bezeugt... Jmmerhin, wer zwölfmal im Jahre farbige Wiedergaben nach Gemälden
anfertigen läßt und herausgibt, wer dabei sogar kraft vieler Überlegnngen weiß,
was er tut, der kann nicht diesen Angriff auf die eigene Tätigkeit gänzlich zusatzlos
veröffentlichen.
Es muß trotz aller Sympathie für Poenögens entfchiedene Haltung doch mancherlei
ihm entgegengehalten werden.
Zunächft Einzelheiten: Da erwähnt Poensgen z. B. die Licht- und Schattenteile,
welche auf einem Gemälde durch die „Unebenheiten der Farbfläche" entstehen. Nun,
mich dünkt: Die gibt eine sorgfältige Reproduktion auch wieder, da sie ja daS
Original nicht in allseitiger, sondern in wohlüberlegter Beleuchtung faßt. Eine Über-
treibung, welche das Wahre wunderlich verkehrt, fcheint mir Poensgens Satz: „Ganz
einfache Schwarz-Weiß-Photographien, welche die Entftellnngen der Farbenwieder-
gabe vermeiden, wirken viel vornehmer und befcheidener und lassen zugleich der
Phantasie Spielraum..." Je nun, die Schwarz-Weiß-Wiedergabe ift doch nackt
und klar erft recht eine „Entftellung"! und nicht nur, weil dieses Teufelsverfahren
die Farbe Rot immer fchwärzt und die Farbe Blau immer überhellt usw. usw., sondern
schlechthin ihrem Wesen nach, da sie eben den entfcheidenden Wesenszug der Farbigkeik
weglöfcht! Mehr „Spielraum" läßt sie vielleicht, aber sicher verleitet sie den Ahnde-
losen auch zu gröblicheren Mißverftändnissen (wie wir alle erlebt habenü)
Sehr lieb ift es uns, daß PoenSgen modernen Künftlern einen Anspruch auf farbige
Wiedergaben zugefteht. Wir machen bekanntlich davon faft regelmäßig Gebrauch.
Und merkwürdig! Die Künftler sind damit faft regelmäßig sehr zufrieden. Sie fchätzen
anfcheinend die (freilich vorhandene) „Fälfchung" ihrer Werke nicht so hoch ein wie
die Tatsache, daß farbige Wiedergabe der Öffentlichkeit doch weit mehr von ihrem
Wollen vermittelt als farblose. Auch wir möchten uns mit tertlicher Farbbefchrei-
bung nicht begnügen, die so gut wie niemand in eine Schwarz-Weiß-Wredergabe
hineinsehen kann. Wir würden damit weder den Künftlern noch unsern Lesern ge-
nugtun. Jn höchftem prinzipiellen Betracht aber: Reproduktionen der getadelten
Art als Wandschmuck — da machen auch wir nicht mit! Dauernd angefchaut,
vollendö mit dem Gefühl: das ift also ein Rembrandt, ein Grüncwald usw., ver-
derbeu sie zweifellos den Gefchmack; auch geben wir zu, daß oft „pietätlos" damit
verfahren wird. Hingegen die farbige Wiedergabe älterer Meifter gewissermaßen
ganz zu verhindern, wäre doch wohl unangebracht. Wer ein glänzendeS iGesicht-
Gedächtnis hat und viel Kunftwerke sah, mag sie entbehren. Jch möchte, da mir jcnes
Gedächtnis fehlt, das Mittel zur Auffrifchung meineS Gedächtnisses nicht missen, das
die farbige Wiedergabe bedeutet. Dielleicht sind solche Wiedergaben für Augen-
Menfchen mehr verletzend als für andre. Anderen bedeuten sie, richtig benützt, doch
etwas. „Richtig benützt" aber heißt: benützt, nicht als „Kunft" ehrfürchtigi aufge-
hängt und hochgeehrt, vor allem aber angefchaut im Bewußtsein, daß sie Ersatz
und Fälfchung in sich fchließen. Dieses Bewußtsein soll nie einfchlafen — mvge auch
Poensgen es wachhalten helfen! Sch
Vom Heute fürs Morgen
Die Gesolei
ls in der DrcSdner Hygieneausstellung
seinerzeit alkoholifche Gctränke ver-
schänkt wurden, bezeichnete Fcrdinand Avc-
narius das im Kunsttvart als einen Skan -
d a l. Tritt man in der Düsseldorfcr „Gro-
ßen AuSstellung für Gesundheitspflege, So-
ziale Fürsorge und Leibesübungen" — abge-
kürzt „Gcsolei" — aus dcm monumentalcn
„Ehrenhof" heraus, so begegnet man an
erster Stellc dcm fabrikgroßcn Gcbäudc des
Deutschcn Brauerbundcs. Ein dcutscher Ar-
beitcr auf riesigem Plakat versichcrt: „Mein
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anfertigen läßt und herausgibt, wer dabei sogar kraft vieler Überlegnngen weiß,
was er tut, der kann nicht diesen Angriff auf die eigene Tätigkeit gänzlich zusatzlos
veröffentlichen.
Es muß trotz aller Sympathie für Poenögens entfchiedene Haltung doch mancherlei
ihm entgegengehalten werden.
Zunächft Einzelheiten: Da erwähnt Poensgen z. B. die Licht- und Schattenteile,
welche auf einem Gemälde durch die „Unebenheiten der Farbfläche" entstehen. Nun,
mich dünkt: Die gibt eine sorgfältige Reproduktion auch wieder, da sie ja daS
Original nicht in allseitiger, sondern in wohlüberlegter Beleuchtung faßt. Eine Über-
treibung, welche das Wahre wunderlich verkehrt, fcheint mir Poensgens Satz: „Ganz
einfache Schwarz-Weiß-Photographien, welche die Entftellnngen der Farbenwieder-
gabe vermeiden, wirken viel vornehmer und befcheidener und lassen zugleich der
Phantasie Spielraum..." Je nun, die Schwarz-Weiß-Wiedergabe ift doch nackt
und klar erft recht eine „Entftellung"! und nicht nur, weil dieses Teufelsverfahren
die Farbe Rot immer fchwärzt und die Farbe Blau immer überhellt usw. usw., sondern
schlechthin ihrem Wesen nach, da sie eben den entfcheidenden Wesenszug der Farbigkeik
weglöfcht! Mehr „Spielraum" läßt sie vielleicht, aber sicher verleitet sie den Ahnde-
losen auch zu gröblicheren Mißverftändnissen (wie wir alle erlebt habenü)
Sehr lieb ift es uns, daß PoenSgen modernen Künftlern einen Anspruch auf farbige
Wiedergaben zugefteht. Wir machen bekanntlich davon faft regelmäßig Gebrauch.
Und merkwürdig! Die Künftler sind damit faft regelmäßig sehr zufrieden. Sie fchätzen
anfcheinend die (freilich vorhandene) „Fälfchung" ihrer Werke nicht so hoch ein wie
die Tatsache, daß farbige Wiedergabe der Öffentlichkeit doch weit mehr von ihrem
Wollen vermittelt als farblose. Auch wir möchten uns mit tertlicher Farbbefchrei-
bung nicht begnügen, die so gut wie niemand in eine Schwarz-Weiß-Wredergabe
hineinsehen kann. Wir würden damit weder den Künftlern noch unsern Lesern ge-
nugtun. Jn höchftem prinzipiellen Betracht aber: Reproduktionen der getadelten
Art als Wandschmuck — da machen auch wir nicht mit! Dauernd angefchaut,
vollendö mit dem Gefühl: das ift also ein Rembrandt, ein Grüncwald usw., ver-
derbeu sie zweifellos den Gefchmack; auch geben wir zu, daß oft „pietätlos" damit
verfahren wird. Hingegen die farbige Wiedergabe älterer Meifter gewissermaßen
ganz zu verhindern, wäre doch wohl unangebracht. Wer ein glänzendeS iGesicht-
Gedächtnis hat und viel Kunftwerke sah, mag sie entbehren. Jch möchte, da mir jcnes
Gedächtnis fehlt, das Mittel zur Auffrifchung meineS Gedächtnisses nicht missen, das
die farbige Wiedergabe bedeutet. Dielleicht sind solche Wiedergaben für Augen-
Menfchen mehr verletzend als für andre. Anderen bedeuten sie, richtig benützt, doch
etwas. „Richtig benützt" aber heißt: benützt, nicht als „Kunft" ehrfürchtigi aufge-
hängt und hochgeehrt, vor allem aber angefchaut im Bewußtsein, daß sie Ersatz
und Fälfchung in sich fchließen. Dieses Bewußtsein soll nie einfchlafen — mvge auch
Poensgen es wachhalten helfen! Sch
Vom Heute fürs Morgen
Die Gesolei
ls in der DrcSdner Hygieneausstellung
seinerzeit alkoholifche Gctränke ver-
schänkt wurden, bezeichnete Fcrdinand Avc-
narius das im Kunsttvart als einen Skan -
d a l. Tritt man in der Düsseldorfcr „Gro-
ßen AuSstellung für Gesundheitspflege, So-
ziale Fürsorge und Leibesübungen" — abge-
kürzt „Gcsolei" — aus dcm monumentalcn
„Ehrenhof" heraus, so begegnet man an
erster Stellc dcm fabrikgroßcn Gcbäudc des
Deutschcn Brauerbundcs. Ein dcutscher Ar-
beitcr auf riesigem Plakat versichcrt: „Mein
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