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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Bartsch, Rudolf Hans: Die Landschaft der deutschen Stube
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0143

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Jn dicse Stube hab ich mich aus einem sonni'gen, römischen Winter voll Rosen,
Zyklamen, Lerchengesang gesehnt!

Alle Farbe und Leuchtkrast meines LebenS, alle grlmme Tiese des Schmerzes im
Verlnst ist da herln. Aber auch alles Gemüt bis hinaus zu Großonkels Jagdtasche
und Gewehr. Ja, liebe Freunde, das Eine und Einzigste habe ich wiederholt gesehen
und erlebt: „Ein Heim, in dem alle Krast und Erinnerung und aller Schmerz der
Liebe erhalten worden ist, die in beredten Bildern an den Wänden herum weiter-
leben, das überwmdet viel! Niemals habe ich einen verlassenen Menschen, Mann
oder F^au, aus solch einem, wahrlich beinahe nur in Deutschland möglichen Heim
sreiwillig ausziehen gesehen und niemals habe ich von Selbstmord in solch einem
Heim gehört, in dem der Schmerzen sürchterlichste schon überwunden worden sind
und ein stilles Weiterleben rnögli'ch wurde. Weil alle Wände lebten. Weil alle
guten Geister der Dahingegangenen weiterlebten. Weil es Laren gab und Penaten,
ohne die, ihr meine hellköpfigen und hellhörigen Kinder dieser jammerhast armen
Zeit, kein Leben ist."

Kein s)nnenleben.

An alle Wände häng deine Liebe, deinen Schmerz, deine Sehnsucht, deine Erinne-
rung, deine Pläne, auch die mißlungenen. So trübe kann kein Tag sein, daß nicht
Sonne, wenn auch ost verblutend schöne Abendsonne aus diesen Wänden aus dich
herniederbricht und dich beinahe zersprengt vor Wollust deS Schmerzes und der
Liebe.

Dazu hat der, der den Füchsen ihre Höhlen und den Vögeln ihre Nester gewiesen
hat, dem deutschen Menschen sein Heim gegeben, desgleichen Wunderwerk in seiner
Gemütsharmonie sonst auf dieser armen Erde kaum mehr ist.

Der Engländer rühmt sich ähnlicher Tiefe. Jhm gehört die halbe Erde und mehr.
Er aber hat sich eingenistet und eingebaut und muß seinen Kamin haben und seine
Teeslamme und sein altes Lied: „He is a jolly good sellow". Ein Lied, das immerzu
am Abende gesungen wird, wenn man zusammensitzt und sich gerne hat.

Es muß aber doch mehr da sein in einem Heim. Denn dann, wenn der Mensch
einsam ist und von allem verlassen, dann singen darin noch die Wände.

Die Laren und Penaten singen, und wenn ihm das Herz brechen möchte, er ist ge-
rettet.

Ja; seine vier Wände muß man zum Singen bringen können.

Rudolf Hans Bartsch

Vom Heute fürs Morgen

Das Kreuz

(Dision aus eincr Drcsdencr Kunslaussiellung)

ine kleine AuSsiellung im vorigen Som-
mer. Jch erinncre mich. Leicht übcrsch-
bar. Eine kleine Schar erlesener Künstlcr.
Jch kenne ihre Namen nichk und will sie
nicht wissen. Jch gehe nur und schaue und
habe meine Freude. DaS Revolutionieren
hat hicr aufgehört. Hier weiß man, daß
Kunst dazu da ist, das Chaos zu ordncn.
Hier kennt jcdcr seinen Weg und scin Wol-
len. DaS spricht auS der Sichcrheit, die
einem aus allcn Ecken entgegenströmt. Also

ich frcue mich. Schon weil ich nicht mchr
zu fragen brauche, wo ein Jeder offen und
ehrlich redet.

Doch plötzlich mache ich Halt. Jch sehe da,
— ich sehe — ein Kreuz. Ich weiß nicht
cinmal mit Sicherheit, ob eS ein Kreuz ist.
Welleicht habe ich cine Dision? Habe die
Dision einer an einem Kreuz gekreuzig-
ten Menge . . . Jch trete ganz weit zurück.
Aetzt sehe ich deutlich das Krcuz aufragen.
Und daran hängcnd eine Schar von Män-
nern. Allc in der gleichcn Tracht. lMit den
Händen sich klammernd an den Duer-
balken deS Kreuzes. WaS soll daS?

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