Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

DOI Heft:
8. Heft
DOI Artikel:
Forrer, Robert: Ein Kalender für König Matthias Corvinus mit Darstellungen gotischer Büchsenschützen: Ein Beitrag zur Kenntnis der ältesten ungarischen Handfeuerwaffen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0253

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8 HEFT

ROBERT FORRER, EIN KALENDER FÜR KÖNIG MATTHIAS CORVINUS

233

ten Weise gehandhabte Büchse. Aber wie der
Schütze mit dem einen Fufs auf einer goldenen
Pflanzenkapsel steht, mit dem anderen Bein auf
einer zweiten solchen kniet, so scheint eine dritte
solche hier, wie beim Schützen zuvor, dem Rohr
als stützende Unterlage statt eines Holzbockes
gedacht. Ob der Schnörkel dicht unterhalb der
Mündung einen Haken oder nur einen unter die
Büchse reichenden Zierschnörkel bedeuten soll, mufs
wie beim vorhergegangenen Bild dahingestellt
bleiben; ebenso ob der schwarze Punkt dort auf
der Oberseite des Rohres ein Visierkorn oder nur
einen Teil jenes Schnörkels darstellt. Immerhin
ist das gemeinsame Vorkommen beachtenswert.
Ein paar feine schwarze Linien deuten die der
Mündung entfahrenden Feuerstrahlen an, für eine
Kugel fehlt aber der Raum. Ein Zündloch ist
nicht sichtbar und ebensowenig eine Abzugvor-
richtung, obwohl dafür reichlich Platz vorhan-
den war; zudem hält der Schütze beide Hände
weit von jenen Pun-kten- ab. Nun ist aber gerade
diese und die vorangegangene Darstellung so
minutiös durchgeführt, sind, wie wir gesehen haben,
diese Schütze.ndarstellungen so vorzüglich beob-
achtet, gerade ihre Feuerwaffen so wohl pro-
portioniert und so genau wiedergegeben, dafs
man bei der schaff ausgesprochenen Handstellung
kaum annehmen kann, der Künstler habe hier die
Anbringung der Abzugsvorrichtung einfach über-
sehen. Die Lösung des Rätsels bietet der lange
Stab, den der Schütze mit der rechten Hand
gleichzeitig mit dem Griff des Feuerrohrs fest-
hält und von dessen oberem Ende eine geschlin-
gelte Schnur zur Mündung des Feuerrohres
führt;, ersichtlich ist es der Zündstock mit
Lunte, das Rohr selbst eine typische Klotz-
büchse.
Wir haben hier jene Gattung von Feuerwaffen,
die nicht hinten, sondern vorn an der Mündung
entzündet wurde und deren Entzündung ein durch
den Lauf von vorn nach hinten führender Zünd-
faden vermittelte, der bald seitlich neben dem
Geschofs zur Pulverladung,. bald durch ein in den
„Klotz“ gebohrtes Loch zu jener führte. „Klotz“
heifst in den Anfängen der Artillerie bald das
Geschofs aus Stein, Blei, Eisen, bald auch blofs
der Holzpfropfen, den man in jener Frühzeit
zwischen Pulverladung und Geschofs setzte. Dafs
auch bei den Klotzbüchsen unter „Klotz“ nicht
blofs jener Holzpfropfen, sondern auch die Metall-
geschosse „Klötze“ heifsen, bezeugt unter an-
derem das „Feuerwerksbuch“ von 1445 (Hoyer II
S. 1134 und 1135, Romocki 200, Sixl Z. f.h.W. Bd. 1
S. 140), das bei der Beschreibung einer solchen
Klotzbüchse sagt: „die Klötze mögen Eisen oder
Blei sein“. Die Form dieser Klötze wird im

Cod. 3069 der Wiener Hofbibliothek von 140115)
neben zwei Klotzbüchsenschützen in Gestalt von
zentral durchbohrten Rundstabsegmenten abge-
zeichnet, womit die Beschreibung im eben erwähn-
ten „Feuerwerksbuch“ von 1445 zusammengeht,
die besagt: „Durch jeden Klotz mufs ein Blech
durchgehen, dafs das Feuer von dem einen zu dem
anderen [Klotz] kommen kann. Die Löcher sollen
so grofs sein als eine Spindelspitze, dadurch wird
Pulver gelassen und eine Schwefelkerze [ein
Schwefelfaden] darin gesteckt. Zündet man es
an', so klappt einer nach dem anderen heraus.“


Zweck dieser Klotzbüchsen war ein Ge-
schwindschiefsen: das heifst, was man damals
sonst durch Neben- und Übereinanderlegen meh-
rerer Feuerrohre bezweckte, suchte man hier durch
Hintereinanderlegen der Ladung zu erreichen.
Gegenüber dem „Rohr.bündelgewehr“ hatte dieses
„Mehrladungsgewehr“ den Vorteil gröfserer
Leichtigkeit, leichterer und billigerer Herstellung,
einer raschen Aufeinanderfolge der Schüsse und
eines genauem Verharrens des Laufes in der einmal
gegebenen Zielrichtung. Aber die Nachteile waren
16) Vgl. Sixl, „Entwicklung und Gebrauch der Hand-
feuerwaffen“, Z. f. h. W. Bd. 1, S. 140. Sixl schreibt „tusent
vier hundert vnd ein liff jar“, ohne diesen Text in einer
Jahrzahl zu verdeutlichen. Heifst das 1401 (was bedeutet
denn das „liff“) oder 1411 (ist zu lesen „ein eiff jar“?). .
 
Annotationen