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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Poensgen, Georg: Die "Neue Sachlichkeit" in Paris
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Schumann, Wolfgang: Von Kino und Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0130

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eben deshalb zu belanglos. Vielleicht könnte eine ganz große künstlerische Kraft
auch an ihnen Fortschritte zeltigen. Severini kann es nicht.

Sehr beachtlich ist hingegen eine andere Richtung des Effort Moderne, die, glei'ch-
falls von den Abstraktionen Picassos und Zerlegungen Legers ausgehend, zu genau
entgegengesetzten Resultaten kommt, roi'e etwa Metzi'nger oder Severini'. Sie
läßt, anstatt zur Wi'rkli'chkeit zurückzukehren und einen begrenzten Raum zu bilden,
nur die flächenhaften Reflere alles Körperlichen bestehen und schiebt sie kulissen-
gleich durcheinander: Dreiecke, Trapeze, Silhouettenschatten von Gegenständen und
Lebetoesen, und dazwischen ganz reale Flächenkörper, wie etwa Blätter und
Scheiben. So schafft auch sie wieder einen Raum, aber dieser Raum ist unbegrenzt,
imaginär. Er saugt das Vorstellungsvermögen des Beschauers unwiderstehlich
in sich ein, und jede Wirklichkeit und plastische Bewegung ist in ihm und um ihn
möglich. George Valmier und Leopold Survage, die Träger dieser Richtung,
erzielen durch sie in der Malerei die gleichen Ergebnisse, die Tairoff auf der Bühne
erreicht: die Loslösung der Sachlichkeit von jeder formalen Bedingung. Von allen
Bestrebungen, neue Wege zu gehen, hat di'ese wohl die größte Zukunft, denn hier
bieten sich unendlich viele Möglichkeitcn persönlicher Ausgestaltung.

Zwischen Balmier und Survage einerseits und Metzinger und seiner Art andercrseits
steht ein Künstler, der, außerordentlich geschmackvoll und begabt, die augenblick-
liche Situation der neuen Malerei in Paris am besten beleuchtet. Es ist der
Jtaliener Ernesto de Chirico. Er bant auü undefinierbaren Surrogaten von Kör-
pern und Gegenständen Stilleben auf und setzt sie in einen Raum, der teils be-
grenzt, teils unbegrenzt, teils möglich, teils unmöglich ist. Und mitten zwischen daS
Stilleben schiebt er, wie im vorliegcnden Falle, etwa ein Bild, cl'ne Walroßjagd
darstellend, ein impressionistisches, fröhlich-reales Gemälde. Das Ganze ist be-
zaubernd bunt und schlagend gut gemalt. Man weiß nicht: soll man lachen oder
tief ernst werden. Man tanmelt in diesen Raum hi'nei'n nnd spielt mit den wirk-
lichen und unwirklichen Dingcn, inszeniert mit ihncn neue Stillcben und kleine
Räume und ahnt unerschöpfliche Möglichkciten produktiver Betätigung. Wenn
einer eS versteht, für sich und für die „Neue Sachlichkcit" Propaganda zu machen,
so ist es Chirico. Was cr selbst in Znkunft außer derartigen genialen Nesumeö
noch leisten wird, bleibt abzuwarten.

Zum Schluß noch ein Wort über Georges Brague. Auch cr hängt ncben den
„Neuen" bei Rosenberg, und er hat seine Anhänger, die besonders viel Wesens
mit ihm machen. Denn er kann malcn wie Cczanne und dennoch fortschrittlich sein
wie Leger und Valmier. Aber wcnn man viele von seinen Sachen si'eht, immer
wieder die Zusammenstellung von Brann nnd Blau auf den Aquarellen nnd jcnes,
ach, so qualitätvolle Komponiercn, noch im Geiste der szmpressionisten, dann spürt
man bald, daß Braque weiß, was gut ist und waS nottut, daß er aber kei'nq
Kraft mehr hat, Neues und Wichtiges hervorzubri'ngen. Georg Poensgen

Von Kino und Theater

(Die Lage der Künste III)

^^-hcaterdämmerung und Kinodämmerung — dort Abend, hier Morgen, dort
lctzte Sonnenstrahlen vom sinkenden, hier erstes Frühlicht vom kommenden
Tag. Das ist der zeitliche Anblick von Bühnenwesen und Filmwescn.

Wir sprechen vom Kino in einer Rundschau über die Künste. Gibt es noch Menschen,
die das nicht begreifcn? Di'e daö Ki'no mit Kunst nicht in eiuem Atem ncnnen?
Dor zehn Jahren gab es vi'ele. Sie hatten nicht recht; vollendö heutige Entwi'cklung
ist über sie hingeschritten. Nur wcr Kino uicht kennt, kann noch zweifeln, wo eS

no
 
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