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Die Gartenkunst — 5.1903

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V, 1

DIE GARTENKUNST

19

eckiger Weg herum, der natürlich mit Bux eingefalst ist.
(Natürlich mufs der Weg mit Bux eingefalst sein. Alle Wege'
der Zukunft müssen mit Bux eingefalst werden, wie solches
die vernünftigen Leute der guten alten Zeit taten.) Rosen
und so viel Blumen, als man mag, mögen ihn begleiten.“ —
Blumen? Ja, die können sich auf dem kühlen, schattigen
Hof eine Weile halten und dann tauscht man sie aus. Aber
Rosen? Rosen blühen am besten ausgepflanzt, jedoch auf
diesem kühlen, schattigen Hof gepflanzt, kommen sie nicht
zur Blüte. Hier ist ein Punkt und solcher Punkte giebt es in
dem Buche noch mehrere, wo der Verfasser klar darlegt, dafs
er die notwendigsten Materialien, woraus ein Garten besteht,
nämlich Pflanzen, Sträucher und Bäume, nicht kennt, und aus
dem Grunde mufs man mit Spannung den zweiten Teil dieses
Themas, die botanische Anlage, erwarten. Diese beiden Bei-
spiele der Gärten der Zukunft, wenn die Leute erst wieder
vernünftig geworden, mögen genügen. Eine Widerlegung dem
Verfasser gegenüber ist ausgeschlossen. Denn wer wie der
Verfasser S. 152 behauptet, dafs aus modernen Gärten (das
sind solche, welche in den letzten 50 Jahren angelegt) nicht
viel Gutes zu zeigen ist, dafs ein ganzes Buch, über den Garten
des Modernen zu schreiben, unmöglich sei, weil der moderne
Gartenbau nichts hervorgebracht habe, was vorbildlich sein
könnte und das wenig Gute alten Formen nachgebildet sei,
den mufs man seinen eigenen Weg gehen lassen; denn das ist
bewufste oder unbewulste Verbissenheit. Man wird diesen
letzten Satz noch mehr verstehen, wenn man liest, was der
Verfasser über das Entwerfen moderner Gartenanlagen S. 86
u. 87 schreibt: „Betrachten wir neue Gärten, so werden wir
Gestaltung kaum irgendwo bemerken.
Das Terrain ist hergenommen, wie's gerad ist, und das
Schema F ist auf dem Reifsbrett darauf geprelst, möge es nun
passen oder nicht. Von Ausnahmen, die sich irgendwo be-
finden mögen (also doch!), rede ich nicht. Sie richten als Aus-
nahmen genugsam den heutigen Typus. Niemand wird leugnen
können, dals dieser moderne Gartentypus in Villenstrafsen und
Villenkolonien das Kopfloseste und Ödeste ist, was unsere
moderne Kultur überhaupt geleistet hat.
Das Material der lebenden Pflanze ist nicht gut zu
korrumpieren gewesen, und wo es wuchert, erfreut es wenigstens
durch sein Vorhandensein. Wenn man aber die herrlichen
Harmonien, die man früher aus dem Pfanzenmaterial und dem
Menschen werk schuf, erkannt hat, dann mufs man einen
wahren Abscheu bekommen vor allem, was man heute Garten
nennt.“ —
Wie ist nun nach Ansicht des Verfassers eine Gartenanlage
zu entwerfen? Das lesen wir S. 186 u. 187: „Wie sollen wir
unsere Wege anlegen? Ich kann nur das eine antworten:
immer dem Sinne nach. Gerad wie bei einem Hausbau.
Man besehe sich zunächst sein Terrain und dann mache man
sich klar, was man auf diesem Terrain haben möchte — hier
eine Laube, dort ein Gartenhaus, dort einen Spielplatz. Und
dann überlege man sich: wie gelangt man am einfachsten von
der Haustür zum Gartenhaus, wo ist eine Treppe notwendig,
wo erleichtert eine Futtermauer die Gestaltung des Terrains
und wo sind nun Verbindungen der einzelnen Organe (!) des
Gartens notwendig. Diese Verbindung sind die Wege. (Na,
so etwas!) Und so werden sie auch am schönsten sein.“ —
Damit ist eben der gerade Weg gemeint, denn das ist der
einzig richtige, der einzig schönste. Der Verfasser schreibt da-
rüber S. 172: „Das Resultat unserer Betrachtung ist: Der
Mensch schafft die Verbindung zweier Punkte, soweit es ihm
möglich, immer geradlinig, da er als vernunftbegabtes Wesen
sein Ziel zuvor ins Auge fafst und gerad darauf losschreitet.“

— Ja, richtig! Das wurde uns doch auch in den ersten
Mathematikstunden gelehrt: Zwischen zwei Punkten ist die
gerade Linie der kürzeste Weg. Und der alte gute Lehrer
hatte dazu immer das Beispiel zur Hand, dafs das der Esel
auch wisse, denn der ginge von seinem Standpunkte zu dem
ihm vorgeworfenen Futter immer den kürzesten Weg, die
gerade Linie. Und nun treiben seit 50 Jahren die Gartenbauer
der naturalistischen Schule ihr Wesen und lassen das vernunft-
begabte Wesen Mensch auf die brezel-, herz- und nierenförmigen
Wege herumtänzeln. Das mufs anders werden. Nicht nur Herr
Pietzner hat schon seine Anerkenntnis des Besseren gegeben, auch
die Männer des „Praktischen Ratgebers“ haben in No. 48 dieses
Jahrganges sich anerkennend und zustimmend zu der alten
„Neuen Lehre“ des Herrn Schultze-Naumburg bekannt. —>• Und
das ist gut. Nachdem in besagter Nummer einige Auszüge
und 6 Abbildungen aus dem Band II „Gärten“ der Kultur-
arbeiten als Beispiele gegeben, fährt der „Praktische Ratgeber14
fort: „Diese Auslese möge genügen. Wir verweisen im
übrigen auf das Buch selbst, dem aus vollem Herzen zuzu-
stimmen ist.
Den trostlosen Zustand vieler moderner Gärten hat nicht
der Gartenkünstler allein verschuldet, auch der Gartenbesitzer
mit seinen Forderungen, die häufig aufs Komplizierteste, Ab-
sonderliche und nicht aufs Einfache gehen. Beiden mag das
Buch ein Lehrer sein.“ —
0, diese Pharisäer! Den trostlosen Zustand der modernen
Gärten haben also z. T. die Gartenkünstler verbrochen? Wenn
von trostlosen Zuständen der modernen Gärten so im all-
gemeinen geredet wird wie hier, dann hat diesen Zustand der
„Praktische Ratgeber“ mit ins Leben gerufen. Ich glaube so-
gar, der Verfasser der Kulturarbeiten ist Leser des „Praktischen
Ratgebers“ und ist durch die in demselben veröffentlichten
Musterpläne von Haus- und Villengärten in so hellen Zorn
geraten. Ich habe hier neben mir die No. 43 des Jahres 1900
des „Praktischen Ratgebers“ zu liegen; wenn der Verfasser der
Kulturarbeiten den S. 425 abgebildeten Plan eines Hausgartens
gesehen, dann ist nicht zu verwundern, dafs derselbe ein so
vernichtendes Urteil über die modernen Gärten fällt, insbeson-
dere über die Wegeführung: Dies sind hier nicht einmal
brezel-, herz- und nierenförmige Wege, ein getretener Regen-
wurm hat hierzu Modell gestanden! Auch in derselben Nummer
des „Praktischen Ratgebers“, in welcher der dem Verfasser
der Kulturarbeiten so warm zustimmende Artikel veröffentlicht
ist, steht 2 Seiten vorher die Annonce eines Landschafts-
gärtners, der die Abbildung einer Gartenszene beigefügt, welche
sicherlich Herr Schultze-Naumburg als Gegenbeispiel seiner
Lehre mit Freuden aufnehmen würde.
Es ist kein Fehler, dals der „Praktische Ratgeber“ zu der
Erkenntnis gekommen, dafs der architektonische Obst- und
Gemüsegarten der einzig richtige sei.
Dadurch werden hoffentlich weniger solche Monstrositäten
von Gärten ausgeführt, die das Antlitz unseres Landes entsetz-
lich entstellen sollen.
Nun zum Schlufs noch etwas über die 170 Abbildungen,
welche uns der Verfasser der Kulturarbeiten in diesem 2. Bande
bietet. Es sind gröfstenteils von ihm selbst angefertigte
photographische Aufnahmen, die er als Beispiele und Gegen-
beispiele gegenüberstellt. Soweit der Verfasser mit den Gegen-
beispielen die Auswüchse in der gegenwärtigen Gartenkunst
geifselt, mufs man ihm aus vollster Überzeugung beipflichten,
so Abbildung 57, eine Felsenpartie, von welcher Herr Pietzner
in seinem Bericht sagt, dals er glaube, es sei eine künstliche
Felsenschichtung, die natürliches Vorkommen und Anstehen des
Gesteins vortäuschen soll, wie Abb. 64 wohl auch, weniger
 
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