8. HEFT
ROBERT FORRER, EIN KALENDER FÜR KÖNIG MATTHIAS CORVINUS
227
weifsen Widder auf grüner Insel, in den Bordüren
zwei Vögel, aber keinerlei weitere Figuren.
Das Monatsbild des April ist besonders sorg-
fältig und reizvoll gemalt. Ein elegant und vor-
nehm gekleideter Edler mit Jagdtasche und
begleitet von drei Hunden steht in waldiger Land-
schaft und hält auf der rechten Hand seinen
Jagdfalken. Der gesellschaftliche' Unterschied
gegenüber dem Falkner der Februarseite ist er-
sichtlich; sollte hier nicht den König selbst dar-
zustellen versucht worden sein? In den Bordüren
picken ein paar kleine Vögel an Erdbeeren und
Trauben (Abb. A).
Die Gegenseite zeigt das Sternbild des Stiers
in burgenreicher Landschaft. Darüber bläst in
der Bordüre ein auf einem Kissen sitzendes nacktes
Knäblein eine Flöte, während unten ein Mann mit
langem Säbelschwert am Gürtel und langstieliger,
mit kurzer Klinge versehener Couse im Arm, in
hastiger Bewegung nach einer grofsen Traube
greift. Oben ein Pfau und unten eine Ente be-
leben weiterhin das Rankenwerk.
Der Monat Mai („Mayus“) zeigt in der Monats-
miniatur einen Edlen auf weifsem, reichgeschirr-
tem Pferd durch eine zierliche Landschaft reiten,
wie er, gefolgt von zwei Jagdhunden, die er an der
Leine hält, seinen Falken steigen läfst. Das Ge-
wand (weinrote Jacke, blaue Beinlinge, kostbarer
hoher faltiger, blaufarbener Hut mit ebensolcher
Halsbinde) ist genau wie das des vorangegange-
nen Edelmannes, in dem wir vorhin den König
selbst vermuteten; auch das ganz wie bei jenem
äufserst sorgfältig gemalte Gesicht ist dasselbe.
Darüber wiederholen sich in der Bordüre der
flötenblasende Putto der vorangegangen Seite,
der radschlagende Pfau und die blauköpfige Ente,
ebenso der Kriegsmann mit dem Krummschwert,
der auch hier nach einer grofsen Traube greift,
dem aber hier die Stangenwaffe mangelt. Die
Mütze unterscheidet sich von der seines Vorgän-
gers nach Form und Färbe (jene grau, diese rot),
das Kostüm ist im Schnitt mit jenem gleich, aber
die Farben sind anders verteilt (blaue Jacke, rote
Beinlinge dort, braune Jacke, blaue Beinlinge
hier). Beachtenswert sind hier wie dort die langen
Schnabelschuhe. Ersichtlich gehören die beiden
zur gleichen Truppengattung: es handelt sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um königliche Tra-
banten, wozu zweierlei stimmen möchte: das ge-
meinsame Auftreten mit dem königlichen Herrn
und die Beigabe der Couse, einer ausgesprochenen
Trabanten waffe.
Die Gegenseite zeigt als Sternbild des Mai
die Zwillinge, nackt in reizend gezeichneter Land-
schaft sich umarmend. Daneben wieder einen
braunen Bären mit goldenem Maulkorb und eben-
solcher Leine, diesmal aber gröfser und besser
gemalt. Darunter kniet, den Rücken dem Leser
zugekehrt, ein Mann in Filzhut, blauem Kittel,
roten, goldgestreiften Beinlingen und Schnabel-
schuhen, der mit einer Stangenbüchse nach einer
Traube schiefst. Auf den ersten Blick könnte
Abb. A. April.
man meinen, er halte sich ein Blasrohr vor den
Mund; aber hinter dem Kopf setzt sich die Stange
bis zum Boden fort, wo der Schütze den Stiel
aufsetzt und zur Sicherheit noch festhält, ersicht-
lich, um dem Rückstofs beim Schufs zu begegnen.
Und die scheinbare Bläserstellung ist nichts an-
deres als die wohlbeobachtete Stellung des mit den
Augen der Linie des Rohres folgenden Zielenden,
Der Stangenschaft ist braun grundiert, soll also
Holz andeuten, das. Feuerrohr golden ausge-
malt, was wohl Bronze bedeutet. Das Rohr
beginnt dicht über der erhobenen linken Hand,
ist nur wenig dicker als der Schaft und endet in
eine anscheinend leicht verbreiterte Mündung, der
ein Feuerstrahl und eine etwas grofs geratene
goldene Kugel entfährt, wie ähnliche Goldkugeln,
diese aber mit kleinen Schnörkeln versehen, im
ganzen Manuskript die Lücken in den Zierborten
ausfüllen. Das Rohr hat im Original n, der Schaft
20 mm Länge, die ganze Waffe 31 mm, was im
Verhältnis zu der ca. 3V2 cm grofsen Menschen-
figur für die Originalwaffe die respektable Gesamt-
ROBERT FORRER, EIN KALENDER FÜR KÖNIG MATTHIAS CORVINUS
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weifsen Widder auf grüner Insel, in den Bordüren
zwei Vögel, aber keinerlei weitere Figuren.
Das Monatsbild des April ist besonders sorg-
fältig und reizvoll gemalt. Ein elegant und vor-
nehm gekleideter Edler mit Jagdtasche und
begleitet von drei Hunden steht in waldiger Land-
schaft und hält auf der rechten Hand seinen
Jagdfalken. Der gesellschaftliche' Unterschied
gegenüber dem Falkner der Februarseite ist er-
sichtlich; sollte hier nicht den König selbst dar-
zustellen versucht worden sein? In den Bordüren
picken ein paar kleine Vögel an Erdbeeren und
Trauben (Abb. A).
Die Gegenseite zeigt das Sternbild des Stiers
in burgenreicher Landschaft. Darüber bläst in
der Bordüre ein auf einem Kissen sitzendes nacktes
Knäblein eine Flöte, während unten ein Mann mit
langem Säbelschwert am Gürtel und langstieliger,
mit kurzer Klinge versehener Couse im Arm, in
hastiger Bewegung nach einer grofsen Traube
greift. Oben ein Pfau und unten eine Ente be-
leben weiterhin das Rankenwerk.
Der Monat Mai („Mayus“) zeigt in der Monats-
miniatur einen Edlen auf weifsem, reichgeschirr-
tem Pferd durch eine zierliche Landschaft reiten,
wie er, gefolgt von zwei Jagdhunden, die er an der
Leine hält, seinen Falken steigen läfst. Das Ge-
wand (weinrote Jacke, blaue Beinlinge, kostbarer
hoher faltiger, blaufarbener Hut mit ebensolcher
Halsbinde) ist genau wie das des vorangegange-
nen Edelmannes, in dem wir vorhin den König
selbst vermuteten; auch das ganz wie bei jenem
äufserst sorgfältig gemalte Gesicht ist dasselbe.
Darüber wiederholen sich in der Bordüre der
flötenblasende Putto der vorangegangen Seite,
der radschlagende Pfau und die blauköpfige Ente,
ebenso der Kriegsmann mit dem Krummschwert,
der auch hier nach einer grofsen Traube greift,
dem aber hier die Stangenwaffe mangelt. Die
Mütze unterscheidet sich von der seines Vorgän-
gers nach Form und Färbe (jene grau, diese rot),
das Kostüm ist im Schnitt mit jenem gleich, aber
die Farben sind anders verteilt (blaue Jacke, rote
Beinlinge dort, braune Jacke, blaue Beinlinge
hier). Beachtenswert sind hier wie dort die langen
Schnabelschuhe. Ersichtlich gehören die beiden
zur gleichen Truppengattung: es handelt sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um königliche Tra-
banten, wozu zweierlei stimmen möchte: das ge-
meinsame Auftreten mit dem königlichen Herrn
und die Beigabe der Couse, einer ausgesprochenen
Trabanten waffe.
Die Gegenseite zeigt als Sternbild des Mai
die Zwillinge, nackt in reizend gezeichneter Land-
schaft sich umarmend. Daneben wieder einen
braunen Bären mit goldenem Maulkorb und eben-
solcher Leine, diesmal aber gröfser und besser
gemalt. Darunter kniet, den Rücken dem Leser
zugekehrt, ein Mann in Filzhut, blauem Kittel,
roten, goldgestreiften Beinlingen und Schnabel-
schuhen, der mit einer Stangenbüchse nach einer
Traube schiefst. Auf den ersten Blick könnte
Abb. A. April.
man meinen, er halte sich ein Blasrohr vor den
Mund; aber hinter dem Kopf setzt sich die Stange
bis zum Boden fort, wo der Schütze den Stiel
aufsetzt und zur Sicherheit noch festhält, ersicht-
lich, um dem Rückstofs beim Schufs zu begegnen.
Und die scheinbare Bläserstellung ist nichts an-
deres als die wohlbeobachtete Stellung des mit den
Augen der Linie des Rohres folgenden Zielenden,
Der Stangenschaft ist braun grundiert, soll also
Holz andeuten, das. Feuerrohr golden ausge-
malt, was wohl Bronze bedeutet. Das Rohr
beginnt dicht über der erhobenen linken Hand,
ist nur wenig dicker als der Schaft und endet in
eine anscheinend leicht verbreiterte Mündung, der
ein Feuerstrahl und eine etwas grofs geratene
goldene Kugel entfährt, wie ähnliche Goldkugeln,
diese aber mit kleinen Schnörkeln versehen, im
ganzen Manuskript die Lücken in den Zierborten
ausfüllen. Das Rohr hat im Original n, der Schaft
20 mm Länge, die ganze Waffe 31 mm, was im
Verhältnis zu der ca. 3V2 cm grofsen Menschen-
figur für die Originalwaffe die respektable Gesamt-