Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

DOI Heft:
12. Heft
DOI Artikel:
Gessler, Eduard Achilles: Eine Armbrust aus der Westschweiz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0411

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12. HEFT

E. A. GESSLER, EINE ARMBRUST AUS DER WESTSCHWEIZ

391

Der Meister konnte leider bis jetzt nicht aus-
findig gemacht werden; es mufs ein Armbruster
von hohem Können gewesen sein, der dieses treff-
liche Stück herstellte.
Die „englische“ Winde dazu weist noch das
originale Schnurwerk auf; sie setzt sich aus zwei
Teilen zusammen, Das obere Radgehäuse mit
zwei Rädern besitzt oben zwei Spannhaken, unten
ist die Schnur angebracht. Das untere Radgehäuse
besteht aus einer Hülse, welche über den Kolben
gestülpt wird, beidseitig an dieser Hülse sind die
Räder angebracht. Die obere und die untere
Hälfte sind mit dem über die Räder laufenden
Schnurwerk aus Hanfschnüren verbunden; mit
Hilfe einer am unteren Radgehäuse angebrachten
Welle und einer doppelten Kurbel mit hölzernen
Handgriffen läfst sich die Armbrust spannen, so-
wie die Spannhaken in die Sehne greifen und die
Hülse am Kolbenende festsitzt.
Die Räder an den Radgehäusen sind durch
kreuzförmige Eisenbänder festgehalten und ge-
schützt, die Hülse unten ist mit einem langen
rechteckigen und drei runden Ausschnitten als
Zier versehen; die Stangen der Kurbel weisen
einen Querschnitt eines übereckgestellten Vier-
ecks auf und sind gegen den Griff zu schrauben-
förmig-kantig gewunden. Die Holzgriffe sind
zweiteilig gedreht. An der Hülse dient noch ein
Haken zum Anhängen der Winde am Gurt.
Die Gesamtlänge der Armbrust beträgt 104 cm,
die der Säule 93 cm, die Bogenlänge 77 cm und
das Gewicht 6 kg 770 g. Ähnlich konstruierte
Armbrüste finden sich noch mehrfach. Mit diesem
Stück kamen noch drei andere in den Handel,
die nur in den Verzierungen abweichen. Die
Stücke sollen aus einem westschweizerischen Zeug-
haus herrühren, sie waren aber wohl schon seit
langer Zeit in Privatbesitz gelangt. In der Schweiz
war die Armbrust mit englischer Winde nicht
üblich. Unser Stück dürfte der ganzen Bauart und
den Verzierungen nach aus Oberitalien stammen,
entweder mailändischen oder brescianischen Ur-

sprungs sein, vielleicht über Savoyen in die West-
schweiz gelangt. Eine ganz ähnliche, aber durch
ihre reiche Ausschmückung weit bedeutendere
Waffe ist die Jagdarmbrust König Ludwigs XI.
mit den Wappen von Frankreich und Mailand,
die um 1490 zu setzen ist. (S. W. Boeheim, Hand-
buch der Waffenkunde, Leipzig 1890, S. 404,
Fig. 482/83.) Sozusagen identisch mit dem be-
schriebenen Stück ist eine französische Armbrust im
Museum des Schlosses Pierrefoiids. (S. M. Viollet-
Le-Duc, Dictionnaire du Mobilier Francais, T. V.
Part. 8, Armes de guerre, P. zöff., Fig. 3, 4, 5.)
Der Zeit nach gehören diese Stücke in die zweite
Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ähnliche treffen wir
in verschiedenen ausländischen Sammlungen1). Sie
sind meist französischen oder italienischen Ur-
sprungs. Die Eidgenossen scheinen die Flaschen-
zugwindenarmbrust im allgemeinen nicht geführt
zu haben; in den schweizerischen Bilderchroniken
wird die Armbrust mittelst des Spannhakens oder
mit der Zahnstangenwinde gespannt“). Das be-
schriebene Stück gehört in das Ende des 15. Jahr-
hunderts. Es wäre eine nicht kurz von der Hand
zu weisende Vermutung, dafs sie burgundischen
Ursprungs sei und vielleicht als Beutestück aus
den Burgunderkriegen in der Westschweiz ver-
blieben wäre.
9 (S. A. Penguilly L’Aridon, Album du cabinet des
armes, Chateau de Pierrefonds, P. 48, Fig. 398.) Kunst-
und Waffensammlung Fr. R. von Berthold, Köln 1898,
Nr. 439. Waffen- und Kunstsammlung K. Gimbel, Berlin
1904, Nr. 892, 893. A. Demmin, Die Kriegswaffen, Leipzig
1893, S. 502. Die Waffensammlung Chr. Hammer-Stockholm,
Köln 1892, Nr. 943, 944. Collection d’antiquites au Chateau
de Heeswijk, Amsterdam 1899, Nr. 1051, 1053, 1055. R.Forrer,
Die Waffensammlung R. Zschille, Berlin, Nr. 1009, 1012.
Bashford Dean, The Collection of arms and armor of Ruther-
furd Stuyvesant, 1914, Nr. 147, PI. XL. Guide, Tower of
London, London 1910, P. 161, PI. 19, XI, 5.
3) Vgl. Jahresbericht des Historischen Museums in Bern,
1915, 1916. Dr.R.Wegeli, Die Bedeutung der schweizerischen
Bilderchroniken für die historische Waflenkunde. I Tschacht-
lan 1470, S. 94. II. Die zwei ersten Bände der amtlichen
Berner Chronik von Diebold Schilling, 1474—1478, S. 110/12-
 
Annotationen