 erfolgte die erste lithographische Re-
produktion des Turnierbuches durch Theobald und Clemens
Senefelder mit einem Text von Friedrich Schlichtegroll.
Diese zu den Inkunabeln der Lithographie zählende vor-
zügliche Ausgabe ist heute eine Seltenheit ersten_Ranges
und im Handel kaum mehr zu finden. Eine weitere litho-
graphische Publikation vom Jahre 1880 von Franz Reichardt
ist unzuverlässig und ohne Text.
Durch vorliegende Ausgabe, deren Verdienst ganz be-
sonders auch in dem gründlich durchgearbeiteten Text
liegt, wird dem Fachmann wieder Gelegenheit geboten,
eine Nachbildung dieses wichtigen Turnierwerkes seiner
Bibliothek einzuverleiben. Bedauerlich ist, dafs nicht wenig-
stens ein Blatt farbig wiedergegeben ist und dadurch ein
Bild von der Farbenpracht des Originals geben könnte.
Auch ist das glatte, unangenehme Glanzpapier, auf dem
die Abbildungen gedruckt sind, als buchtechnischer Nach-
teil zu bezeichnen.
Der Verfasser beschreibt unter sorgfältig durchgear-
beiteter Vergleichung mit dem Hauptbuch ein zweites Exem-
plar im Besitz der Münchner Bibliothek. Dieses, auf Papier
gemalt, ergänzt im Text manche Lücken des Hauptwerkes,
das es jedoch in der künstlerischen Ausführung bei weitem
nicht erreicht. Von einem dritten Exemplar, im Besitze
des Fürsten von Hohenzollern in Sigmaringen, erfahren
wir, dafs es im Text nur wenig von der Haupthandschrift
ab weicht, aber von der Hand eines viel bedeutenderen
Künstlers herrührt.
Da das Turnierbuch durch die früheren Publikationen
dem Fachmann schon bekannt war, ergibt sich für die
Waffenkunde zunächst nicht viel Neues. Die Rüstungsteile,
soweit sie unter all dem Schmuck und Ausputz sichtbar
werden, sind auch meist ziemlich schematisch gezeichnet,
 
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