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Die Gartenkunst — 5.1903

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Wittmütz, Alfred: Neuere Naturschutzbestrebungen mit besonderer Berücksichtigung des hessischen Denkmalschutzgesetzes, [2] Schluss
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0211

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190

DIE GARTENKUNST

V, 11

Schneisen und Kreuzungspunkten, zur Verschönerung des
Waldbildes beigetragen werden. Ein weiteres vorzügliches
Mittel, den Genufs der Waldbesucher zu erhöhen, sei die
Schaffung von Aussichtspunkten mittelst Durchhau, indem
es oft nur der Wegnahme weniger Stämme bedürfe, um
überraschend schöne Ausblicke zu erschliefsen.
Diese Ratschläge mögen ganz vortrefflich sein, ob
aber zweckmäfsig, steht dahin. Ist doch gerade die Forst-
bewirtschaftung eine der gröfsten Streitfragen, und es
wird wohl noch mancher Auseinandersetzung bedürfen,
ehe eine auch unseren Wünschen gerecht werdende Wald-
behandlung Platz greift.
Dem Zuge der Zeit trägt erfreulicherweise auch die
neue Lübecker Bauordnung Rechnung. § 64 derselben be-
sagt nämlich: Neu-, An- und Umbauten, sowie sonstige
neu herzustellende bauliche Anlagen müssen an allen von
öffentlichen Verkehrswegen und Plätzen aus sichtbaren
Seiten architektonisch so herausgebildet werden, dafs sie
weder das Strafsenbild oder die landschaftliche Um-
gebung verunstalten, noch die Erscheinung vorhandener,
insbesondere historischer Bauten wesentlich beeinträchtigen.
Das gleiche gilt von Reklameschildern, Aufschriften und
sonstigen Vorrichtungen zu Reklamezwecken, sowie von
Bemalungen. Dieselben sind in den genannten Fällen
überhaupt nicht gestattet. Für Lübecks schöne Wall-
anlagen, die neuerdings sehr durch benachbarte Miets-
häuser gelitten haben sollen, bedeutet die Bauordnung
zweifellos einen Gewinn.
Die elsafs-lothringischo Ministerialverordnung wie § 64
der Lübecker Bauordnung haben ihre Entstehung wohl
jenem schon erwähnten Gesetze zu verdanken, das als
hessisches Den kmals ch utzgesetz am 1. Oktober 1902
in Kraft trat und das beste auf diesem Gebiete bisher Ge-
leistete darstellt. Es sei mir gestattet, im Anschliffs an
eine Abhandlung von Krieg-Schlieber in dem „Grenz-
boten“ näher auf dieses Gesetz einzugehen. In dem den
Naturschutz betreffenden Absatz erörtert zunächst das
Gesetz, als dessen Verfasser der Ministerialrat Freiherr
von Biogeleben-Darmstadt geehrt werden mufs, den
Begriff der „Naturdenkmäler“.
Er versteht darunter natürliche Bildungen der Erd-
oberfläche, wie Wasserläufe, Felsen, Bäume und dergleichen,
deren Erhaltung aus geschichtlichen oder naturgeschicht-
lichcn Rücksichten, oder aus Rücksichten auf landschaft-
liche Schönheit und Eigentümlichkeit im öffentlichen
Interesse liegt. Aus diesem Grundsatz ergibt sich von
selbst die Folgerung, dafs dem Eigentümer eines solchen
Naturdenkmales zur Wahrung dieses öffentlichen Interesses
Beschränkungen in seiner Verfügungsgewalt auferlegt
werden können, und zwar bezüglich des Denkmales selbst
wie auch seiner nächsten Umgebung. Der Eigentümer
bekommt von der Anordnung Nachricht und kann inner-
halb vier Wochen Einspruch dagegen erheben. Falls diesen
nicht das Kreisamt für berechtigt erklärt, entscheidet dar-
über der Kreisausschufs. Das weitere Verfahren richtet
sich nach den mafsgebenden Verwaltungsbestimmungen.
Der Eigentümer ist also in jeder Weise gegen etwaige
Härten geschützt, da ihm ja der vorgeschriebene Instanzen-

weg offen steht. Nachdem dieser erledigt und der zu
schützende Gegenstand zum Naturdenkmal erklärt ist,
wird er in die beim Kreisamt zu führende amtliche Denk-
malsliste eingetragen und damit endgültig unter den Denk-
malsschutz gestellt. Streichungen einer solchen Eintragung
bedürfen der Genehmigung des Ministers.
Für Arbeiten, die den Fortbestand eines amtlich ge-
schützten Naturdenkmales zu gefährden drohen, oder dessen
geschützte Umgebung zu verunstalten geeignet sind, ist
die Genehmigung des Kreisamtes notwendig. Soll diese
versagt werden, so ist zuvor festzustellen, ob dem Staate
Mittel zur Verfügung stehen, aus denen etwaige Schaden-
ersatzansprüche bestritten werden können. Sind solche
Mittel nicht verfügbar, so mufs die Genehmigung erteilt
werden. Sie kann aber von der Bedingung abhängig ge-
macht werden, dafs die Ausführung der Arbeit in der Um-
gebung des Naturdenkmals nach einem vom Minister ge-
billigten Plan und unter Leitung eines sachverständigen
Beamten erfolgt. Der Schadenersatz selbst ist beim
Ministerium geltend zu machen, und zwar hat der Ge-
schädigte die Wahl, entweder das Naturdenkmal dem Staat
als Eigentum zu überlassen und Entschädigung für die
Besitzaufgabe zu fördern, oder einfach Schadenersatz zu
verlangen.
Es hat nicht an Stimmen gefehlt, die die praktische
Durchführung des Gesetzes bezweifelten, zumal der Grund-
satz des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Natur-
denkmäler, der in allen Bestimmungen des Gesetzes un-
zweideutig zum Ausdruck kommt, etwas vollkommen Neues
und Eigenartiges ist und zugleich einen erheblichen Ein-
griff in die Verfügungsfreiheit des Eigentümers bedeutet.
Bisher war, wie Krieg mit Recht bemerkt, „die verständnis-
lose Mehrheit des Volkes nur zu leicht geneigt, den Natur-
schutz für eine Liebhaberei und nutzlose Schwärmerei von
Gelehrten und Künstlern zu halten. Man lächelte über
derartige Bestrebungen und verspottete sie gar, ohne daran
zu denken, dafs es auch ideale Züge im Volksleben geben
mufs, die über die Sorge um das tägliche Brot hinaus-
gehen.“ Aus diesem Grunde ist die Aufstellung des er-
wähnten Grundsatzes ein doppeltes Verdienst. Seine Durch-
führung hat in dem seit Inkrafttreten des Gesetzes ver-
flossenen Jahre zu keinen Unzuträglichkeiten geführt, zumal
die einzelnen Bestimmungen so sehr mit gesetzlichem Schutz
umgeben sind, dafs Mifsgriffe sich so leicht nicht ereignen
können.
Besonders für den Gartenkünstler von Interesse sind
die Betrachtungen, die Krieg zum Schliffs an das hessische
Gesetz knüpft. Bisher ist es z. B., schreibt er, oft beklagt
worden, wenn ein herrschaftlicher Park oder eine ähnliche
Anlage im Interesse des öffentlichen Wohls von einer
Eisenbahn durchschnitten werden mufste und dadurch
ganz bedeutend entwertet wurde. Das Gesetz gibt dagegen
Bestimmungen an die Hand, wonach eben ein solcher
Park aus demselben öffentlichen Interesse vor Entwertung
geschützt werden soll. Dieser Fall kann auch eintreten,
wenn etwa der Besitzer aus irgend einem Grunde darin
stehende uralte Bäume oder seltene Baumarten — Eiben
und dergl. — beseitigen will. Da kann unter Umständen
 
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