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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Börger, Hans: Ein Ausflug nach Knossos
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0482

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KNOSSOS, WESTPROPYLON UND KORRIDOR VOM WESTHOF GESEHEN

EIN AUSFLUG NACH KNOSSOS

VON

HANS BÖRGER

Deruhigt über mein Schicksal, speise ich in irgend-
einem Estiatorion zu Mittag und suche darauf
nach einem Gefährt, um noch an diesem Nach-
mittag dem Palast von Knossos meine Aufwartung
zu machen. Trotz dem Trubel des Wahltages*,
der alles, was Räder hat, in lohnende Bewegung
setzt, finde ich endlich, wenn auch zu stark über-
höhtem Preise, ein Auto und schwinge mich be-
friedigt hinein. Aus dem Südtor von Heraklion
geht es auf gutgehaltener Straße in eine weite,
fruchtbare Landschaft hinaus, und nach einer
knappen halben Stunde schon sind, wir bei dem
Häuschen des Phylax der Ausgrabungen von
Knossos angelangt. Wie es so zu gehen pflegt,
trage ich, den Tatsachen weit vorauseilend, ein

* Wahl des inzwischen gestürzten Diktators Pangalos zum
Präsidenten der hellenischen Republik.

Anmerkung der Redaktion: Das Kapitel eines Buches
„Fahrten in der Ägäis", das in diesen Tagen im Verlag Jo-
hann Trautmann G.m.b.H., Hamburg, erscheint.

Phantasiebild der Lage des Palastes fix und fertig
im Kopfe, und ich bin einigermaßen erstaunt, sie
viel unbedeutender zu finden als ich mir vorgestellt
hatte. Nur ein flacher Hügel ist es, von einem
Bache — dem antiken Käratos — durch eine kleine
Schlucht getrennt, auf dem Sir Arthur Evans im
Jahre 1900 mit märchenhaftem Erfolge seinen Spaten
ansetzte. Dieser Palasthügel wird rings von etwas
höheren Kuppen gerahmt, zu denen weiter im
Süden die charakteristische Silhouette des einsam
ragenden Juktasberges tritt. Im ganzen eine mehr
idyllische als repräsentative Lage, die in ihrer leichten
Zugänglichkeit bedeutsame Rückschlüsse auf die
kretischen Zustände der ersten Hälfte des zweiten
vorchristlichen Jahrtausends erlaubt: die damaligen
Herrscher müssen sich so sicher in ihrem Macht-
bereich gefühlt haben, daß die Möglichkeit eines
bewaffneten Überfalls nicht in Rechnung gestellt
wurde.

Den Grundriß dieses Riesenpalastes aus der

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