Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft)
DOI Artikel:
Häfker, Hermann: Über Sport
DOI Artikel:
Illing, Werner: Vergnügen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mit Recht der MuL fehlen würde, aber das liegt nichk ,'n irgendeiner mysteriösen
Beschaffenheit der Masse, sondern lediglich an ihrer mathemaLischen Beschaffenheit.
Alle Erfcheinnngen der Massen-Suggestion nnd deS Massenransches, die über diefe
berechtigte Bewnßtseinstatsache hinauSgehen, sind krankhaft, unfruchtbar und ge-
fährlich; auf ihnen beruhen alle großen Kulturzusannnenbrüche und Enttäuschungen
dcr Völker.

Damit hoffen wir mit den Fragen des Sportrausches und deS Massentums zu Ende
zu sein und unS dem einzig Wirklichen der Körperkultur, der Einzelpersönlichkelt,
mit Erfolg zuwenden zu können. Wenn du deinen Körper behandelst, sei es in krönen-
den Sportleistungen, sei es in täglicher Kultur, so richte den Blick auf dein Jch.
Was es fördert, es groß und frei macht und ihm zum Gefühl des Glückes verhilft,
das und das allein leite dich. Wo Sport oder Gymnastik anfangen würden, deine
seelische Spannkraft und das Höchste von ihr, den ruhig und genau arbeitenden
Geist einzuengen oder ihm Zeit zu rauben, da höre auf. Aber begreife daS Geheimnis
der seelischen Erziehung durch den Körper! Hermann Häfker

Vergnügen

^^-on der Würde der Arbeit tönen herrliche Lieder. Feiergesänge der Werkfreudig-
^ ^ keit. Vom Schraubendrehen und Nähmaschinensticheln künden undurchdringbare
Mysterien.

Die Dichter und Verkünder von Gegenwart und Zukunft stehen auf dem Verkehrs-
turm über den rasenden PläHen der Weltstädte. Unter ihren Augen flutet der schwarze
Strom der Arbeitenden aus den Häusern in die Fabriken, Bauten, Börsen, Gerichte
und ebbt am Abend zurück in stille Stuben. Die Spuren der rasenden Autos ver-
schlingen sich zu befremdlichen Kurven. Fernzüge sprengen die zähe Einform grauer
Häusermassen. Unsichtbar speisen Dynamos, Turbinen die Asphaltgeschöpfe mit
Energie. Über Transmissionen stürzt sich kreisende Gewalt auf Drehbänke, Spinn-
rocken, Schnellpressen, Sägen, deren Takk den Pulsschlag der bedienenden Mann-
schaft regelt.

Tempo, Tempo! fchreit der begeisterte Zuschauer. Aber seine Stimme verdampft im
Geheul der Hupen, im Kommandogebrüll der Maschinen wie cin dünner Wasser-
strahl im Becken mit flüssigem Erz.

Diese Sänge des Verkehrs, des Geld- und Menfchenumschlags, sollte man meinen,
müßteu jedem einzelnen Menschen-Elektron, das in dieser Hochspannungszentrale ge-
wirbelt wird —, aus der Seele abgelesen sein, wie man die sprengende Begeisterung
deS Dampfeü im Kessel vom Druckmesser ablesen kann.

Steig nur herunter von der Warte des künstlerisch abgestinnnten Betrachters, dessen
Beruf es ist, von den Wirkungen falsche Schlüsse auf die Ursachen zu ziehen. Trotte
auch du im Herdengang zu den großen Toren, hinter denen Stechuhren pünktliches
Erwachen erfordern. Werde zum Teilchen des Teils im Verkehrsstrom, zum Auto-
oder Trambahnlenker, dessen Sitz oder Stand Ableger von Gefängnispritschen sind.
Geh auf den großen Nangierbahnhof und suche auf den Gesichtern von Lokomotiv-
führern, Heizern, Bremsern, Weichenstellern den Abglanz jener erhabenen, stolzen
Freude, im Dienst einer weltbewegenden Sache zu stehen: Man arbeitet, nm nicht
zu hungern, um sich diese und jene „Bcquemlichkeit" zu verschaffen, um während
berufsfreier Stunden dieö und das bezahlen zu können. Erst spät, wenn das Blut
seine treibenden Kräfte eingebüßt hat, erfährt der im „Produktionsprozeß" Ver-
haftete in sich etwas, das einem idealistischen Begriff von Pflichterfüllung und
sozialer Verantwortung ähnlich sieht. Jm Grunde ist er nur soweit mechanisiert,
daß es mit dem Tempo seiner Maschine und seines Betriebes übereinstimmt und
 
Annotationen