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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Kaphahn, Fritz: Von einer südspanischen Reise
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Das Bauhaus in Dessau: von Horf
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0121

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der heilige Thvmas von Villanuevo Älmosen austeilk, gchört sicher zu deu größtcn
Schöpfungen der neueren Kunst deS gesamten 2lbendlandeS.

Freilich stellt Murillo nur die eine Seite des spanischen Wesenü der Neuzeit dar:
die tiese und doch zugleich naive Religiosität, mlt der spanische Menschen Natnr
und Leben im sicbzehnten ^ahrhundert anschauten. Diese sonnige Seite wird aber
ergänzt durch eine Nachtseite des spanischen Wesens, in der ein dämonischer Drang
nach Ausdehnung und MÄchtsteigerung, nach Pose und siebernder Askese, nach
Kälte und religiöser Verkrampsung zum Ausdruck gelangt. Der Mann, in dem
diese Empfindungen am stärksten roucherten, ist Philipp II. gewesen, die Künstler,
die sie am stärksten symbolisiercn, waren Greco, der im Süden sast völlig sehlt,
und Zurbaran. Am Provinzialmuseum zu Sevilla gibt es von diesem letzteren
ein Bild Gotteü von wahrhast monumentaler Größe; hier hängk auch sein sabel-
hasteS Porträt deö sssgnatius de Loyola. VelaSguez, der der Nachtseite spanischen
Wesens näher stand als seiner lichten, hat sich von jener, vielleicht wcil er portu-
giesischer Herkunft war, nie in dem gleichen Maße unterjochen lassen wie Zurbaran,
sondern sich, wie Cervantes, stets in ironisierendem Abstand gehaltcn. Abcr Jronie
liegt dem Südspanier am allerwenigsten; und so ist es wohl kein Zufall, daß,
obwohl er wie Murillo in Sevilla geborcn ist, Werke von Velasquez im Süden
nahezu gänzlich sehlen.

Die maurische Zeit ist die erste große Periode in der Geschichte SüdspanienS ge-
wesen, die der Gegenreformation die zweite; seitdem hat das Land keine weitere
große kulturelle Aufgipfelung erlebt. F r. Kaphahn

Das Bauhaus in Dessau

Von Hors

^^z^iese Künststätte hat letzthin manche Aufregung erzeugt. Zuerst in Weimar,
^ iwo sie jahrelang als staatliche Kunstschule ihre Tätigkeit entfaltete und
schließlich weichen mußte. Sodann in Dessau, wo sie eine Zusluchtstätte
sand und sich mit eigenen Neubauten jetzt einzurichten weiß. Sicher ist viel experi-
mentiert worden in dieser Gemeinschast, sicher werden manche Ergebnisse aufge-
steckt oder mindestens verändert weröen. MancheS war radikalisierter Gegen-
schlag gegen Bestehendes, dessen Unzulänglichkeit man gesehen hatte, ohne
immer standhaltende Neuformung einsetzen zu können. Trotzdem möchten wir hier
betonen, daß das Gesamtziel dieser Schule, sür deren Fortbestand sich bei dem
Streit in Weimar beinah das ganze künstlerisch sührende Deutschland schristlich
einsetzte, gesund und zukünstig ist.

Zunächst halte man bei allem Neuen und Umslrittenen sich grundsätzlich die Mär
der Feinde fern. Man denke daran, wie während des Krieges von den Deut-
schen erzählt wurde, daß sie in Belgien Kinder zu braten und zu sresscn pflegten.
Ferner urteile man nicht zu sehr nach der Anfangsphase des „Bauhauses", wcil
sie bereitö überholt ist. Ferner spreche man nicht nach bloßen Abbildungen ab:
Eine Keramik kann zn monoton erscheinen, wenn man sie ohne Farbton und nicht
im Zusannnenhange mit anderem Gerät aus ihrem Tische sieht. Abbildungen sind
ja totc Abstraktionen aus dem Wohnzusammenhang, wo sowieso inimer
Mehrsormigkeit entsteht. Gewebe oder Teppiche aber leben geradezu von
ihrem Farbenspiel. Und eine Architektur muß man betreten, wenn nicht sogar be-
wohnt haben. Ein Bühnenspiel will nicht in einem grauen Einzelblatt gesehen,
sondern in seinem ganzen Ablauf erschaut werden.

Auch dann wird frcilich für den heutigen „Bürger" mancher Bissen noch schwer
genug zu verdauen sein. Es muß aber die Frage aufgeworfen werden, wieweit dies

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