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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Bruns, Marianne: Skandinavische Reise
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Spunda, Franz: Ritt über den Taygetos
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0112

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eincn riesigcn cnglischen Passagierdampscr, der sich schwer aus dem Hasen drchte;
telemarkische Bauernhäuser und die herrlich geschnitzte alte Stave-Kirche im Bolks-
mnseum-Park aus der Halbinsel Bygdö; eS gab Häuser, Läden und Menschen zu
sehen. Welch eiu Unterschied zwischen Stockholmern und Osloern! Jn Stockholm
war man elegant, ja kostbar, aber durchans imaussällig gekleidet. Die Herren in
gutgeschnittenem Saccoanzug aus noblem Stoss, die Frauen in Seide in glattem
Mante! und leichtem, kostbarem Schuh. Man sah keine extravagante Frau, das
war sast langweilig. Jn Oslo liebte man bunte Tüchlein und dünne bunte
Strümpse, auch wenn sie nicht von Seide waren. Man sah etwas zerknittert
aus, selbst wenn man Seide trug. Man liebte Fransen, segelte kindlich stolz in
enormen Umhängen und verrücktestem preiselbeersarbenem Schuh- und Strumpswerk
einher und gestattete sich mit Vergnügen verwaschene ungeplättete Regenmäntel
zwischen all dcr Pracht. Aber daS alles war lebendig und sympathisch.

Jch lachte noch, als ich aus Kong Ring aus dem umgrünten Fjord suhr. Alsbald
lachte ich nicht mehr, denn ich wurde seekrank und erst von Kiel ab wieder sähig,
an Deutschland zu denken. Wie Meertiere und Urzeit, die in abfließende Gewässer
geraten sind, schwammen die mächtigen Schissleiber mit tiesdröhnendem Geschrel
durch die schmale Wasserstraße des Kaiser-Wilhelm-Kanals. Jn Hamburg regnete es
möderisch. Man mußte triefenden Leibes 20 Minuten zu Fuß zur Zollstation
pilgern (warum? warum kommen nicht wie in Schweden die Zollbeamten zum
Schiss?). Man nahm danach ein Auto und suhr in den kompakten, massiven, lär-
menden Riesenleib dieser Stadt hinein und spürte betäubt: eine Stadt. Was
ist dagegen Oslo, was ist Stockholm? Und doch war das Leben dort gut: dort
lächelte man, statt zu schimpfen .... MarianneBrunS

Nitt über den TaygeLos

cin Agogiate heißt Lamprenos, sein Maultier Nanö, cin starkes graues Tier

mit gelber Brust. Jch sitze nach LandeSsitte und lasse dic Beine auf der linken

Seite herabbaumeln. Der Mann gcht hinten nach und spornt Nanö nüt

Schnalzlauten oder einem hastig hervorgcstoßenen „Daj — daj!" an, wenn das Tier
zu langsam geht oder stehen bleibt, um eine Distel zu rupsen, oder wenn es den
Hals nach einem niedrig hängenden Nußzweig ausstreckt.

So geht es schon seit Morgengrauen. 2ln der Akropolis vorüber, noch immer in
der vom EurotaSwasser berieselten Ebene, an Mais-, Tabak-, Neis- und Baum-
wollseldern cntlang, immer in der Soune. Die Dlbäume geben nur wenig Schatten.
Jch betrachte ihre abenteuerlich verknoteten Stämme, deren unwahrscheinliche Gc-
stalt die Phantasie zu wüsten Deutungcn anregt. Das Silbergrau der Stännne
erinnert an Formen, wie man sie beim Bleigießen ,zu Silvcster erhält: Formen,
die alleö Mögliche bedeuten können, ineinandec verbissene Schlangen, absonderlich
gedrehte Alraune und Mißgcburten der Vegekation, die in der Nacht Furcht ein-
jagen können. Dann wieder kommen Gärten mit Maulbeerbäumen, deren samt-
schwarze, honigsüße Früchte eine köstliche Labe sind. Die Seidenraupenzucht wurde
hier erst vor einigen Jahrzehnten eingeführt und entwickelt sich glänzend, wie mir
Lamprenos erzählt. Ju Gythion ist eine Spinnerei, die vielen Erwerb gibt. Zwei
seiner Schwestern arbeiten dort. Sie haben nun schon recht viel Drachmen erspart
und der Bruder will sie verheiraten. Er selbst ist schon seit Jahren verlobt, darf
aber nach griechischer Sitte erst dann heiraten, biö er seine Schwestern versorgt
hat. Ob ich nicht einen passendeu Bewerber für sie wüßte? Es könnte auch cin
Deutscher oder ein Austriaköö sein. Ilnd schon zeigt er mir ihre Photographien,
 
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