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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 12 (Septemberheft)
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Noah in der Wüste
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0412

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So ist es geschehen, und das Geschehene kann nienialö getilgt Iverden. Jetzt abcr
roill ich schlveigen und nur antlvorten, was du mich vielleicht noch zu fragen hast.

Noah (sehr traurig):

Rahel, Rahel! Jch will nicht mchr fragen. Rahel, ich bin müde meines Lebens.
Rahel, ich bin überdrüssig Himmels und der Erde. Rahel, ich bin satt meines Glücks
und meines Unglücks. Rahel, frage du — srage niich, waö ich begehre! Jch will,
daß du es bist, die da fragt. Frage mich, denn ich bin in Not. Frage mich, was ich
begehre!

D >'e Hirtin:

Jch brauche nicht zu sragen und du brauchst nlchts zu sagen. Denn ich weiß es.
Es ist ein Geringeü, Herr, und es ist dein.

Noah:

Rahel, srage mich!

Die Hirtin:

Noah, was begehrst du?

Noah:

Jch begehre Jugend! Jch begehre dich!

D >' e Hirtin:

(wirft sich an Noahs Brust und küßt ihn, waö er geschehen läßt):

Noah:

Jst eS verboten? Jst eö erlaubt?

Die Hirtin:

Alles ist erlaubt. Alles ist verboten. Wähle du!

Noah:

Jch wähle. (Er küßt sie. Sie küssen sich lange während eines tiesen Schweigens.)

Noah (sie in den Armen haltend):

Warum ist so mild, waS du gibst? Warum bcruhigt eö meine Not?

Die Hirtin:

Weil eö nur ein Augenblick ist. Weil ich nichts zu gcben habe als nur di'escö Eine.
Weil ich nichts will alö nur, daß schön blcibe, was ich gegeben habe. — Aber daü
ist freilich ein vorwitziger Wunsch, Hcrr! Und ich wünsche ihn!

Noah:

Es scheint mir, als hätte ich in meiner Jugend dieses versäumt. Es scheint mir, daß
ich es versäumte, weil ich keine Zeit hatte, zu verweilen. Jch rannte vorüber. Deöhalb
möchte ich wiederkehren an diesen Ort, den ich schon einmal betreten habe. Aber ich
warkete damals nicht, und so wurde ich jetzt gczwungen, zu hocken und zu rufen. E§
scheint mir, als habe meinem Glücke nichts gcfehlt als nur dieser Hauch. Jetzk erst
ist Noah glücklich. Rahel, ich danke dir.

Rahel (bedeckt ihr Gesicht mit den Händen und weint).

Noah:

Warum weinst du, Rahel?

Rahel:

Jch weine, wei'l mir der Abschied so bitterlich wch tut, Hörr. Und ich werde noch
viel und bitterer weinen um Noah, auch wenn ich der Göttlichen eine bin! Denn nichts
ist so schwer auf Erden und in den Himmeln, als ein liebes Leben zu lassen, wi>
ich es lasse in dieser Stunde.

Noah:

Ia, du bist eine Göttliche, Rahel! (Er kniet nieder.) Rahel, siehe, ich knie vor dkr!
Siehe, wie ich dich heilige: Auf den Km'en danke ich dir! Noah, der Mächtige,
Noah, der Reiche, Noah, der Glückliche, dankt aus den Knien der Hirtin!
(Heftiges I-ah-Schreien in der Nähe.)

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