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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Werner, Reinhold: Zum künftigen Reichsbühnengesetz
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Noah in der Wüste
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0404

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Man setze eitten anßersten Fall, der immerhin im Bereich der Adöglichkeit liegt:
Ein Künstler, der nicht als „Berusskünstler" in den Listen steht, mird von einer
neuen Jdee, Theatralisches darzustellen, getrieben. Er ist überzeugt, daß in llber-
einkunst erstarrte „Berusskünstler" seine Bision nicht verwirklichen helfen können,
und bildet sich „Dilettanten" heran.

Um spielen zu können, ganz seiner Sache hingegeben und ohne durch einen ande-
ren Beruf eingeschränkt zu sein, sucht er um eiue Konzession nach.

Die Behörde sragt die wirtschaftlichen Konkurrenzen. Sie lehnen selbstverständlich
ab, weil dieser Mann keine künstlerische Berussvergangenheit nachtveisen kann. Er
gehört nicht zum Klüngel. Sie sragt die Kulturvereine. Diesen gesällt die neue
Richtung nicht. Bums! Der Mann ist erledigt! Ein Genie kann öurch ein der-
artiges System von Fehlurteilen an dem Grundrecht: sich nach seiner Art zu äußern,
aus immer verhindert werden.

Jch lehne daher jede Einmischung der Behörden in die theatralische Pflege der
Kunst ab und halte die vorgeschlagenen Mittel, wirtschastlichen Gewerbeschutz mit
geistigen Kulturansprüchen zu maskieren, sür salsch.

Wenn überhaupt eine Einmischung des Staates in das Leben der darstellenden
Kunst nötig erscheint, so beschränke sie sich lediglich aus den Schutz der Arbeit-
nehmcr, wie er in allen anderen Berufen besteht.

Grundsählich aber muß das Recht, das Bolk zum Richter über künstlerisches
Wollen und Wirken zu machen, jedem zustehen.

Die Nation, die Zcnsur am schöpferischen Geist übcn muß, beweist Schwäche, Träg-
heit und Dergreisung. Reinhold Werner

Noah in der Wüsie

Ein Dialog von Berthold Vicrtel

(Ein Mann, namens Noah, tritt im Gebirge aus. Er ist fünszig Jahre alt,
dunkelbärtig und reichgekleidet.

Der Mann:

Kein Zweisel, ich habe niich verirrt. Meine Karawane ist aus Schlangenwegen ent-
schwunden. Mein Rufen kommt zu mir zurück. Die Soune steht gerade über mir,
in der Mitte der Welt, und nach allen Seiten hi'n ist eS gleich weit. Kein Jmbiß
zu Mittag, und ich sürchte, noch der Abend, noch die Nacht werden mich in dieseni
Gebirge sinden. Jch will mich aus diesen Stein setzen, denn ich bin niüde und
des ziellosen Wanderns überdrüssig. Auch kann mich jeder Schritt nur noch mehr
in die Jrre sühren, und ich werde ihn vielleicht zehnfach zurück machen mussen.

(Er sitzt.)

Die Menschen werden an ihren Fehlern gestrast. Alö sich heute morgen mei'n alter
Esel daraus versteifte, zu Hause zu bleiben, warum vorsteiste ich mich darauf, ihn
milzunehmen? Warum schalt ich ihn einen Esel, da ich mich doch viel sinnloser betrug
als er? Gut, er wollte sich nicht satteln lassen, und ich muß aufrichtig zugeben, Haß
in diesem Augcnblick auch mir ein Sattel schlecht auf seiuen Nücken zu passeu schien.
Hcftiger als er gegen den Zwang sträubte ich mich, daß er seinen Willen behielt.
So verschasste ich mir denn meinen Triumph, nämlich, daß der alte Esel einen un-
passenden Sattel trug — obwohl ich ihn seit Jahren kenne, besser alü mich selbst;
obwohl ich weiß, daß er Prügcl nicht bei sich zu behalten vcrmag und daß er
sie mir noch jedesmal, aus seine Weise sreilich, zurückerstattet hat. Jn der Gemeinde
bin ich der begüterte und angesehene Noah, aber meinem alten Esel gegenübcr bin
ich nur ein Esel, so ist eS nun einmal. — Und alö jeht, vor zwei Stimden, der Escl

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