des Lohnes, den die anderen Frauen und Mädchen be-
kämen. Dagegen erlaubte man ihr, ihre Kleine mit auf
die Arbeit zu nehmen, da ibre Verwandten das arme
kleine Ding nicht bei ſich behalten würden. Im Som-
mer legte fie das Kind in's Gras, im Winter machte
ſie ihm ein Neſtchen in der Krippe, wo es, wie weiland
unſer Herr und Heiland, zwiſchen Schafen und Ziegen
ſo friedlich ſchlummerte, wie irgend eine kleine Prin-
zeſſin auf ſeidenen Kiſſen. Gutherzige und weniger ſtreng-
gläubige Leute laſſen das Kind auch wohl noch miteſſen,
obwohl die Frömmern dies tadeln. Ich ſelbſt bin Jung-
geſelle, habe vielerlei in der Welt geſehen und grade
keinen Grund, beſonders prüde oder zimperlich zu thun
— dabei kaute der alte Seemann haſtig an ſeinem Priem-
chen — und ich halte es in dieſem Punkte mit den
weniger Strengen. ö
Fortſetzung folgt.)
Die Frauen und das Trinken.
Eine kulturgeſchichtliche Seizze von R. D.
(Fortſetzung.)
Eine Fuhre Zſchopauer Bier nahm der Herzog Al-
brecht von Baiern mit lebhaftem Danke entgegen und
verſicherte Anna, „daß er bei ſolchem Bier ihrer und
der Ihrigen jeder Zeit in allem Guten gedenken werde.“
Einer ſpäteren Sendung fügte die (Kurfürſtin eine An-
zahl Waldenburger Krüge mit Zinnbeſchlägen bei, „da-
raus man Sommers pflegt ras Bier zu trinken.“ Dieſe
Walder burger Krüge galten für die beſten in Deutſch-
land und girgen ſtark über die Grenze. Für den guten
Ruf der ſächſiſchen Brauereien ſpricht eine Bitte um
Bier, welche Eliſabeth von Brandenburg, auf einer Reiſe
nach Polen begriffen, von Frankfurt an der Oder an
Anna richtete; fie habe ſchier keinen Tropfen mehr zu
trinken und könne weiterhin keinen mehr bekommen, klagt
ſie. Ein ſolcher Nothſchrei konnie in den Ohren der
guten Mutter Anna nicht unerhört verklingen; fie ſchickte
ſo viel Bier, daß ihre kurfürſtliche Milchſchweſter auf
der weiten Reiſe nicht mehr an Durſt litt.
Selbſt jene deutſchen Fürſten, deren Höfe in dem
Rufe der größten Nüchternheit ſtanden, geizten nicht mit
dem Tranke. So beftimmte z. B. Herzog Ernſt der
Fromme von Gotha im Jahre 1648 zwar auch in ſtren-
ger Trinkordnung, was Jedem zukam, jedoch war dies
ſoviel, daß Jeder damit genug haben konnte. Der neunte
Paragraph bieſer „Hoftrinkordnung“ zeigt uns, welches
Quantum Bier die Frauen damals zu vertilgen wußten;
denn auf jede Hofdame waren täglich 7 Maß Bier ge-
vechnet, und die Herzogin hatte das Vorrecht, ſo viel ihr
behagte, alſo jedenfalls noch mehr zu trinken. „Zum
Untertrunk“, heißt es daſelbſt, „vor unſer Gemahlin ſoll
an Bier und Wein, ſoviel dieſelbe begehren wird, ge-
folget werden; vors gräfliche und adlige Frauenzimmer
aber 4 Maß Bier, und des Abends zum Abſchenken 3
Maß Bier; vor die Frau Hofmeiſterin und zwo Jung-
fern und vor die Madgen und andern Diener wird ge-
geben von Oſtern bis Michaelis Vormittags um 9 Uhr
auf jede Perſon 1 Maß Bier und Nachmittags um 4
Uhr wieder ebenſo viel; der jungen Herrſchaft und den
Fräulein ſeines Hauſes ſolle bei jeder Mahlzeit zuſam-
men 2 Maß Wein und 4½ Maß Bier gegeben wer-
den, für den Mädchen⸗ und Offizierstiſch aber auf jede
Perſon 1 Maß Bier und 1½ Maß Landwein, ſowie
zum Früh⸗ und Vesper⸗Trunk.“ In Baiern gibt es
vielleicht noch heutzutage Frauenzimmer, welche mit jenen
Gothaerinnen rivoliſiren könnten. ö
Bei ſolcher Mäßigkeit (oder vielleicht beſſer geſagt:
Unmäßigkeit) im Trinken dürfen wir uns nicht wundern,
daß die deutſchen Prinzeſfinen in dieſer Beziehung gerade
nicht im beſten Rufe ſtanden, daher wollte Hrinrich IV.,
König von Frankreich, keine deutſche Fürſtentochter zur
Frau, indem er ſagte: „Je croirais toujours avoir un
pot de vin auprès de moi.“. ö ö
Die Gemahlin Karl's II von England, Katharina
von Portugal, hatte eine Chrendame Namens Lucy,
welche ſich den Spaß machte, aufzuſchreiben, was ſie
den Tag über verſpeiſte. Einer ihrer intereſſanten Notiz-
zettel iſt im britiſchen Muſeum für die Nachwelt auf-
bewahrt worden, und wir geben deſſen Inhalt hier wie-
der. Man leſe und ſtaune! Lady Luch verſpeiſte am
19. März — das Jahr iſt nicht genannt — zum Früh-
ſtück: ein ganzes Rückenſtück von einem Rinde, ein Brot
von zwei Pfund, eine Fruchttorte, dazu trank ſie vier
Flaſchen ſtarkes Bier; zum Mittag genoß ſie ein Stück
Pökelfleiſch, eine Schribe Rinds braten, einige Fricaſſe's
aus des Königs Küche, ein Brot von zwei Pfund, da-
zu vier und eine halbe Flaſche ſtarkes Bier. Zur Ves-
per nahm ſie zu ſich: Einen Pudding und zwei Fla-
ſchen ſtarkes Bier. Zum Abendeſſen vertilgte ſie: Eine
Schüſſel Gemüſe, ein Hammelſtück, eine Schüſſel Naſch-
werk von des Königs Tafel, ein Brot von drei Pfund,
dazu zwei Flaſchen ſtarkes Bier. Vor dem Zubettgehen
aß ſie noch ein Brot von zwei Pfund, einen Ruchen,
dazu trank ſie zwei Flaſchen aus des Konigs Kellerie.
— Heutzutage gibt es wohl in der ganzen Welt keine
Hofdame und wohl auch keinen Mann, die einen ſo gu-
ten Magen hätten wie Lady Lucy!
Als weiterer, die Vorliebe des weiblichen Geſchlechts
für geiſtige Getränke kennzeichnender Beleg ſei noch die
an manchen Orten Württemberg's früher beſtandene ſog.
„Weiberzeche“ hier erwähnt. Im Zabergau, einer der
weinreichſten Gegenden Württemberg's, wurde ſrüher an
Faſtnacht allgemein die ſogenannte Weiberzeche gefeiert.
Schon einige Tage vorher hielten die Weiber jeder Ort-
ſchaft eine Zuſammenkunſt und wählten einige aus ihrer
Mitte, welche bei dem Ortsſchultheißen um die Erlaub-
niß bitten mußten, dieſes Feſt zu halten. Sobald ſie
dieſelbe erlangt hatten, mußte das Weib des Gerichts-
dieners die frohe Botſchaft in der ganzen Ortſchaft ver-
künden.
(Fortſetzung folgt.)
kämen. Dagegen erlaubte man ihr, ihre Kleine mit auf
die Arbeit zu nehmen, da ibre Verwandten das arme
kleine Ding nicht bei ſich behalten würden. Im Som-
mer legte fie das Kind in's Gras, im Winter machte
ſie ihm ein Neſtchen in der Krippe, wo es, wie weiland
unſer Herr und Heiland, zwiſchen Schafen und Ziegen
ſo friedlich ſchlummerte, wie irgend eine kleine Prin-
zeſſin auf ſeidenen Kiſſen. Gutherzige und weniger ſtreng-
gläubige Leute laſſen das Kind auch wohl noch miteſſen,
obwohl die Frömmern dies tadeln. Ich ſelbſt bin Jung-
geſelle, habe vielerlei in der Welt geſehen und grade
keinen Grund, beſonders prüde oder zimperlich zu thun
— dabei kaute der alte Seemann haſtig an ſeinem Priem-
chen — und ich halte es in dieſem Punkte mit den
weniger Strengen. ö
Fortſetzung folgt.)
Die Frauen und das Trinken.
Eine kulturgeſchichtliche Seizze von R. D.
(Fortſetzung.)
Eine Fuhre Zſchopauer Bier nahm der Herzog Al-
brecht von Baiern mit lebhaftem Danke entgegen und
verſicherte Anna, „daß er bei ſolchem Bier ihrer und
der Ihrigen jeder Zeit in allem Guten gedenken werde.“
Einer ſpäteren Sendung fügte die (Kurfürſtin eine An-
zahl Waldenburger Krüge mit Zinnbeſchlägen bei, „da-
raus man Sommers pflegt ras Bier zu trinken.“ Dieſe
Walder burger Krüge galten für die beſten in Deutſch-
land und girgen ſtark über die Grenze. Für den guten
Ruf der ſächſiſchen Brauereien ſpricht eine Bitte um
Bier, welche Eliſabeth von Brandenburg, auf einer Reiſe
nach Polen begriffen, von Frankfurt an der Oder an
Anna richtete; fie habe ſchier keinen Tropfen mehr zu
trinken und könne weiterhin keinen mehr bekommen, klagt
ſie. Ein ſolcher Nothſchrei konnie in den Ohren der
guten Mutter Anna nicht unerhört verklingen; fie ſchickte
ſo viel Bier, daß ihre kurfürſtliche Milchſchweſter auf
der weiten Reiſe nicht mehr an Durſt litt.
Selbſt jene deutſchen Fürſten, deren Höfe in dem
Rufe der größten Nüchternheit ſtanden, geizten nicht mit
dem Tranke. So beftimmte z. B. Herzog Ernſt der
Fromme von Gotha im Jahre 1648 zwar auch in ſtren-
ger Trinkordnung, was Jedem zukam, jedoch war dies
ſoviel, daß Jeder damit genug haben konnte. Der neunte
Paragraph bieſer „Hoftrinkordnung“ zeigt uns, welches
Quantum Bier die Frauen damals zu vertilgen wußten;
denn auf jede Hofdame waren täglich 7 Maß Bier ge-
vechnet, und die Herzogin hatte das Vorrecht, ſo viel ihr
behagte, alſo jedenfalls noch mehr zu trinken. „Zum
Untertrunk“, heißt es daſelbſt, „vor unſer Gemahlin ſoll
an Bier und Wein, ſoviel dieſelbe begehren wird, ge-
folget werden; vors gräfliche und adlige Frauenzimmer
aber 4 Maß Bier, und des Abends zum Abſchenken 3
Maß Bier; vor die Frau Hofmeiſterin und zwo Jung-
fern und vor die Madgen und andern Diener wird ge-
geben von Oſtern bis Michaelis Vormittags um 9 Uhr
auf jede Perſon 1 Maß Bier und Nachmittags um 4
Uhr wieder ebenſo viel; der jungen Herrſchaft und den
Fräulein ſeines Hauſes ſolle bei jeder Mahlzeit zuſam-
men 2 Maß Wein und 4½ Maß Bier gegeben wer-
den, für den Mädchen⸗ und Offizierstiſch aber auf jede
Perſon 1 Maß Bier und 1½ Maß Landwein, ſowie
zum Früh⸗ und Vesper⸗Trunk.“ In Baiern gibt es
vielleicht noch heutzutage Frauenzimmer, welche mit jenen
Gothaerinnen rivoliſiren könnten. ö
Bei ſolcher Mäßigkeit (oder vielleicht beſſer geſagt:
Unmäßigkeit) im Trinken dürfen wir uns nicht wundern,
daß die deutſchen Prinzeſfinen in dieſer Beziehung gerade
nicht im beſten Rufe ſtanden, daher wollte Hrinrich IV.,
König von Frankreich, keine deutſche Fürſtentochter zur
Frau, indem er ſagte: „Je croirais toujours avoir un
pot de vin auprès de moi.“. ö ö
Die Gemahlin Karl's II von England, Katharina
von Portugal, hatte eine Chrendame Namens Lucy,
welche ſich den Spaß machte, aufzuſchreiben, was ſie
den Tag über verſpeiſte. Einer ihrer intereſſanten Notiz-
zettel iſt im britiſchen Muſeum für die Nachwelt auf-
bewahrt worden, und wir geben deſſen Inhalt hier wie-
der. Man leſe und ſtaune! Lady Luch verſpeiſte am
19. März — das Jahr iſt nicht genannt — zum Früh-
ſtück: ein ganzes Rückenſtück von einem Rinde, ein Brot
von zwei Pfund, eine Fruchttorte, dazu trank ſie vier
Flaſchen ſtarkes Bier; zum Mittag genoß ſie ein Stück
Pökelfleiſch, eine Schribe Rinds braten, einige Fricaſſe's
aus des Königs Küche, ein Brot von zwei Pfund, da-
zu vier und eine halbe Flaſche ſtarkes Bier. Zur Ves-
per nahm ſie zu ſich: Einen Pudding und zwei Fla-
ſchen ſtarkes Bier. Zum Abendeſſen vertilgte ſie: Eine
Schüſſel Gemüſe, ein Hammelſtück, eine Schüſſel Naſch-
werk von des Königs Tafel, ein Brot von drei Pfund,
dazu zwei Flaſchen ſtarkes Bier. Vor dem Zubettgehen
aß ſie noch ein Brot von zwei Pfund, einen Ruchen,
dazu trank ſie zwei Flaſchen aus des Konigs Kellerie.
— Heutzutage gibt es wohl in der ganzen Welt keine
Hofdame und wohl auch keinen Mann, die einen ſo gu-
ten Magen hätten wie Lady Lucy!
Als weiterer, die Vorliebe des weiblichen Geſchlechts
für geiſtige Getränke kennzeichnender Beleg ſei noch die
an manchen Orten Württemberg's früher beſtandene ſog.
„Weiberzeche“ hier erwähnt. Im Zabergau, einer der
weinreichſten Gegenden Württemberg's, wurde ſrüher an
Faſtnacht allgemein die ſogenannte Weiberzeche gefeiert.
Schon einige Tage vorher hielten die Weiber jeder Ort-
ſchaft eine Zuſammenkunſt und wählten einige aus ihrer
Mitte, welche bei dem Ortsſchultheißen um die Erlaub-
niß bitten mußten, dieſes Feſt zu halten. Sobald ſie
dieſelbe erlangt hatten, mußte das Weib des Gerichts-
dieners die frohe Botſchaft in der ganzen Ortſchaft ver-
künden.
(Fortſetzung folgt.)