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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 7 (Aprilheft)
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J. B.: Die Siebenbürger Sachsen
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Glewoldt, Heinrich: Südtirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0039

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zeitigen chauvinistischen ungartschen Minister Banssy gegebenen Rezepte ersolgen,
der da sagte: „Uni die Sachsen zu entnationalisieren, muß man sie erst korrum-
pieren." Hossen tvir, daß das sächsische Volk trotz aller naheliegenden Verlockun-
gen und Verführungen sich nicht korrumpieren läßt, dann braucht uns um seine
völkische Zukunft nicht bange zu sein. I. B.

Güdtirol

^^ie politisch-reale Seite des Problems ist eindeutig ossenbar: das ur-, kern-
^ I und stockdeutsche Land tourde im Frieden von Saint Germain Jtalien zuge-
sprochen und tvird nun vom FasziSmuS ztoangStoeise entdeutscht und verwelscht.
Die Methoden dieser Ztvangsverwelschung, vom schüchternen Anfangsversuch bis
heraus zu dem Hagel von Tyrannenschlägen, der nun auf daS Land niederprasselt,
sind bekannt; sie stehen heut in jedem Blatt der Welt zu lesen.

Verdammende Kritik an ihnen zu üben: eine selbstverständliche und eine leichte
Sache; jeder Mensch — nicht nur etwa jeder Deutsche! — sühlt sich in der ein-
sachen Würde seiner Geschöpsnatur vergewaltigt von diesem Kannibalismus!

DaS Mitgefühl schwingen und tönen lassen? Noch selbstverständlicher und noch
leichter! Wer nur einen einzigen Tag lang die ratlose Verzweislung dieser Opser
gesehen hat, brennt nicht nur von Scham darüber, daß heute, 1926, nütten im
eiteln Europa und in der nächsten Nähe von Gens, solche Barbarei noch möglich
ist, sondern auch von der Glut des Mit-Leidens!

Dennoch kommt man mit der Betrachtung nur der gegenwärtigen Tatsächlichkeit
der Lage nicht weiter als bis zu der Feststellung, daß die faszistische Praktik in
Südtirol überall in der Welt, wo das Wort „Mensch" noch aus seinen Sinn hin
verstanden wird, als Kulturschande gilt; und daß der allgemeine Schrei um Hilse
sür die Gesoltertcn an der chaotischen Sinn- und Sittenlosigkeik europäischer Politik
zerschellt; an den hunderttausend Faszismen, die auch außerhalb Jtaliens, wenn
auch unter frommeren Namen, herrschcn; der polikische Teusel erschlägt den mensch-
lichen Engel. NichtS Neues!

Größcre Freiheit gegenüber dem Problem wird möglich, wenn man cs von der geistigcn
Seite her prüst; das Allzugcgenwärtige verschwindet dann, und weil jede Betrach-
tung vom Geiste her den Zustand als Glied einer Kette des Werdens erkennen
läßt, ergibt solche Prüfung auch Trost. Verzweifeln muß immer nur der Seiende,
niemals der Werdende. Ein „Morgen" kennt nur dieser.

Zuerst ein Blick auf die Bühne, auf welcher das Drama „Südtirol" spielt!

Jst unser Planet heute noch derselbe, welcher er um 191-s war? Der Krieg fuhr
über seine paar „Erdteilc" wie ein Zyklon über sterbcnde Herbstbäume dahin; all-
gemeines Blättersinken. Manche behaupten sogar, alles Vergangene sei in diesem
Sturm endgültig untergegangen, und was seither lebe und wachse, stelle völlig
„Neueö" dar. Zwei Erscheinungen indcsscn sind unleugbar: die allgemeine Auf-
lösung, die seit 1914 d>e alten europäischen Lebensinhalte und Lebenssormen in
ein wahrhaftigeS Chaos zurück zerbröckelt; und ein gegen srüher unabmeßbar
weiteres und tieferes menschliches Bewußtsein, das in diesem Chaos nach neuem
Lebenssinn tastet.

ChaoS nun, und erweiterter und vertiefter Geist, das sind schon an und sür sich zwei
Gegensähe; zwei so tragische sogar, daß nur, wer waghalsig über die Gegenwart
hinweg nach rückwärss und nach vorwärts blickt, auch im banalsten heutigen Ge-

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