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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Schumann, Wolfgang: Von Kino und Theater
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Bartsch, Rudolf Hans: Die Landschaft der deutschen Stube
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0138

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darauf ankommen, ob die Beteiligten sich dauernd streiten oöer ob sie sachgemäß
zusammenwirken — an den Tatsachen wird dadurch nichts geändert.

Die Theater sind gewarnt genug. Das Kino durchläuft seinen Sicgeözug im Mlor-
gendämmer einer geradezu unheimlichen Entfaltung. Das Theater kann seinen
dämmernden Lebenstag ins Unabsehbare verlängern und den Sonnenfchein wieder-
erzwingen, wenn eö die Lage begreift und sich der Notwendigkeit fügt! Sch

Die Landsehaft der deutschen Gtnbe

(^<^reilich. Gerade für Menfchen, wie wir, die in dieser Zeit Naturseligkeit
^V^suchen, gibt es Stunden tieferer Not, alö für Asphaltleute. Für unö Deutfche,
die einen einzigen Rückweg kennen, den zu „unbewußten" Gefchwiftern, die nicht
mit grauer Gehirnrinde Mißbrauch treibcn, zu Natur, wo sie Eisblumen malt,
Brüsseler Spitzen aus Tiefseetierchen, wo sie Blumen und Kriftalle drängt, wo
sie in rhythmifcher Schwingung Sternensyfteme aneinander vorbeikreisen läßt wle
cin meifterhafter Tanzlehrer, als den ja die Jnder Shiva bezeichnen, für solche
Menfchen, denen das ungeheure Beispiel der bloß ahnenden Schöpfnng alleö be-
deutet, für solche Menfchen ift ein Versagen des Klimas und eine Neihe grauer
Tage Groll Gottes. Uns geht's übel, wenn die Natur sich versagt.

Grauer November. Oder gar tiefer Schnee nach dem erften Frühlingstage, Schnee
bis zum April, bockbeinig wie ein verkalkter Oberbeamter, talentlos, taktlos! Stil-
und zeitwidrig bedeckt er in kalten, grauen Tagen alle Felder: das ift für uns
beinahe Todesangft. Während andere die Tanzbar doppelsaugemütlich finden.

Freilich. Da wäre ja doch auch noch das Gabelfrühftück. — Denn das ift ja auch
wahr. Wer's kann, wer dem ftaubnebelgrauen, fchneeverhangenen Vormittage ein
Schnippchen zu fchlagen wüßte und doch nicht zum Frühfchoppen geht, der hat
kein Herz im Leibe.

Aber nicht jeder kann zum Frühfchoppen; es langt nicht mit Zeit und Geld und
froh muß sein, wer überhaupt ein Dahcini hat, dann, wenn jedeü Ticr eö ansagt:
Drinnen ift's besser als draußen. Dann, wenn jeder Hund in seiner Hütte Unter-
fchlupf sucht.

Da weiß ein solcher Menfch, daß mehr, viel mehr als Essen und Trinken im Trofte
liegt, daß man „wohnen gehen kann". Das ift zwar ein spaßhafter Ausdruck, aber
man merkt sich solche Dummheiten Icichter. Nun: dies Unterkriechenkönnen ift so
tierifch fchön, daß es einen ganzen Mcnfchen fordert, um es göttlich fchön werden
zu lassen.

Wohnen gehen können. Einkehren können. Sich's herrichten, auf dieser armcn,
grauen Erde. Es bedarf keiner türkifchen Karamanien und goldfahl leuchtender
Teppiche aus Jran, wie etwa auch ich selber in guten Tagen sie hängen und
liegen hatte, während der patrizifch fchwere Samowar aus Silber über der
blauen Spiritusflamme summte und ein wunderbarer Kamin, aus Goldbronze und
Delfter Kacheln, kupferblankes Feuer über die Teppiche dahinblitzen ließ. Hummer
und Sekt? Ia, ja. Da wird ein grauer Tag fchon weggefchmunzelt. Aber ich
denke an arme, blasse Frauen, deren Mann bald durchfroren und todmüde heim-
kommen soll, Sorge um die Stirne, Beutel und Magen leer, Zukunft armselig,
Hosfnung ganz tief unter vertretenen Sohlen, — und sogar daö einzige, was
in der Großftadt halbwegs umsonft ift, die liebe Sonne und der blaue Himmel
und die Wolken und Schwalben und der befreiende Wind sind zum Teufcl. klnd
 
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