und ſo leben wir Alle hier. Und das ist ein langweili-
ges Leben und geſtehen Sie, ein langweiliges Leben iſt
kein angenehmes.
Die Frau erwiderte darauf etwas prenge: Ich kann
Ihnen nur geſtehen, Georg, daß ich hier noch keinen Au-
genblick Langeweile empfunden babe, und ſollte es Ihnen
hier langweilig ſein, Georg, Keiner im Schloſſe iſt ge-
zwungen, hier zu bleiben.
Die Worte ſchienen einen eigenthümlichen Gedanken
in dem Diener geweckt zu haben.
„Keiner, Frau Erhard“, rief er. „Die gnä dige Frau
nehmen Sie doch wohl ans! Und am Ends ſe ine Excel-
lenz ſelbſt!“ ö
Die Frau aber antwortete ruhig: „Ich ſprach nur
von Ihnen und mir!“ ö ö
„Und ich“, entgegnete zäbe der Kammerdiener, „mußte
bei Ihren Worten doch an die Herrſchaft denken.“
„Diener“, ſagte entſchieden, die Frau, „müſſen nicht
über die Herrſſchaft ſprechen.“ ö
Sie hatten den Schloßhof durchſchritten, waren in
den Park eingetreten. Sie nahmen ihren Weg zu einem
Bosquet, das nicht weit von dem Schloſſe den Anfang
der weitläufigen Parkanlagen bildete. Eine lange Reihe
der kogbarſten Orangeriegewächſe, die in grünen und
weißen Kübeln aufgeſtellt, führten ſie dahin.
Der Frühling kommt ſpät in jenem Norden der
ruſſiſch⸗preußiſchen Grenze; er kommt dann aber auch
plötzlich mit aller ſeiner Kraft, mit der ganzen Trieb-
kraft ſeiner wärmenden Sonne, ſeiner milden belebenden
Luft. Heute noch liegen Strom und Feid, Wald und
Wieſe und Acker unter ſtarrer Eisdecke, worgen beginnt
die Sonne das Eis zu ſchmelzen, im Strome kommen
die Fluthen ihr zu Hilfe, zerſprengen die dichte Decke
zu Schollen, treiben die Schollen dem Meere zu, oft
unter Gefahren für Land und Leute; aber der Strom
iſt frei, und aus dem Schoße der Mutter Erde locken
die Sonnenſtrahlen die befruchtende Wörme zu der Ober-
fläche hinauf und auch das Land iſt von ſeinem ſtarren
Winter befreit, und ſein Herr, der Menſch kann es be-
bauen, kann darin graben, pflügen, ackern. Und wenn
kaum acht Tage weiter entſchwunden ſind, grünt auch
der Wald, und in den Gärten blüren die Kirſchen, die
Pflaumen, der Flieder, und der Lithauer hat ſeinen Pelz
abgelezt, den er geſtern noch trug, und arbeitet draußen,
wie im Hauſe, in bloßen Hemdärmeln
Der Park des Schloſſes Romnike ſtand in vollem
Grün, ia voller Blüthe. Die Orangeriehäuſer des
Schloſſes hatten ſich geöffnet und ihre reizendſten und
duftigſten Zierden dem Blätter⸗ und Blüthenſchmuck des
Parkes hinzugeſellt. ö
Der General und die Generalin hatten ſchon ſeit
einigen Stunden den Park aufgeſucht. Zum Thee woll-
ten ſie in die Gemächer des Schloſſes zurückkehren.
Der Kammer diener hatte zu melden, daß der Thee
ſervirt iſt; die Kammerfrau hatte nachzuſehen, ob die
Herrin Blumen oder Anderes ir's Schloß zu ſchaffen,
ſonſtige Befehle zu ertheilen habe. ö
Berde erreichten dad Bosguet, in dem ſie die Herr-
ſchaft finden ſollten. ö
Sie fanden ſie nicht darin. Sie verwunderten ſich.
Sie ſuchten vergebens in den Windungen der Gänge, in
dem Dunkel der Lauben. ö —
Sie hatten die Gebüſche, die Alleen durchſtreift, nach
allen Stiten, vereinigt, vereirzelt. Die trafen wieder
zuſammen. Der Diener wollte noch immer ſich nur ver-
wundern; die Frau war erſchrocken.
Wenn nur kein Unglück geſchehen iſt, ſagte fte
An was für ein Unglück könnte man hier denker,
Frau Erhard? In den Park kommt kein Fremder, und
es waren ihrer ja Zwei; Einer konnte immer Hilfe
herbeirufen, wenn dem Anderen etwas zuſtieß,
Die Revolution drüben! rief die bekümmerte Frav.
Der Diener Georg nahm die Sache trotzdem leicht.
Was kümmers uns die Polen und wie wekden ſie
ſich um uns hier kümmern? Sie haben genug eben mit
ihrer Revolution zu thun. *
Die Frau wurde nicht beruhigter.
Ich leſe die Zeitung, Georg. Es wird drüben von
Tag zu Tag grauſamer, unheimlicher, trofiloſer. Wir
hier erfohren es nicht, weil keiner über die Grenze ſich
hinaus wagt und von dort Niemausshierher darf. Nur
die Zeitungen berichten, wie drüben überall der offere
Krieg und der heimliche Mord herrſcht.
Drüben, Frau Erhard! Nicht hier! Sie ſagen ja
ſelbſt, es dürfe Keiner von dort hierher.
Wenn nun aber Einer, wenn eine jener Banden hier-
her rückte!
Hierber nach Preußen? Und gerade nach Schloß
Romnike? ö
Haben Sie von der geheimen Revolution s⸗Regierung
in Warſchau gehört, Georn? ö
Nur wenig, eigentlich nichts. —
Die Begebenheiten, die wir hier zu erzählen haben“
ereigneten ſich im Mai des Jahres —.
Schon gegen das Ende des Jahres vorher war in
dem unglücklichen Königreiche Polen wieder eine Revo-
lution ausgebrochen. Sie war large vorbereitet, ver-
borgen, heimlich, planmäßig ſicher. Die Ruſſen hatten
ſie aber ſo wenig geachtet, wie in früheren Johren. Die
Ruſſen waren zu ſicher, zu übermüthig, in Rußland, in
Polen ſelbſt.
(Fortſetzung folgt.)
ein kluger Theaterdirector.
Haſenhut, der zu ſ ner Zeit berühmte und leliebte
Wiener Komiker, ſland eines Morgens in der Kanzlei
des Wiener Hofoperviheaters urd kachte an ſeſne liebe
Frau, ſein Haͤuflein Kinder, ſeine Wohnunge miethe, ſeine
leere Holzkammer, ſeine kleinen Schulden, den geſtren-
gen Winter und den geſtrengen Herrn Director, dir
heute ang'zepft werden ſellte, obgleich er nicht an der
Waſſerſucht litt.
ges Leben und geſtehen Sie, ein langweiliges Leben iſt
kein angenehmes.
Die Frau erwiderte darauf etwas prenge: Ich kann
Ihnen nur geſtehen, Georg, daß ich hier noch keinen Au-
genblick Langeweile empfunden babe, und ſollte es Ihnen
hier langweilig ſein, Georg, Keiner im Schloſſe iſt ge-
zwungen, hier zu bleiben.
Die Worte ſchienen einen eigenthümlichen Gedanken
in dem Diener geweckt zu haben.
„Keiner, Frau Erhard“, rief er. „Die gnä dige Frau
nehmen Sie doch wohl ans! Und am Ends ſe ine Excel-
lenz ſelbſt!“ ö
Die Frau aber antwortete ruhig: „Ich ſprach nur
von Ihnen und mir!“ ö ö
„Und ich“, entgegnete zäbe der Kammerdiener, „mußte
bei Ihren Worten doch an die Herrſchaft denken.“
„Diener“, ſagte entſchieden, die Frau, „müſſen nicht
über die Herrſſchaft ſprechen.“ ö
Sie hatten den Schloßhof durchſchritten, waren in
den Park eingetreten. Sie nahmen ihren Weg zu einem
Bosquet, das nicht weit von dem Schloſſe den Anfang
der weitläufigen Parkanlagen bildete. Eine lange Reihe
der kogbarſten Orangeriegewächſe, die in grünen und
weißen Kübeln aufgeſtellt, führten ſie dahin.
Der Frühling kommt ſpät in jenem Norden der
ruſſiſch⸗preußiſchen Grenze; er kommt dann aber auch
plötzlich mit aller ſeiner Kraft, mit der ganzen Trieb-
kraft ſeiner wärmenden Sonne, ſeiner milden belebenden
Luft. Heute noch liegen Strom und Feid, Wald und
Wieſe und Acker unter ſtarrer Eisdecke, worgen beginnt
die Sonne das Eis zu ſchmelzen, im Strome kommen
die Fluthen ihr zu Hilfe, zerſprengen die dichte Decke
zu Schollen, treiben die Schollen dem Meere zu, oft
unter Gefahren für Land und Leute; aber der Strom
iſt frei, und aus dem Schoße der Mutter Erde locken
die Sonnenſtrahlen die befruchtende Wörme zu der Ober-
fläche hinauf und auch das Land iſt von ſeinem ſtarren
Winter befreit, und ſein Herr, der Menſch kann es be-
bauen, kann darin graben, pflügen, ackern. Und wenn
kaum acht Tage weiter entſchwunden ſind, grünt auch
der Wald, und in den Gärten blüren die Kirſchen, die
Pflaumen, der Flieder, und der Lithauer hat ſeinen Pelz
abgelezt, den er geſtern noch trug, und arbeitet draußen,
wie im Hauſe, in bloßen Hemdärmeln
Der Park des Schloſſes Romnike ſtand in vollem
Grün, ia voller Blüthe. Die Orangeriehäuſer des
Schloſſes hatten ſich geöffnet und ihre reizendſten und
duftigſten Zierden dem Blätter⸗ und Blüthenſchmuck des
Parkes hinzugeſellt. ö
Der General und die Generalin hatten ſchon ſeit
einigen Stunden den Park aufgeſucht. Zum Thee woll-
ten ſie in die Gemächer des Schloſſes zurückkehren.
Der Kammer diener hatte zu melden, daß der Thee
ſervirt iſt; die Kammerfrau hatte nachzuſehen, ob die
Herrin Blumen oder Anderes ir's Schloß zu ſchaffen,
ſonſtige Befehle zu ertheilen habe. ö
Berde erreichten dad Bosguet, in dem ſie die Herr-
ſchaft finden ſollten. ö
Sie fanden ſie nicht darin. Sie verwunderten ſich.
Sie ſuchten vergebens in den Windungen der Gänge, in
dem Dunkel der Lauben. ö —
Sie hatten die Gebüſche, die Alleen durchſtreift, nach
allen Stiten, vereinigt, vereirzelt. Die trafen wieder
zuſammen. Der Diener wollte noch immer ſich nur ver-
wundern; die Frau war erſchrocken.
Wenn nur kein Unglück geſchehen iſt, ſagte fte
An was für ein Unglück könnte man hier denker,
Frau Erhard? In den Park kommt kein Fremder, und
es waren ihrer ja Zwei; Einer konnte immer Hilfe
herbeirufen, wenn dem Anderen etwas zuſtieß,
Die Revolution drüben! rief die bekümmerte Frav.
Der Diener Georg nahm die Sache trotzdem leicht.
Was kümmers uns die Polen und wie wekden ſie
ſich um uns hier kümmern? Sie haben genug eben mit
ihrer Revolution zu thun. *
Die Frau wurde nicht beruhigter.
Ich leſe die Zeitung, Georg. Es wird drüben von
Tag zu Tag grauſamer, unheimlicher, trofiloſer. Wir
hier erfohren es nicht, weil keiner über die Grenze ſich
hinaus wagt und von dort Niemausshierher darf. Nur
die Zeitungen berichten, wie drüben überall der offere
Krieg und der heimliche Mord herrſcht.
Drüben, Frau Erhard! Nicht hier! Sie ſagen ja
ſelbſt, es dürfe Keiner von dort hierher.
Wenn nun aber Einer, wenn eine jener Banden hier-
her rückte!
Hierber nach Preußen? Und gerade nach Schloß
Romnike? ö
Haben Sie von der geheimen Revolution s⸗Regierung
in Warſchau gehört, Georn? ö
Nur wenig, eigentlich nichts. —
Die Begebenheiten, die wir hier zu erzählen haben“
ereigneten ſich im Mai des Jahres —.
Schon gegen das Ende des Jahres vorher war in
dem unglücklichen Königreiche Polen wieder eine Revo-
lution ausgebrochen. Sie war large vorbereitet, ver-
borgen, heimlich, planmäßig ſicher. Die Ruſſen hatten
ſie aber ſo wenig geachtet, wie in früheren Johren. Die
Ruſſen waren zu ſicher, zu übermüthig, in Rußland, in
Polen ſelbſt.
(Fortſetzung folgt.)
ein kluger Theaterdirector.
Haſenhut, der zu ſ ner Zeit berühmte und leliebte
Wiener Komiker, ſland eines Morgens in der Kanzlei
des Wiener Hofoperviheaters urd kachte an ſeſne liebe
Frau, ſein Haͤuflein Kinder, ſeine Wohnunge miethe, ſeine
leere Holzkammer, ſeine kleinen Schulden, den geſtren-
gen Winter und den geſtrengen Herrn Director, dir
heute ang'zepft werden ſellte, obgleich er nicht an der
Waſſerſucht litt.