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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 103 - 109 (2. Dezember - 16. Dezember)
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verlieren wollte.

mit niederg⸗ſchlagenen Argen

422

„Das iſt wahr; ſie iſt zu ſtolz. Aber ſie braucht
ja nicht zu wiſſen, das i) —“
„O! Die iſt ſo kno, daß ſie ſich klia X für ein U
wachen läßt. Der ſind wir beide richt gewachſer.“
„Iſt auch nicht nöthin,“ erwiderte der Ackerbürger.
„Wenn die Roſa nur will, ſo iſt ihr kald geholfen, ſie
kraucht rur Jaſagen und alle Noth hat für ſie ein Ende.
Ich komme von Vater Wezever, der ſie bitten läßt, zu
ibhm zurückzu'ommen und wieder die Wirthſchaft zu über-
nehmen.“
„Herrzott!“ rif die lebhafte Gewüſerändlerin ganz
erſteunt. „Das in ja gar nicht moͤglich. Eber hatt'
ich geglaubt, daß der Himmel einfällt. So erzählen Sie
doch vur. Aber zuerſt müſſen Sie mit uns frühfkücken.
Ich will gleich die Reſa wecken, d'e wied einmal Augen
machen.“
„Es iſt beſſer, wenn Sie fie noch ſchlafen laſſen und
nicht flörer“, verſetzte er, die reſolute Wittwe zurück-
haltend. „Die Rue wird der Atrmften gut thun. Auch
muͤſſen wir ſie erſt vorbereiten, um ſie nicht zu er-
ſchrecktn und kopfſcheu zu mechen. Di; muß man wie
ein weiches Ei behandelo und ſie vicht hart aufaſſen.“
„Ader mir können Sie doch ſagen —“
„Na, Sie wiſſen doch, daß Vater Wezener ſrixen
Gaſthof verkauft hat, aber das Geld brachte ihm keinen

Segen, nRichts als Aerger und Verdruß. Erſt lar gweilte

er ſich in ſemer Villa zu Tode, weil er richt wußl-
wes er den langen geſezlagenen Lag mit ſriner Zeit an-
faugen ſollte, ſo daß er froß war, ſeine Beſitzuntz wi⸗der
los zu werden. Dann kam der Prozeß mit dem Cosz-
merzienroth, der den Reße für das Grundſtück nicht zah-
len wollte, weil der neue Bahnhof auf meinen Feldern
gezant wird. Zuletzt élieb itm nichts übdrig, als den
Gaſthof wieder zurückzunehmen, weun er nicht ſein Geld
Darüber zankte und koſte ſich die Frou
8 ſehr, daß ſie krank wurde und vorige Woche an einem
Galler fieber geſtorben iſt,“
„Das iſt noch das Beſte, was der Drache thun

ko ante.“

„Der alte Maunn dauert mich; er iſt jetzt ganz allein
und ohne Hilfe. Deßhalb wollte er mir den Gaſthof
übergezen, aber das geht nicht; denn ich bin noch nu-

verhei: athet und ohne Feen muß die Wirthſchaft drüͤber

und drunter gezen —“

„Und da ſoll wohl die Roſa zu dem Vater Wege-
ner ziehen und Sie heirathen“, erwiderte die Wittwe in
ih cer verzeihlichen Eiſerſucht.
„Daran bab' ich nicht gedacht“, enigegnete der ver-
legene Krauſe „und die Roſa erſt recht nicht. Das iſt
vorbei und aus dem Korn wüd ſein Leltag kein Mehl.
Ich werde wohl als Junggeſelle erben.“
„Das ſollte mir leid thun“, verſetzte Fran Braun
„Sie ſind ein ſo guter
Me euſch. 6
„Was nützt mir die Güte, wenn mich Keine mag.
Ich habs kein Olück in der Liebs.“

bũozer ärgerlich.

„Sazen Sie das nicht.
Muth verlieren.“
„Das iſt ja eben mein Malhenr“, meiute der Acker-
„Ich habe keine Courage. Wenn ich
mit einem Frauenzimmer zuſammen bin und mit ihr

Sie meſſen rur nicht den

reden will, bleibt mir das Wort in der Kehle flecken.“

„Das kommt von Ihrer Schüchternheit. Meis Seli-
ger war gerade ſo; der konnte auch nicht ſprechen.“
„Und Sie haben ihn doch geheiraihet.“
„Notürlich“, lachte die mur tere Wittwe. „Ich wußte,
taß er mich lieb hatte und weiter iſt dazu nichts nöthig.“
„Das iſt auch meire Meinung“, er widerte der gute
Wilh⸗ Ilm, und wenn Sie damit zufrieden ſind, daß ich
Sie von Herzen lieb babe —“
„Mehr rerlange nicht —
„Und wenn Sie wir a ein wenig gut ſind —7
„Os s verſteht ſich.“
„So lönnen wir uns am Ende auch heirathen“
Osgegen hatte Frau Brand nicht das Geringſte ein-
zuwenden; ier rundes Geſicht ſtraͤhte vielmehr von Wonne
und Freude mid ihre glänzenden Augen gerriethen dem
elwas unbeholfenen Frei⸗ ſein Glück. Seine Schüch tern-
beit war wit eiaem Mal verſchwunden und ſein Muth
ſo ſehr gewachſen, daß er die erröthende Wittwe in ſeine
Arme ſchloß, einen recht herzbaften Kuß auf tihre friſchen
Lippen drückte und ei⸗mal im Zuge, nicht ſo bald wie-
der auſhörte. Ein l⸗iſes Geräuſch in der anſtoßenden
Kar⸗mer, wo Roſa mit ihrem Kinde laz, erinnerte das
glücklice Paar an die urelückliche Freundin.
„Was wird aber Fräulein Roſa ſagen?“ fragte der
eh⸗ liche Krauſe nicht ohns tinen Rückfall in ſeige alte
Blödigkeit.
„Sie wird ſich von ganzem Herzen freuen, Lefonders
wenn ſie erfährt, daß Vater Wegener ſie und dezs Kind
wieder zu ſich nehmen will.“
„Ich fürchte nur, Laß ſie ihm nicht ſine Härte ver-
zeihen wird. So leicht verz Lbt ſie nicht, daß er ſie aus
ſeinem Hauſe fortze ſchickt hat.“ ö
„Die deukt jetzt nur an ihr Kind und wenn ſie dem
Kleinen badurch helfen kann, ſo wird ſie ſich nicht lange
beſianen.“
De Eiutrilt der armen Roſa, weiche uònterdeß auf-
geßanden war, unterbrach die angenehme Uunterhaltung.

In ih er Seligkeit ſtellle die fröhliche Wittwe den guten

Wilheim als hren Virlobten vor, wozu dieſer eia ver-
lexenes Geſicht machte. Freurig überraſcht küßte und
umarmte Roſa die treue Freundin, nachdem ſie Beiden
das veſte Glück gewünſcht Fatte.
„Wie nich des freut!“ ſagte ſie bewegt, unter Thrä-
nen Läche! nd. „Seit langer, langer Zeit der erſte frohe
Angenblick. Goit kaſſe Euch ſo glücktich werden, wie Ihr
es verdient.“
„Amen!“ verſetzte Frau Braun. „Man muß nur nicht
den Muth verlierer. Zuf Regen kommt Sonnerſchein und
wenn die Noth am größten, iſt Gott au nächften.“

„Ich h be keine Hofft ung mehr,“ ſeufzte die Unzlüc-
 
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