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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Noah in der Wüste
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Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0413

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Rahel (stehk auf):

Aas, Herr! Schüttle den Staub von deinen Knien, er verunziert dich, Herr. Es
kommt, rver dich heimsührt, Herr.

Noah (aus den Knien):

Bist du es nicht, die mich heimsührt, Rahel? (Er umsaßt ihre Knie.)

Rahel:

Nein, Herr. Dein Führer kommt. Ein Mann weiß sicherer zu sühren, sagt man.
Die böse Stunde ist vorüber. (Sie verschwindet.)

(Hestiges A-ah-Schreien ganz nahe)

Noah (steht auf):

Kommt da nicht mein alter Esel, den ich zum Tode verurteilt habe? Jch will ihn
empsangen nach seincn Verdiensten — (Plötzlich.) Oh! (Er stöhnt aus und verbirgt
das Haupt in seinen Armen.)

(Auftritt ein Knecht, nüt einem Sattel auf dem Rücken. Er hat die Gurten um den
Bauch zugeschlossen, so daß es aussieht, als ob er gesattelt wäre.)

(D er Knecht):

Herr, vergelte es mir nicht an mcinem Leben, welches dein geringster Besitz ist! —
Der Esel ist dahin, wir werden ihn nicht wiedersehen. Er ist mir entsprungen, er
warf den Sattel ab, frei und ledig entlief er ins Gebirge. Jch habe ihn gerusen
mit meiner Stimme und mit seiner Stimme, er wollte mich nicht hörcn, und nun
klage ich hier vor dir mit sciner Stimme. — Sieh nur! ich habe mir selbst den
Sattel auscrlegt, und sieh, wie willig ich ihn trage! — Laß mich leben nnter dem
Sattel und dir dienen in deinem Glück! (Er kniet nieder.)

Noah (langsam die Arme vom Haupt nehmend):

Auf! Steh aus! Steh aufü — Jch kann cinen Mann heute nicht knien sehen. —
blnd nun sühre mich sort von hier!

Gebicbte

W iuter 1923

S^lch weiß uun endlich, daß ich immer hungern werde
^)im Armenklcid an sremden Taseln stehn
im Hausgang steht der knöchcrne Gesährte
und läßt mich seine hohlen Hände sehn.

Der letzte Knecht bin ich in jedem Hause
den man zur Kaffeestunde gchen läßt.

Sie wissens m'cht, — ich habe kein Zuhause
in meincn Schüsseln bleibt kein Überrest.

Aus meiner Matte liegt die Armut
i» der Kammer >st es kalt
der stille Gast hat kühles Blut
und die Freundschaft ist schon alt.

Jch weiß noch viele, welche frieren
in dercn Hirn der Wahnsinn klopft;
wir gehen im Kreis, gleich wunden Tiercn
aus deren Wunden Herzbluk tropft.

M. Diethcr
 
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