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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Abschied und Rückblick
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0421

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Entzünde ich mich am zeitlos Großen aller Zeiten, flamme und glühe ich, so tvird
Flamme nnd Glut andere ergreisen. Das zeitlose Große aller Zeiten und das Echt-
geschafsene unserer eigenen Zeit, der wir verhastet sind, die sich darin auch schöpserisch
erlöst, di'es beideö sind nicht Besitztümer, die man vermittelt, verteilt, verkaust allein,
sondern dis Flammen, welche uns entzünden, die Ouellen, welche uns beseligen.
Und dnrch uns hindurch Andere entzünden und beseligen. Bor allem aber:
Niemand wird künstig mehr ersolgrei'che Kulturarbeit treiben, dessen Sinn
aus Kultur-„Besitz" allein und nicht auf den Menschen und seine Vervoll-
kommnung liebevoll gerichtet, das aber heißt in erster Linie: dessen Sinn nicht aus
die eigene Kultur eingcstellt ist! Handelt es sich nicht mehr um Erwerb und Besitz,
sondern um Werden und Sein, so liegt auch die Bewährung des Führers — und jeder
Kulturarbeiter bcansprucht „Führung" — nicht mehr in seinen Zeugnissen über
Gelerntes und seiner Kenntnisbreite, sondern in seiner Person!

(„Kulturarbeit und Kulturpolitik") (Oktober ig2Z)

Schriftsteller-Ehrlichkeit

Wahrheit weiß niemand sicher vorher, was er und wie er wirken wird;
^>DaIle Wirkung ist tausendsältig. Der Handelnde tut Unrecht sagt Goethe. Ieder
Handelnde. Und der Schriftsteller „handelt" ja wahrhafti'g sehr wirkungstark.
Nun wohl, dieses unvermeidliche „Unrecht" muß man auf sich nehmen — oder
schweigen. Aber zur eigenen Rechtsertigung suche ich dieS, daß ich sagen darf:
„Hossentlich habe ich taktvoll und ,suaviter in modo' gehandelt, ganz sicher mit
voller Ehrlichkeit". Das ist nicht leicht. Das Wort, das wir handhaben, ist so
versührerisch; die Selbstprüsung — Voraussetzung aller Ehrli'chkeit — tut nicht
nur wohl, auch weh. Und so weiter. Aber ich möchte unverführt und tiefgeprüft
alles und nu r das geschrieben haben, was ich mußte und e m p s a n d. Dann
allein glaube ich der Scndung gehorsam zu sein, die die der Schriftsteller ist: Spiegel
und Mahner zugleich zu sein.

(Dssener Bries an Walter von Molo) (3uni 1926)

Vom Heute fürs Morgen

TLalrhcr Narhenaus Bricfe

Oon zwei starken Bänden sind bei C. Reiß-
^^ncr in Dreüden „Briese" Walther Ra-
thenaus erslhiencn, welche seine Mutter, die
jüngst oerstarbene Frau Ennl Rathenaus
noch selber gesammelt, ausgcsucht und be-
treut hat.

Niiht selten begcgnet man der Mcinung,
Rothenau sci eine Art rätselhafter Natur
ein höchst prvbleinatischcr Mann gcwcsen.
Wir, die ihn nähcr kannten, haben zu be-
zeugen, daß diese Mcinung salsih ist. Gcwiß
war er kein slaih-clnfaiher Mensch: gewiß
widerstrcbtcn ln lhin angelegte Kräste dcs
Handclns und deS Betrachtcns einandcr bis
zuin qualvvllcn Dilcnuna: gewiß war cr
nnt Spannungcn geladcn wic alle genialen
Naturen. Doch schlte ihni in Wahrhcit völ-
lig daS -— Überspannte! völlig die Derzerrt-
heit und Derrcnktheit cines gewissen geniali-

schen Literatentums und Künstlerwesens, daS
Kurzsichtige für das gewisseste Anzeichen be-
deutenden Geisies halten. Melmehr hatte
er, bcsonderS in seinen letztcn Jahren, noch
immer die Krast, in sich zu beruhcn, mit
Lcid und Unzulänglichkeit fertigzuwerden, sich
vollkommen zu sammeln für sein großeS
Wirken und Schasfen. Wenn er über dcn
Durchschnitk auch der geistigcn Mcnschen
weir hinausragie, und daß er cs kat, ist ge-
wiß, so vermochte er es durch die skille, zu-
nächsi fast unauffällige Magie seineS We-
sens, das der Ansatz- und Hebelpunkt un-
absehbarer Geistkräftc war. Jn unverösfent-
lichten Schriften hat cr — ich erwähne nur
dies cine Beispiel — mehrfach von dem
GeheimniS der Menschennakur gesprochen:
cr lebte in der Gcwißheit, daß Art und
Wesen jedes Menschen an überaus einfachen
äußcrcn Symptomen bis auf den Grund
erkennbar und beurteilbar sei. Das Ge-

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