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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 7 (Aprilheft)
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Schumann, Wolfgang: Naturschutz für Sylt
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Bartsch, Rudolf Hans: Spatzenweisheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0053

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Staat, Rcich, alle mögen endlich aufstehen und dem Vor-
grisf schnöder Verblendetheit Einhalt gebieten. Wir haben
Bebauungpläne, ,haben Bauverbote, haben Naturschutz-
gesetze — alles ist anzuwenden, was Ersolg verheißt! Noch
gibt eö ein deutscheö Volk; viel ist ihm geraubt und verwehrt; aber es kann nicht
gewillt sein, ureigenste Schätze und Herrlichkeiten um zeitlichen Vorteils willen zer-
stört zu sehen. Es will sie schauen, genießen, will sie sein serneres Eigen wissen
und Kindern und Enkeln vererben. Die Regierung aber, welches vornehmere Amt
hätte sie, als diescn Willen kraftvoll zu vollstrecken? Sch

SpatzenweisheiL

Von Rudols Hans Bartsch

(^^)innier ist es mir örollig erschienen, daß der Mensch nie hinter das Geheimnis zu
^kommen vermochte, daß sie traurig, ja lächerlich ist, seine Religion. Solange slenicht
-^->sür alles Schasfende und Geschaffene gilt, ist sie anmaßende Lästerung .. . Wie:
Für eine crsolgreiche Asfenrasse mußte ein Gott sterben? Um zu beweiscn, daß sic
völlig unerlösbar, dumm, boshast und unverbesserlich eitel bleibe?

Und alles, was ebenso heiß, tief und schöner lcbt, als wir, was ist mit dem?

Mit welch tieser Bewegtheit vernimmt schon das Kind die ergreisende, ihm beiuaho
allein verständliche Kunde, daß in Hindostan, allein aus Erden, mancher seltener Men-
schen Blut und Seele das einzig wahre Erlösungsgesühl durchwogt. Und zwar ganz
allein darum, weil durch Blut und Secle dcs Empfindens in jenem Wunderlande,
das allein die Ewigkeit zu besiegen vermocht hat, EJN Wort geht: — „das bist du".
„Das bist d u: Der Dogel, der Stern. Die Pfütze, die Wolke. Das Aas, — der Gott,
all daS bist dn selber."

Es ist Frühling geworden. Draußen schreien die Spatzen. Man kann nicht mehr
schilpen sagen. Das Schilpen vieler Spatzen, das ist jenes oft fern hörbare, cnt-
zückende Schlittengeklingel, wenn ihrer viele im Wintersonnenscheine aus einem Baumc
zusammensitzen und ihre große LebenSlust auslassen. Heute schreien sie. Schreien,
vor Wonne, daß es nur so gellt.

Jmmcr gibt ein dicker und stattlicher, gutsituierter Spatzenherr mit besonders schönem,
schwarzem Krawattenplastron den Ton zu neuen Beisallsstürmen an die Sonne an.
Wenn die andern ein wenig zart oder lyrisch zu werden beginnen und die Stimmen zu
Stimmchen, das „Evoe" zu einem sanften „Jo Päan" werden möchte, dann legt
er hoch los. Dann entsinnen sich die andern, daß es heute ja tollschön ist. Daß ihr
Blut juckend den kleinen Körper durchfrevelt. Jawohl, daß Federn stieben müssen und
tausendfältigeS Aushetzen das Leben lebensbewußt machen muß. Alle im Chor loben
Gott und seine hitzige Kusine, die gnadenreich küssende Sonne.

Jch gehe hinaus, und zu ihnen. Schri'II und lustig treiben sie's weiter.

Mich kennen sie. Jch schicße ja manchmal einen, wenn sie nn'r zu sehr an meine
grünen Zuckererbsen kommen oder meine Kirschen, prasserisch und uraßend, nur so links
und rechtö schmeißen, anhackcn, die süßesten launisch fallen lassen nnd neue, sanl-
süße suchen.

Dann sage ich irgend ein ganz sein ad personam gezieltes Tadelswort aus chem
Tesching. Der ärgste liegt. Die andern schwirren aus, setzen sich gleich daneben wieder,
teilen sich schimpfend das Vorgekommene mit, unterhalten sich beinahe so lebhaft
drüber, wie Franzosen, vergessen sofort, die Witwe duckt sich einem anheischig nach-
rückenden Neubewcrber — (sie sind ja alle so eilig init dieser hübschen Sache) —,
und alles ist wieder gut. Auch sür meine Kirschbäume.

Die Spatzen kcnnen mich. Anch als Freund. Denn wenn sie nicht übertreiben, dann

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