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Die Gartenkunst — 5.1903

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Sprenger, C.: Der Garten des Herzogs von Montpensier in Sevilla
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0191

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v, w

DIE GARTENKUNST

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flochten, so dicht, dafs kein Auge das Innere des Gartens
sehen kann. Dieser Efeu, der sehr grofsblätterig ist, dürfte
eine besondere Form des Hedera hibernica sein. Er hat
rote oder rötliche Stengel und sehr grofses, hellgrünes,
schönes Laub, wächst sehr leicht und schnell und dürfte
aus Marokko stammen. So erscheinen die Grenzen des

mündend gelegt und sind, wenn auch nicht einwandfrei,
heute vollkommen versteckt und verwachsen. Der ganze
Park liegt heute friedlich und stille, ein Märchen aus
Tausend und einer Nacht. Ein Traum, in dem es von
wunderschönen Pflanzen, von Blütenpracht und Frühlings-
duft und von vergangenen Tagen gar wundersame Bilder


Salon Ihrer Majestät der Kaiserin bei deren Anwesenheit in Frankfurt a. M. gelegentlich des II. Wettstreits
deutscher Männergesangvereine im Juni 1903.

paradiesischen Gartens vollkommen grün durchbrochen, nur
die blendend weifsen Pfeiler sind gekrönt mit goldenen
Spitzen. Der ganze Park ist eine vollkommen englisch-
deutsche Anlage, nur von einer schnurgeraden Palmenallee
von Südwest nach Nordost durchschnitten. Dicht vor dem
nun geschlossenen Tore im Nordosten steht eine neue
Bronzestatue des lorbeergeschmückten und im Krönungs-
mantel erscheinenden Königs Louis Philipp v. Frankreich,
von gewaltigen Fourcroya cubensis umgeben. Es sind die
Riesenwaffen der Blätter heute seine Leibgarden. Ganz in
der östlichen Ecke liegt ein Orangenhain von mehreren
Hektaren, der allerdings, wie es sich gehört, von grad-
linigen Wegen durchkreuzt ist. Alle anderen Wege sind
in gefälligen und schön gewundenen Linien, in einander
zurückkehrend oder im Mittelwege, oder auch am Palaste

gibt. Kein Mensch begegnete mir, als ich stundenlang in
ihm an der Hand eines Knaben, den mir die freundliche
Pförtnerin als Führer anvertraute, in diesem Dorado wandelte,
erstaunt ob all der nie so schön und so wonnesam ge-
schauten Pflanzenpracht. Rasen gibt es in diesem Garten
nicht, nur Bäume, Palmen, Sträucher, Rosen und Orangen!
Nur geschlossener Wald! Nichts als ein Kampf um Licht
und Dasein! Kein Mensch kümmert sich um ihn. Die
Priester betreten ihn selten und keiner pflegt ihn wie
früher, als die Witwe des Herzogs Maria Luisa noch lebte
und ihn liebte. Aber so erschien mir dieser Park als das
Schönste, was ich je gesehen habe und ich bedaure, nicht
die Kraft und das Genie eines Gregorovius zu haben, um
dieses Märchen wahrhaftig schildern zu können. Betreten
wir den zaubervollen Garten vom Hauptportal an der Nord-
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