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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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9. Heft
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Gaerte, Wilhelm: Die Beinschutzwaffen der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0288

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268

WILHELM GAERTE, DIE BEINSCHUTZWAFFEN DER GRIECHEN

VIII. BAND

den männlichen Leichen der Schachtgräber von

oberhalb des Knies zu geben, sehe ich mich

Mykenae gefunden haben (Schliemann, Mykenae
S. 265, Fig. 338). Schon von Schliemann sind sie
als Gamaschenhalter angesprochen worden. Diese
Deutung hat nach ihm allgemein Anerkennung
gefunden. Ein Zweifel an ihrer Zugehörigkeit
zu Gamaschen, die bis zum Knie und darüber
hinausragen müfsten, ist zuerst von G. Roden-
waldt, Tiryns (1912) II. B., S. 113, Anm. 6 aus-
gesprochen worden; eine andere Erklärung gibt
Rodenwaldt jedoch nicht. Sehen wir uns die
Gebilde einmal genauer an. Schliemann be-
schreibt eines dieser Bänder folgendermafsen:
„Das Band besteht aus einem unteren horizon-

aufserstande.
‘ Aber auch wenn wir einen Irrtum Schlie-
manns annehmen11) und die Befestigungsstelle
unterhalb des Knies ansetzen, dann ist m. E.
die Charakterisierung jener Gegenstände als Ga-
maschenhalter noch keineswegs sichergestellt;
vielmehr glaube ich, dafs jene Gebilde, die stark
an unsere heutigen Strumpfbänder erinnern, einem
ähnlichen Zwecke wie diese gedient haben. Man
vergleiche z. B. den bis zur Hälfte des Unter-
schenkels reichenden Lederstiefel an einer Sta-
tuette aus Petsofa (Kreta), BSA IX, Taf. 9, die
dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend ange-


Abb. 2. Stuckmalerei aus Mykenae.
talen und einem oberen vertikalen; ersteres wurde
mit einem feinen Golddraht, letzteres mit einem
Ring befestigt, den wir an seinem unteren Ende
sehen und der an einem an kurze Hosen ge-
nähten Knopf gehakt sein mufs“. Nach dieser
Beschreibung umspannte der „Gamaschenhalter“
das Bein oberhalb des Knies. Schuchardt, Die
Ausgrabungen Schliemanns, 1. Aufl. (1890), S. 262
und nach ihm alle anderen haben entgegen dem
Fundbericht Schliemanns die Befestigung des
Bandes umgekehrt angenommen, nämlich so, dafs
der horizontale Teil um die Kniekehle griff, der
vertikale dagegen längs des Schienbeins nach
unten lief. Ich mufs gestehen, dafs eine derartige
Befestigung des Bandes viel einleuchtender er-
scheint. Aber die Fundtatsache, dafs sich eins
jener Bänder oberhalb des Knies befestigt vor-
gefunden hat, steht der Anbringsmethode 'Schu-
chardts entgegen. Eine zufriedenstellende Er-
klärung für die Befestigung der Bänder gerade

hört; mit derartigem Schuhwerk
können die mykenischen Bänder
sehr gut in Verbindung gebracht
werden. Da sie sonst auf den
kretisch-mykenischen Denkmälern
nicht nachweisbar sind, können
wir wohl schliefsen, dafs sie kein
unbedingt notwendiges Kleidungs-
stück waren; mehr als der prak-
tische Nutzen wird für den Ge-
brauch dieser Bänder wohl ein
gewisses Schmuckbedürfnis mafs-
gebend gewesen sein.
Einen sicheren Nachweis für
das Vorhandensein von Beinschutz-
waffen in mykenischer Zeit liefern
dagegen Malereien, die in ver-
schiedenen Teilen Griechenlands
zutage getreten sind. Hier sind
vor allem die Stuckfragmente
zu nennen, die dem Megaron
von Mykenae selber entstammen
1887, Taf. 10—12, Tsountas; ferner abge-
bildet AM. 1911, S. 211 ff., Rodenwaldt, vgl. unsere
Abb. 2). Erfreulicherweise sind auf verschiedenen
Bruchstücken dieser Wandmalereien, die uns einen
Einblick gewähren in das Kriegsleben damaliger
Zeit, gerade die unteren Partien der Krieger er-
halten. Während Füfse und Oberschenkel der hier
dargestellten Männer nackt sind, werden die Unter-
schenkel vollständig von Gamaschen umschlossen,
die in kleinem Abstand von den Knöcheln be-
ginnend, über das Knie hinaufreichen. Befestigt
sind sie unterhalb des Knies und an ihrem unteren
Ende durch drei bzw. vier Bänder. Diese Ga-
maschen sind wohl aus Leder gefertigt, da solch
hoher Knieschutz bei bronzenen Exemplaren erst
in viel späterer Zeit auftritt. Nach Rodenwaldt

n) Da die Tagebücher des griechischen Ausgrabungs-
kommissars Stamatakis nicht veröffentlicht sind, ist eine
Sicherheit nicht zu erzielen.
 
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