9. HEFT
WILHELM GAERTE, DIE BEINSCHUTZWAFFEN DER GRIECHEN
275
Auch Kypros kennt schon um diese Zeit
Beinschienen von fast klassischer Form, zu der
sich jene des Festlandes erst im Laufe des 6. Jahr-
hunderts auswuchsen. Eine von dort stammende
Bronzestatuette des Museums von Lyon, die den
Abb. 4. Euphorbos-Teller.
dreiköpfigen Geryoneus als Krieger darstellt,
führt uns das Waffenstück vor Augen (abg. Ga-
zette archöol. VI, 1880, S. 136, Taf. 22).
kleinasiatischen Ionien Verbreitung gefunden
habe; er bringt diesen Schild mit der dorischen
Wanderung in Verbindung und setzt ihn „gerade
bei den Dorern ursprünglich voraus“. Damit
würde dann notwendigerweise während der Herr-
schaft des Dipylönschildes der Gebrauch der
Beinschienen für die Argolis in Frage gestellt
sein. Lippolds Erwägungen über diese weite Ver-
breitung des Dipylonschildes sind jedoch nur
Vermutungen, für deren Beweis jegliches archäo-
logisches Material fehlt. Es kann dagegen mit
gröfserer Sicherheit angenommen werden, dafs
die beiden Schutzwaffen, Rundschild und Ga-
maschen, die wir am Ende der mykenischen Pe-
riode in der Argolis vorfanden., sich hier in un-
unterbrochener Entwicklung zu der Form, der
klassischen acrmg, des „argolischen“ Schildes und
den ehernen Beinschienen umgestaltet haben.
Archäologisches Material liegt allerdings, wie
bereits bemerkt, aus früharchaischer Zeit nicht
vor. Erst in spätarchaischer Periode sind die
Beinschienen bildlich nachweisbar. Sie treten uns
in der Argolis wie auch in dem übrigen Pelo-
ponnes in zwei Formen entgegen, die während
des 6. und 7. Jahrhunderts nebeneinander be-,
stehen. Die eine Art reicht nur bis zum Knie,
die andere weist dagegen den bereits an den
ionischen und cyprischen Exemplaren gefundenen
. Dem Euphorbosteller zeitlich sehr nahe steht
eine der melischen Vasen, die den Zweikampf
zwischen Achill und Memnon zur Anschauung
bringt (Conze, Melische Tongefäfse, Taf. III). Der
für die ionischen Beinschienen des Euphorbos-
•tellers so charakteristische Kniefortsatz fehlt hier.
Die obere ziemlich horizontal verlaufende Kurve
beweist, dafs der Unterschenkelschutz nur bis
unterhalb des Knies hinaufreichte. Hierzu pafst
nun gut die Gröfse des Schildes, welche die der
rhodisch-ionischen Schilde um ein beträchtliches
überragt und so auch den Schutz des Knies über-
nehmen kann. G. Karo, D. S. s. v. ocrea S. 146,
Anm. 2, schliefst aus der verschiedenen Farbe
der Beinschienen auf der melischen Vase auf
verschiedenartige Legierung der Bronze, jedoch
wohl kaum mit Recht. Der Wunsch des Malers,
zu variieren, dürfte eine genügende Erklärung
für die Verschiedenfarbigkeit abgeben.
Die Argolis haben wir am Ende der myke-
nischen Periode verlassen, nachdem wir den Ge-
brauch des Rundschildes und mit diesem den
ledernen Beinschutzhüllen dort bereits uin die
Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends
hatten feststellen können. Nun nimmt Lippold
an (a. a. O. S. 421), dafs der sogenannte Dipylon-
schild, wie in Attika und Boeotien, so einst auch
in dem übrigen Griechenland und sogar in dem
Knieschutz auf. Kurze, nur bis zur Kniekehle
hinaufreichende Beinschienen bieten folgende
Denkmäler:
1. Alabastron aus La Tolfa (Italien), heute in Karls-
ruhe (2590), abg. A. J. IV, 1889, Taf. 5. Die Vase stammt
sicherlich aus Korinth und nimmt beine Mittelstellung
zwischen den melischen und der ältesten korinthischen
Vasengattung“ ein (A. J. IV, 1889, S. 226, K. Schumacher).
Abb. 5. Chigikanne, Detail.
2. Sogenannte Chigikanne aus dem Anfang des 6. Jahr-
hunderts aus einem Kammergrab bei Veji, Antike Denkmäler
II, Taf. 44 = P. Ch. IX, S. 548, Fig. 273, unsere Abb. 5. Die
Knie sind hier deutlich als unbedeckt charakterisiert. In
dieser Darstellung liegt ferner ein neuer Beweis vor für
die gegenseitige Abhängigkeit der Gröfsenverhältnisse von
Schild und Beinschienenindem der Schild, wie auf dem
WILHELM GAERTE, DIE BEINSCHUTZWAFFEN DER GRIECHEN
275
Auch Kypros kennt schon um diese Zeit
Beinschienen von fast klassischer Form, zu der
sich jene des Festlandes erst im Laufe des 6. Jahr-
hunderts auswuchsen. Eine von dort stammende
Bronzestatuette des Museums von Lyon, die den
Abb. 4. Euphorbos-Teller.
dreiköpfigen Geryoneus als Krieger darstellt,
führt uns das Waffenstück vor Augen (abg. Ga-
zette archöol. VI, 1880, S. 136, Taf. 22).
kleinasiatischen Ionien Verbreitung gefunden
habe; er bringt diesen Schild mit der dorischen
Wanderung in Verbindung und setzt ihn „gerade
bei den Dorern ursprünglich voraus“. Damit
würde dann notwendigerweise während der Herr-
schaft des Dipylönschildes der Gebrauch der
Beinschienen für die Argolis in Frage gestellt
sein. Lippolds Erwägungen über diese weite Ver-
breitung des Dipylonschildes sind jedoch nur
Vermutungen, für deren Beweis jegliches archäo-
logisches Material fehlt. Es kann dagegen mit
gröfserer Sicherheit angenommen werden, dafs
die beiden Schutzwaffen, Rundschild und Ga-
maschen, die wir am Ende der mykenischen Pe-
riode in der Argolis vorfanden., sich hier in un-
unterbrochener Entwicklung zu der Form, der
klassischen acrmg, des „argolischen“ Schildes und
den ehernen Beinschienen umgestaltet haben.
Archäologisches Material liegt allerdings, wie
bereits bemerkt, aus früharchaischer Zeit nicht
vor. Erst in spätarchaischer Periode sind die
Beinschienen bildlich nachweisbar. Sie treten uns
in der Argolis wie auch in dem übrigen Pelo-
ponnes in zwei Formen entgegen, die während
des 6. und 7. Jahrhunderts nebeneinander be-,
stehen. Die eine Art reicht nur bis zum Knie,
die andere weist dagegen den bereits an den
ionischen und cyprischen Exemplaren gefundenen
. Dem Euphorbosteller zeitlich sehr nahe steht
eine der melischen Vasen, die den Zweikampf
zwischen Achill und Memnon zur Anschauung
bringt (Conze, Melische Tongefäfse, Taf. III). Der
für die ionischen Beinschienen des Euphorbos-
•tellers so charakteristische Kniefortsatz fehlt hier.
Die obere ziemlich horizontal verlaufende Kurve
beweist, dafs der Unterschenkelschutz nur bis
unterhalb des Knies hinaufreichte. Hierzu pafst
nun gut die Gröfse des Schildes, welche die der
rhodisch-ionischen Schilde um ein beträchtliches
überragt und so auch den Schutz des Knies über-
nehmen kann. G. Karo, D. S. s. v. ocrea S. 146,
Anm. 2, schliefst aus der verschiedenen Farbe
der Beinschienen auf der melischen Vase auf
verschiedenartige Legierung der Bronze, jedoch
wohl kaum mit Recht. Der Wunsch des Malers,
zu variieren, dürfte eine genügende Erklärung
für die Verschiedenfarbigkeit abgeben.
Die Argolis haben wir am Ende der myke-
nischen Periode verlassen, nachdem wir den Ge-
brauch des Rundschildes und mit diesem den
ledernen Beinschutzhüllen dort bereits uin die
Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends
hatten feststellen können. Nun nimmt Lippold
an (a. a. O. S. 421), dafs der sogenannte Dipylon-
schild, wie in Attika und Boeotien, so einst auch
in dem übrigen Griechenland und sogar in dem
Knieschutz auf. Kurze, nur bis zur Kniekehle
hinaufreichende Beinschienen bieten folgende
Denkmäler:
1. Alabastron aus La Tolfa (Italien), heute in Karls-
ruhe (2590), abg. A. J. IV, 1889, Taf. 5. Die Vase stammt
sicherlich aus Korinth und nimmt beine Mittelstellung
zwischen den melischen und der ältesten korinthischen
Vasengattung“ ein (A. J. IV, 1889, S. 226, K. Schumacher).
Abb. 5. Chigikanne, Detail.
2. Sogenannte Chigikanne aus dem Anfang des 6. Jahr-
hunderts aus einem Kammergrab bei Veji, Antike Denkmäler
II, Taf. 44 = P. Ch. IX, S. 548, Fig. 273, unsere Abb. 5. Die
Knie sind hier deutlich als unbedeckt charakterisiert. In
dieser Darstellung liegt ferner ein neuer Beweis vor für
die gegenseitige Abhängigkeit der Gröfsenverhältnisse von
Schild und Beinschienenindem der Schild, wie auf dem