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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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8. Heft
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Forrer, Robert: Ein Kalender für König Matthias Corvinus mit Darstellungen gotischer Büchsenschützen: Ein Beitrag zur Kenntnis der ältesten ungarischen Handfeuerwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0252

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232

ROBERT FORRER, EIN KALENDER FÜR KÖNIG MATTHIAS CORVINUS

VIII. BAND

— anscheinend . auf den Löwen im Sternbild als
Ziel — und wagerecht darüber hinwegsehend ab.
Der an den Hüften liegende Griff der Büchse
hat schwach i mm, mithin im Original 4—4V2 cm
Durchmesser und entspricht ungefähr einer
starken Stange, wie sie zu so schweren Rohren
pafst. Der Schütze fafst aber nicht nur diesen
Griff, er drückt gleichzeitig mit den unter-
greifenden vier Fingern auf eine gelbgemalte,
also bronzene Zündvorrichtung nach Art der
gotischen Armbrustdrücker, wie sie des öftern

nach Schwere und Kaliber den Übergang von
der Handbüchse zum schweren Geschütz. Damit
wird dann auch wieder die gegenüber den voran-
gegangenen Schützenbildern weit vornehmere,
ersichtlich ritterliche Gestalt dieses Feuerschützen
in einem gewissen Zusammenhang stehen. In den
beiden ersten werden wir Vertreter der regel-
rechten „Büchsenschützen“, in diesem und dem
nachfolgenden mehr „Büchsenmeister“ vor uns
haben; das soll wohl auch das ritterliche Lang-
schwert am Gürtel dieser beiden betonen14).
Der Monat August führt
uns in die Tenne eines dre-
sehenden Bauern (Abb. C).
In der Bordüre wiederholt
sich oben der radschlagende
Pfau, unten die goldene Li-
belle. Seitlich ist in gleicher
Stellung wie vorhin wieder
ein Büchsenschütze in ele-
ganter Kleidung sichtbar
(Abb. 8 c). Auch er trägt
vielgefälteltes Wams, lange
Schnabelschuhe und an der
Rechten ein langes Schwert,
dazu eine rote Mütze mit mo-
dischem Hahnenkamm. Das
Feuerrohr hält er ähnlich
seinem Kollegen, den Griff
in der Magengegend, den
Lauf in Achselhöhe. Griff
und Rohr sind silbergrau ge-
malt, also in Eisen gedacht.
Dieser Auffassung entspricht
auch die Dünne der Eisen-
stange. Es handelt sich also
um einen geschmiedeten Ei-
sengriff in der Art jenes der
Thierbachfestschrift, Fig. 4,

Abb. 10.


auf frühen Handfeuerrohren wiederkehren; ich
erinnere an die beiden Büchsenschützen des
Breslauer Froissard von 1468 Essenwein B. IV a
Fig. a. und b, an das Rohrbild des Erlanger
Codex 1390 von 1460—80 Abb. 3 von oben, so-
wie an die beiden Wiener Rohrbilder der Z.f. h.W.
Bd. 1, S. 226. Mit diesen hat unser Bild den lang-
gezogenen, nahe an das Ende des Stiels heran-
tretenden Drücker gemeinsam, dagegen ist der
die Lunte haltende Schnapphahn, soweit er bei
der kleinen Darstellung zu erkennen ist, kürzer
und niedriger am Rohr liegend (vgl. meine Ver-
gröfserung Abb. 10). Die Stelle des Zündloches
ist durch auf blitzendes .Feuer gekennzeichnet,
Mündungsfeuer dagegen ist nicht sichtbar, weil
dort das Rohrende in die schwarze Grundierung
des Kalendertextes übergreift. Das Rohr bildet

mit dem Unterschiede jedoch, dafs jenes Rohr
aus Tirol in einem ovalen Ringgriff endet, wäh-
rend das Rohr des Matthiaskalenders hinten
nur in einen kleinen Knopf, ähnlich dem Eisenrohr
Fig. 24 (Abb. 7a) des Strafsburger Waffenaus-
stellungskataloges ausläuft. Auf diesen Stiel ent-
fallen im Bild 12 mm, auf das Rohr ebenfalls
12 .mm, was im Vergleich zu der 3,4 cm hohen
Figur des Schützen auf ein Originalrohr von
60 cm Lauf- und 1,20 m Gesamtlänge schliefsen
läfst.. Das Rohr hat auffallend starken Durch-
messer, 2x/2 mm = 12V2 cm im Original, was einem
Kaliber von schätzungsweise 4 bis 5 cm entspräche,
doch wohl zu grofs für eine in der dargestell-

14) Die Büchsenmeister zählten zu den Berittenen, so
die von Basel und Bern. Vgl. Gefsler a. O. S. 12 und 26.
 
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