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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 9 (Juniheft)
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Vom Heute fürs Morgen
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0219

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chor" erwählen zusammenhängt. Ursprüng-
lich ist „bachur" also eher ein Ehren- als
ein Schimpsnams. Zm Jiddischen bedeutel
„bocher" etwas ganz anderes, als Achelis
denkk. Es hak absolut keinen „fanatischen
Mzent", mit dem der hochsiehende Aude von
dem armen und herabgekommenen Volks-
genossen sprechen würde. Meisi isi der
Bocher des „Jeschiwebocher", der zwar meist
arme, aber doch hochangesehene und als
Eidam begehrte Student der Talmudhoch-
schule. Ein hebräisches Wort „bokar" gibt

es nichk, „bocher" kann daher also nichk
kommen. Ich halte es auch sür ganz aus-
geschlossen, daß „bocher" und „fakir" sprach-
lich zusammenhängen, denn nie wird aus
einem semitischen b ein s.

Aus dem Gesagten geht schon zwingend
hcroor, daß cs keinen Sinn hat, „boche"
von „bocher" abzuleiten. DaS war sesizu-
siellen, wenn nun auch die Welt um eine
„welthisiorische Kuriosität" ärmer isi.

W. Mecklenburg

Bücherschau

in merkwürdiges und rührendes Buch er-
schien bei Piper in München: Anselm
Feuerb ach, AuS Skizzenbüchern der Au-
gend (herausg. von K. Gersienberg,- zg Tafeln,
äo S. Tept). An vorzüglicher, anscheinend
höchstgenau originaltreuer Wiedergabe bietet
sich eine größere Anzahl von Werklein des
großen Künstlers aus seiner Kindheit — vom
zehnten Lebensjahr ab ^— und aus seiner
^svgend. An mehrsacher Hinsicht isi dies ses-
selnd. Am aufsälligsten: Feuerbach isi nicht
von Iugend aus der Schwärmer für Klassi-
zismus, den Viele in ihm erblicken wollen.
Er hat sich auf den Feldern der nakürlichsien
Abbildkunsi, des Romantizismus, hat sich bei
Cornelius und Schwind getummelt und ersi
langsam und spät sich dem Klassizismus zu-
gewandk. DieS zu beobachten, bedcutct eincn
ticscn Einblick in eine psychologisch sehr merk-
würdigc Entwicklung. Daneben isi übrigens
unvcrkennbar, daß manches diescr unreisen
Blätter doch an Temperament und Wucht
den werdenden Charakter eines siarkcn Künst-
lers andeutek.

Untor den Jris-Kunstbüchcrn (Meister der
Plastik; Jris-Derlag, Fr. a. M.) ist ein Band
AndreaS Schlüter von Ernst Benhard
crschienen (72 Abb. 2Z S.). Er gibt wenig
über Schlütcr, obwohl seine starke, für unsere
Rcichshauptsiadt so bedcutsame Kunst un-
zweiselhaft große Antcilnahme verdient. DaS
Buch enthält cinen sehr sromdwortreichen,
aber doch inhaltlich -— so in bivgraphischer
wic in ästhckischer Hinsicht — lehrrcichen Auf-
satz; die Bildcr crlauben cingehendc Bcschäfti-
gung mik Schl. und cinigcn soiner Dorbilder
und Zeitgcnossen.

Ein sehr bekanntes Buch crschien in zweiter
Auslagc: I u l. M eier-Gräses „Bin-
cent" (Pipcr, München). DieseS Buch isi

einmal in zwei großen Bänden erschienen.
Jetzt licgt es als Taschenbuch vor. Es ist
bekanntlich eine Biographie van Gogh s,
die sich aus die bekannten Briefe des großen
Malers und Religiösen siützt. Eine wirkliche
Ergriffenheit ohne durchdringende Kritik
paark sich darin mit geschmackvoller Schreibe,
so daß es zu den wenigen ganz durchgearbei-
teten Künsiler-Büchern der Zeit gehört.

Ein eigenartiges und schönes Lebensbild ihres
versiorbenen Gatten M a p Weber hat
Marianne Weber geschrieben (Mohr, Tübin-
gen 1926; 712 S. 11 Taseln, 2 Faksimiles,
geb. M. 27.60). Diele Menschen, so rasch auch
diese Zeit lebt, werden begierig nach diesem
Buch greisen, denn das rätselumwikkerte Ge-
nie dieses vor sicben Aahren gesiorbenen
Mannes, aus dem trotz tiefsier SkepsiS un-
aufhörlich die weiße Flamme großer Gesin-
nung schvß, hat Viele im tiefsien Herzen bc-
wegt. Er war ein großer Gelehrter, ein
großer Politiker auch — obwohl ihm eine
äußerlich cinflußreiche Führersiellung versagt
blieb —, und in beiden Eigenschaften hat er
nachhaltig gewirkt. Wohl größer noch war
er als Mcnsch; daS konnte selbsi dem nicht
entgehen, der ihn nur wenige Tage sah. Ein
Buch seiner Gattin über ihn verspricht nun
von vornherein Aufschluß übcr seine Herkunft,
seinen Lebensweg, über die Ouellen seines ma-
gierhaft-gewaltigen WesenS. Und dieses brcit
ongelegte Werk hält, was es dem Außcn-
siehenden oerspricht! Von der Familienzeit
und Ougcnd über die Aufstiegepoche und die
ersicn Lehrerfolge hinweg sieht man den be-
deutenden Mann sich prächtlg enrfalken, bls
ein unfaßliches Geschick ihn auf viele Jahre
niederwirft. Don da an hat sein Lcben und
Werk etwaS Fragmentarisches. Ungeheures
nimmt er auf sich und vollendet es nicht. An

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