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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 7 (Aprilheft)
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Schumann, Wolfgang: Zusammenschluß!
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Heuss, Theodor: Die großdeutsche Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0028

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Qsterreicher die achtllngvoilsre Freuds empsinöen rmd ihn näher und näher kennen
und endlich zum ersren Mal wahrhaft verstehen zu lernen froh gewillt sind,
auch allerbescheidenst dem Osterreicher den Gedanken nahelegen, sich einmal ver-
stehend mit unseren Sondergehalten zu besassen, aus die wir stolz sind. Wir
dürfen es, und, ohne salsche Scham, wir müssen es! Denn nur solche Hosfnung
auf Werden wird endlich den teilweise sogar unbewußten Widerstand brechen. Nur
solche hofsende Gesinnung, die Geistig-Seelisches meint und zuvörderst ehrt, ist dem
Zeitlichen einigermaßen entrückt und verspricht Dauer und Nachhaltigkeit.

Die Zusammenschluß-Aktion ist nicht erschöpst. Wir sind nicht überreif zum Zu-
sammenschluß, wie die Llbereifrigen vermeinen. Die Aktion beginnt! Wir wer-
den Zeit haben, und eS ist gut so. Es gilt Arbeit, um der Vereinigung würdig
zu werden. Befreiungarbeit aus Phrase und Gewäsch heraus. Selbststärkung
und offenes, liebendes Hinblicken auf daS verheißende verhießene Fremde. Mnt
zur Entäußerung, welcher einst Einkehr und reiche Ernte folgen sollen. Jn diesem
Zeichen laßt unS endlich die Vereinigung mit dem geliebten Bolk des östlichen
Reichs erstreben — in diesem allein werden wir siegen! Sch

Die großdeutsche Frage

s ist das Schicksal der deutschen Geschichte, daß die Gestaltung lhres staatlichen
I O ^^lnens je und je europäisches Schicksal war, gleichviel, ob man auf Epochen

blicke,indenen deutscheMacht ausgreifend über den Siedlungsboden des Volkstums
hinausschreitet, oder jene immer wieder schmerzliche Kurve verfolge, die europäisches
Machtringen auf unser Land als den locus minoris resistentiae heranzieht. Die
querelles allemandes, die deutschen Händel und Streite, Kriege und Jntrigen sind nie
bloß deutsche Angelegenheit gewesen, sondern immer, auch wenn das Wort verächtllcher
Ungeduld sie auf die Seite schieben will, europäische Sorgen oder Absichten. Man
mag die Gründe in der Geographie oder in der Volksseele suchen und finden.

Die Erkenntnis dieser Tatsachen ist dem deutschen Bewußtsein vertraut für die alten
Jahrhunderte, auf die dann anklagende Trauer gehäuft wird. Das 19. schien indes
die Dersäumnisse der Vergangenheit nachholen zu sollen — war anderwärts die
Staatspolitik die Schöpferin einer Nation geworden, so wollte hier die Nation
werden, um den Staat zu bestimmen. Aber der Versuch mißlang: er brach zusammen
vor der spröden Härte und „Staatsräson" der historischen Staatsgebilde. Daß im
„Deutschen Bunde" drei nicht-deutsche Souveräne Mitglieder, daß aber auch die beiden
Großstaaten, Preußen und Dsterreich, weit über die Grenzen des Bundesgebietes
hinausragten, charakterisiert den Stand des ProblemS. Es liegt nun aber nicht so,
daß es bloß der Kühnheit und Staatskunst Bismarcks bedurft hätte, um den Völkern
ringsum ängstliche oder syrnpathische Zurückhaltung aufzuzwingen und einzureden,
als er den hohenzollerisch-habsburgischen Kampf um die Borherrschaft vorbereiteke
und durchführte. Jene großpreußische Polikik, die in den hegemonialen Föderalismus
der bismarckischen Verfassung einmündete, war von Anbeginn mit Seitendeckung,
Dertrag, Bündnis, Zusage ins Europäische eingebettet. Die Reichsgründung schuf
nicht etwa bloß durch Bismarcks Geschick eine Tatsache, mit der sich Europa un-
willig oder zufrieden abfinden mußte, sondern sie war daS Ergebnis einer sehr um-
ständlichen, undurchsichtigen und verschlagenen Diplomatie, die Rußland und Frank-
reich, Jtalien und England als aktive wie passive Mächte kannte, bewertete, benutzte.
Diese Politik war dann mit Kaiserproklamation und Ratifikation der Verfassung nicht
abgeschlossen, sondern ging weiter — erst in den letzten Jahren haben wir alle Be-
wegungen der Bismarckschen SicherungSpolitik zu erkennen gelernt. Und dies zeigt
sich: daß er nicht bestimmt war von dem Gefühl einer statischen Beruhigung des

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