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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Schumann, Wolfgang: Reisezeit
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Bruns, Marianne: Skandinavische Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0106

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GeschlechLern. Es rst etwas Zaubervolles um die WirklichkeiL der — Wirk-
lichkeit. Wir werden bald in Bekriebsamkeik und Geruhsamkeik des ge-
wohnken Lebens halb blind und halb kaub; alles ist bekannk, von der Skraßen-
ecke bis zum Glockenklang, von der Mundark bis zur Lebensaussassung; das
Wirkliche verlierk seine Dämonie, ja die llrkennzeichen der „Wirklichkeik"
schlechkhin; es wird nichk mehr beobachkek, wir erkennen es an ein paar An-
zeichen und „stellen es in Rechnnng". Der Reisende aber erkennk und liebk
in der zufälligen, sremden die ewige, die Wirklichkei'L schlechkhin. Er er-
sährk das Wunder der WelLwirklichkeit im stellverkrekenden einmaligen Er-
lebnis. Alles Leben, alle Welk ergrünk neu, indem unser Fuß den Teil
des Teils davon znm ersten Male bekrikk, und die Reise ist wahrhafk ge-
segnek, die solches Erleben des allgemeinsamen, allbekannken Unbekannken
schenkk. Sch

Gkandinavische Reise

(^v^V^on Sketkin zn Schiss nach Swckholm; von Skockholm m das Herz von
^ >Upland: Npsala; hinaus nachNorden, an dle See: nach Gesle; dann mit dem
Schiss am Skrand desBoktnischenMeerbusens nördlich nachSundsval; nun ins
Land hinein aus dem Jndalsälv und weiker wcstlich bis in Femtlands Haupkstadk:
Östersund am Großen See, über den winters die Lappen kommen; weikerhin über
die uralken hohen Gebirge, über die Grenze von Nvrwegen, bis an den Aklantischen
Ozean in einem Zuge: nach Drontheim. Aber dann südlich: durch einsame Täler
aus dem Landwege nach Molde, das lieblich am weiken Fsord liegk, und zurück durch
die tiese Enge des Romsdals zur Strecke nach Oslo. An einem Tage dann hinab
in die Hauptstadk und endlich zur See zurück nach Deukschland zwischen den Küsten
von Schweden und Dänemark über Kiel, in die Elbe, nach Hamburg: das isk eine
Sommerreise. Man schlägk einen kleinen Bogen um nördliches Land und schließk
an Landschask und Menschkum hinein, was das Auge irgend fassen und der
Eeisi irgend erspüren kann.

Die meisten Heukigen, die es nordwärtS ziehk, reisen nach Norwegen. Norwegen
ist das Ungeheuerliche, das Überwältigende. Es ist aggressiv. Es packk die Men-
schen an und rüktelk an ihnen. Es ist Sensakion. Es ist Kakastrophe. Schweden
ist nichts von alledem. Es ist srei und weit. Zuweilen ist es lieblich. Zuweilen
dunkel und schwer. Aber immer srci. Fnnner weik. Norwegische Landschast be-
deukek Gewalt. Schwedische Landschaft bedeukek Einsamkeit. Schweden bestchk —
so scheink es ^— einzig aus Granik, Wald und Wasser. Es hak auch Felder. Und
Süd-Schweden ist sruchtbar und eben. Aber Skein, Wald und Wasser sind dcr
Urdreiklang in der Harmonie dieses Landes, und nur als Okkave kllngk Feld mik.
Seesahrt ist dem Skädker vom Binnenlande immer von neuem das Ungewöhnliche
und Wunderbare. Selbst Fliegen kann kaum seltener sein, als die Magie dcs
Wassers, das enkweichk und doch trägt. Du stehst verzauberk für Stunden am Bug.
Iahrelang haben Mauern, Bäume, Berge selbst, den Blick versperrt. Plötzlich ist
das Halbrund des weiten Horizonkes völlig frei vor dem vorwärtsschauenden Auge.
Und jedes sichkbare Zeichen, das vorüberwandelk, ist dem Auge errcichbar. Küsten
sinken ab und kauchen aus. Es blitzk aus blauen Wolkenbänken am Horizonk. Pur-
purn gehk die Sonne unker und schleisk Röke brcik über den ganzen Himmel.
Die Dämmerung machk alle Dinge schwebend und das Wasser unwirklich. Gelb,
wie das sastende Fleisch eines Melonenvierkels, steigt dcr zunehmende Mond auf.

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