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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 11 (Augustheft)
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0368

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Bücherschau

er Romanschriftstrller ^uliuS Haoe-
mann darf seii seinem crstcn 2luf-
treten die oolle Aufmerksamkeit der Kritik
beanspruchen. Er oerbindet die lcbendigsie
Auffassung geschichrlicher Zustände mit der
Gabe, cigenarrige Gestalten in die Dergan-
genheit hincinzuschauen, die ihm allerdingS
nicht selten inS Barocke und Derwunder-
lichc ausgleiten. Sein neuer Roman „P i l -
gcr durch dic Nacht" oerlebendigt die
Epoche des Schmalkaldischen KricgeS, dcr
Grumbachischcn Händel: Kaifertum, Landes-
und Kurfürstcnrum, auSgehcndeS Rirter-,
mächtiges Bürgerium, unheilvollste Zcrris-
senheit Deutschlands, pessimistische Der-
stimmrheit der Besien, Selbsterlösung einzel-
ner sern den Hündeln dcr Wolt. DieS alles
wird in einem großangelegten Zeitgemölde
ohne sentenziöse Einschläge dargesicllt, gc-
rragen oon charakterisiischen hisiorischcn Per-
sonen, oeranschaulicht an gut gewählren 2lus-
tritten und klug gcwobenen Ereignisfolgen.
An seiner 2irt isi so ein Buch sozusagen
unfehlbar. Es ist sreilich in artisiischer Hin-
sicht „Kunsihandwcrk", Wiederholung längsi
crprobter Stilsormen, ohne jede Fühlung mit
der Zeit, ohne jede dichkerische Eigenschöpser-
krafr. (Derl. Fr. Wilh. Grunow, Leipzig).
Mit einem crstaunlichen Titel kritr cin Buch
aus, daS eine Zeiklang wohl manchen über-
raschten Leser fesscln wird: „Adiotenführcr
durch die russische Literatur" (2l. Langen,
Mü., i6rj S.). Es ist geschrieben oon
„S ir Galaha d", der Berfasserin der
bckannten „Kegelschnittc Gottes": doch rcicht
eS an Ernsi und Takt nicht an jenes Buch
heran. Zwar bringt die Vers. oieles 2luS-
gezeichneic zur Kritik Dosiojewskis, der jetzk
unsäglich überschätzt wird; ebenso zur Kritik
der Dosiojewskischen Spielart oon Reli-
gion, deren Grundzug doch wohl einc un-
oornehme, gotiwidrigc Selbsternicdrigung ist
und deren Form cine halbrationalisiischc Ge-
schwätzigkeir bildet. Doch das Ganze isi
ein Pamphlet ziemlich übler 2lrt, eine übcr-
hcbliche Schmähschrift aus Grund eincS sclt-
samen Gemischs von Rassefanatismus, My-
thologismus und pcrsönlichem Selbstgefühl.
Ein ungeheucr besiechend und maßlos geist-
reich geschriebeneS philosophieähnlicheS Ge-
menge aus Falsch und Wahr, Gut und Böse,
oersiiegenem 2lrisiokrarismus, oerdrehrcm
2lntiscmitismus, Sachunkenntnis und hässi-
gem Scharsblick. . .

Hicr ein paar Proben oon dem, waS S. G.
übcr Dosiojewskis Gcstalren sagt:

„Immer knirschcnd vder zcrknirscht, gekränkt
oder Krönkung wittcrnd, erlechzend auch,
lausen sie ihre entzündcten Ncrven entlang,
bis in die Enden jcder Manie, ohne daß
dieS Hemmungslose in ihnen Fülle werden
könnte, denn zu Krampf gesteigerte Schwach-
heit isi es, nicht llberschwang der Krast."
„Ast Gott odcr ist Gott nicht?" schreicn sie
vvn Zcit zu Zeit cinander an. Und jetzt
ist cr da, dieser Hinschwatz und Herschwatz,
der nimmer endende Gehirnschwatz dcr Weihe-
losen. Am ungelüftercn Pscrch einer ra-
bulistischen Dialektik bis zur Drehkrank-
heit, religiöS steril bis zum Groteskcn, geht
dieses Gescllschasksspiel mit Schaum vor
dcn Lippen: „ist Gotr oder isi Gott nicht?"
Kaugummi wäre edlcr am Platz, muß durch-
aus ctwas speichelseicht siundenlang von
Mund zu Mund gchcn. Wie könnte eincS
höheren Daseins irgendwelcher Strahl ein-
leuchten in diese Fanatiker der Banalität, mit
ihrcm Gottcspendel: ja odcr nein, an der
krockenen Schnur ciner Diurnislenlogik?"
„Käme nur ein cinzigcs Mal in einem Ro-
man Dosiojewskis jemandem die Erleuch-
tung, ein Fensier aufzumachen, zwei Drittcl
allcr Psychologie cntwichen mit dcn llbrigen
und aus dcr Stelle."

„Es wird nichts aus ihnen, weil sie zu sehr
dainit beschäfkigt geblieben sind, ja keinen
Zug an sich unaufgezeigt zu lassen und nur
nicht zu vergesscn, aus alle ihre Wider-
sprüchc herz- und hirnlicher Berzwicktheit
nachdrücklich hinzuweisen, als MannequinS
der eigenen Psychologie."

Zwci neue Bücher sind der großen Totcn
des IahreS 192^ gewidmet: Elconora
D u s e. Das erste ist durch die zahlrcichcn
Bildnissc wichtig, die es enthält: „E. D.,
Bildnissc und Wortc" (Rud. Kaemmercr,
Berlin; herausg. von B. Segantini und
Fr. 0. Mcndclssohn). Dicse Photographicn
dcr Duse in oielen Rollcn und auS dcm
Leben sind eine Galerie herrlichsten, reichsien
Fraucntums, dcrcn unfaßlich tauscndfällige
Trägcrin immcr wieder die cine unvergleich-
liche Künsilerinncngcstalr isi. Dic Teptbei-
träge oon Gerhart Hauptmann (der es sür
angemcsscn hielt, einc halbc, noch dazu übcr-
aus platte Zeile bcizusteuern), von Bahr,
Bang, Shaw, d'Annunzio, Rilke, Kcrr, Hos-
mannsthal, Pirandello, Irenc Triesch, Emil

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