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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 11 (Augustheft)
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Aussprüche von Egidy
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Stadelmann, Rudolf: Die Kunst der neuen Sachlichkeit: Malerei und Drama
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0331

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Gefahr sprechen könncn. Die Lust an der Gefahr in uns zu erwccken und zu erhalten,
ist eines der wichtigften Erziehungsmomente, weil sie di'e Seele ftärkt, nnd weil
sic uns Gelegenheit zu ernftcr Selbftprüsung gibt. TLie wir uns in der Gefahr bc-?
nommcn, wie wir uns in peinlichen, das Leben bedrohenden Momenten gezcigt, wie
wir uns gegen unscrc Genossen der Gesahr verhielten, wie wir uns bewährt
habe n in solchen Augenblicken — das sind Fragen, deren Beantwortnng uns 2lus-
kunst gibt über den wahrcn Wcrt unscreS Jnneren.

Wie die Völker zu allen Zeiten „den Göttern" oder „dem Gotte" dankbar huldigten,
der, wie sie meinten, „ihre Schlachten fchlug", so wird auch das Volk der Kunft,
die ihni diente, Altäre bauen. Nicht Mtäre, aus denen man nach Prieftervorfchrist
opsert, oder an dencn man nach zünftlerisch-srmodalcm Reglement Gebete verrichtet
— der Altar der Zukunft, aus dem die Leuchte einer vollkommeneren Gerechtigkcit
crftrahlen soll, wird ausgerichtet wcrden mitten aus dem Markt des Lebens — im
Gerichtssaal und in dcn Mafchinenhallen, in der Volksvertretung, ja selbft in den
Gesängnissen. So wird auch der Altar, auf dem wir gemeinsam dcr Kunft huldigen,
hineingeftellt wcrden müsscn mitten in den Markt des Lebens — aus Straßen und
Plähc, in dis Prunkhallen, die der großcn Nepräsentation dienen, und in die beschei-
dcnen Räume des täglichen Verkehrs. Aber wie der einzelne dem Gottc der Zukunst
neben dem öfscntlichen, gemeinsamen Altar einen in seinem eigenen Herzen errichten
wird, an dem nur er Hohcpriefter, so werden wir das Heiligtum der Kunft auch
in nnser häuölichcS Lebcn verpflanzen; wir wcrden der Kunft leben! Indem wir
der Kunft lcben, gehört sie uns, gehört sie dem Volke.

Die Kunsi der neueu Gachliehkeir

Ilcalerci und Drama

^—>^ic inncrc Gemcinsamkeit verfchiedcner Kunftgattungen, die von dersclben Genc-
^ kration gefchasfcn werdcn, ift eineS der aufregendftcn Rätscl dcr Gefchichtc.

Meift gefchieht sie unbewußt und ohne äußcre Berührung, hcrvorgcruscn durch
das irrationalc Momcnt cincS Zeitgciftes, dessen Ursprünge ungreifbar im Dunkcl
bleiben. So hat der ErprcssionismuS Dichtung und Musik, Amcnarchitcktur und
Regickunft, Tanz und Bildkunft umsaßt. Heute bricht der oft krampshaste Einhcits-
rhythmus dieser künftlcrifchcn Wclt lantlos auseinandcr nnd man glanbt zn spüren, wic
die visionäre Erhabcnhcit sich selbft übcrfchlagen hat. Aber fchon regt sich eine nene
Gemeinsamkeit, und wieder hat man versucht, aus der Malcrei die Formel sür dcn
jungcn „Stil" zu gewinnen. Die „Künft der neuen Sachlichkcit" mit ihrem eindring-
lichen, ganz objektiv bleibenden Linearismus und ihrer ganz irdifchen Diesscitigkcit ift
cine gesamtcuropäifche Vcivegung und in so leidenfchafrlichen Vcrkörpcrungcn wie
etwa Otto Dix kcineswegs nnr das Trümmcrseld des ErprcssioniSmuS, so viel sie
ihm auch verdanken mag.

Es tras sich merkwürdig, daß hier in München zu gleicher Zeit, da in dcr Nencn
Sezession eim'ge (wcnigc) Bildcr der neucn Malweise zu sehen waren, im Staats-
thcatcr ein Dramatikcr zn Wort kam, der zu dcn Jüngften gehört und auf dcn man
zn horchen beginnt: Bernhard Blumc mit seinem „Bonaparte". Man mußte ver-
glei'chen, nnd wie dic Künfte sich wcchsclseitig erhellen, liegt plötzlich sür Augenblicke
wie im Röntgcnbild der Glicdcrbau zutage, der sie trägt. Man spürt hier wie dort
diesclben Kräftc wirksam und sieht die Wurzcln in ciner Kulturkrise, welchc scit

' D>;l. Frauz Reh, „Nlntil'xpresfieiiisiiiiis".

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