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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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8. Heft
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Forrer, Robert: Ein Kalender für König Matthias Corvinus mit Darstellungen gotischer Büchsenschützen: Ein Beitrag zur Kenntnis der ältesten ungarischen Handfeuerwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0257

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8. HEFT

ROBERT FORRER, EIN KALENDER FÜR KÖNIG MATTHIAS CORVINUS

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diese Büchse eine interessante Zwischenform und
Kombination von gewöhnlicher Büchse und Klotz-
büchse mit Vorderzündung dar; ich möchte sie
zum Unterschied von dieser wie jene „Klotzbüchse
mit Hinterzündung“ taufen.
Die gegenüberliegende zweite Augustseite
zeigt oben auf blau gesterntem Himmelshinter-
grund das Sternbild der Wage, in den Bordüren
allerlei Vögel und links neben der Kalender-
notiz „Eutropi epi“ klein • gezeichnet eine Bi-
schofsfigur oder besser scheinbar einen Bischof,
denn die Gestalt .trägt zwar Bischofsmantel,
Bischofsmütze und Bischofsstab, aber unter dem
Mantel ist nur ein dünnes weifses Hemd sichtbar
und der Träger dieser Dinge macht mit seinem
grau und haarig gemalten Gesicht und seinen
grauen Füfsen mehr den Eindruck eines grauen
Affen in der Art der oben beobachteten. Was der
Künstler damit sagen wollte, ist mir fremd. Unten
rechts sieht man zwei nach ihrer eleganten Klei-
dung deutlich als Edelleute erkennbare junge
Männer sich im Ringkampf üben; sehr ernst
scheint 'dieser aber nicht gemeint zu sein. Der
eine Jüngling erinnert in Tracht, Gesicht, Frisur
und Haarfarbe so lebhaft an den edlen Büchsen-
schützen Abb. 8c, dafs man an eine beabsichtigte
Wiederholung ein und desselben jungen Edel-
mannes denken möchte21).
Den Monat September symbolisiert ein Säe-
mann. In den Bordüren wiederholen sich oben
die Vogelfiguren, unten das Ringerpaar, bei
dem jetzt der rotblonde Knabe sich gegenüber
seinem Gegner etwas im Nachteil zu befinden
scheint.
Die Gegenseite des Septembertextes zeigt
das Sternbild der Jungfrau, in den Bordüren
Rotkehlchen und einen vornehmen Reiter auf
reich geschirrtem Pferd.
Der Oktober wird veranschaulicht durch
eine Weinkelterei, in der ein Bauer mit nackten
Füfsen Trauben stampft — seine Schuhe hat er
vorsorglich neben die Bütte gestellt—, während
ein zweiter Bauer eine neue Ladung heranbringt.
Die Bordüre enthält der vorhergegangenen ent-
sprechende Vögel und den eleganten jungen rot-
haarigen Reiter auf reich geschirrtem Pferd,
diesmal mit Reitgerte in der Hand, von dem oben
die Rede war. •
Die Gegenseite zeigt als Sternbild des Oktober
eipen Kentauren als Bogenschützen, hinten turm-
reiche Landschaft, in den Bordüren einen Hahn,
' 21) Die Ringergruppe wiederholt sich ähnlich hier, aber
zwischen zwei Kriegsknechten sich abspielend, in der Hand-
zeichnung des Tschachtlau von 1470 Bl. 456 abgebildet bei
Gefsler, „Entwicklung des Geschützwesens in der Schweiz“
Mitt. d. Züricher Antiquar. Ges., 1918. S. 69).

einen Pfau und einen Diener, der ein Kalb aus-
weidet.
Den November veranschaulicht ein Schläch-
ter, der eben mit wuchtigem Holzschlägel auf
ein Schwein einschlägt. In den Bordüren sieht
man wieder wie vorhin einen Hahn, einen Pfau,
nebenbei auch wieder einmal eine Rundschnecke
und den ein Kalb a'usweidenden Diener.
Die Gegenseite führt als Monatsbild den
Skorpion auf reichem Landschaftshintergrund
und zeigt in den Bordüren eine Rundschnecke,
Vögel, eine Speisen herbeitragende Dienerin und
unten, etwas verwischt, einen knienden Büchsen-
schützen, der sein Rohr auf einen dicht vor der

Abb. 12.


Mündung sitzenden^Zeisig richtet (Abb. 8g). Da
dem Rohr weder Kugel noch Feuer entfliehen,
ist es wohl noch nicht entzündet. Die Waffe hat
ungefähr Mannslänge und besteht aus einem
dünnen, goldgehöhten und daher wohl in Bronze
gedachten Feuerrohr nach Art desjenigen vom
Monat Mai Abb. 8 b, das nach unten in einen noch
dünneren und grauschwarz gemalten, also wohl
eisernen Stangenschaft endet. Der Schütze hat
diesen auf einen dicken, jedenfalls hölzernen,
sicher oben gegabelten Pflock gelegt (wohl dem
verwandt von Essenwein A XI b) und hält mit
der Linken Röhrschaft und Pflock fest. Das
Ende des Büchsenschaftes ist auf der Erde fest-
gestemmt. Mit der Rechten greift der Schütze
das Gewehr in der Höhe des Zündloches, jedoch
ist dort die Miniatur abgewetzt und daher weder
Hand noch Zündloch oder Abzugsvorrichtung zu
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