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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Relling, ...: Die Große Berliner Kunstausstellung, [2]
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Die Vrosze Berliner AunstauKstellung.

von vr. Kelling.

ls ich das letzte Mal in der Ausstellung war, kam
ich wenig dazu, Bilder zu begucken. Ich halte etwas
anderes zu betrachten.

Unsere Ausstellungen dienen bekanntlich nicht allein
dazu, Bilder zu zeigen, im Gegenteil, das ist die, wenn
auch den Namen gebende, Nebensache. Wenn sich zwei
Berliner zurufen: Morgen abend Ausstellung, so heißt das
nicht, daß man zusammen Bilder betrachten, sondern daß
man bei lärmender Militärmusik Kaffee oder Bier trinken

Bildnis, von lsans Anetsberger.

Entern. kunstausst. (8Z5 des Vereins bild. Künstler (Secession) zu München.

und vorbeitänzelnde Dämchen beäugen will. Die Säle
sind dann leer und ein geschätztes Stelldichein für
Liebende.

Es nützt nichts, den Leuten hier Jahr für Jahr
die besten Bilder vorzuführen, sie kapieren sie ja doch
nicht. Und wenn die olympischen Zwölfgötter selber die
Bilder gemalt hätten, hier würde man nur darüber
ulken. Denn auch sie, die Olympischen, kämpfen ja be-
kanntlich vergebens gegen die Macht, unter deren Schutz
sich die Berliner als Kunstfreunde gestellt haben.

Die Münchener Secession schickte wohl ausnahmslos
Bilder ein, die in München schon einmal ausgestellt
waren. Kein Einsichtiger wird ihnen das verdenken,
hier thut man es aber doch. Da es sich um Bilder
handelt, über die „Die Kunst für Alle" schon im vorigen
Jahre berichtet hat, so wird es hier genügen, kurz die
aufzuzählen, die hier am besten wirken: Franz Stuck,

„Die Sünde", die bestgeformte Eva, die mit sieghafter
Lüsternheit aus dem Bilde herausschaut, Graf Kalck-
reuth, „Das Alter" und seine „Ährenleserinnen",
Wilhelm Bolz, „Heilige Cäcilie", Paul Höcker,
„Die Nonne", Ludwig Herterich, „Aus der Jugendzeit"
(das junge Paar im abendlichen Birkenwald), R. Win-
ternitz, „Dämmerstunde", und vor allem die Bilder von
Albert Keller: die beiden prachtvollen Lichtstudien,
die ans Kreuz gebundene Märtyrin in greller weiß-
bläulicher Beleuchtung und die „Glückliche Schwester" mit
flackerndem, schwelenden Kerzenlicht. Zwei Münchener
haben eine größere Anzahl ihrer Werke zu Sonderaus-
stellungen vereinigt: Wilhelm Trübner und Wilhelm
Leibl. Merkwürdig, beide gehören nicht der Secession
an, Trübner nicht mehr, Leibl nie.

Auch die Secession bedeutete den beiden einsamen
und grüblerischen Malern schon zu viel Programm, sie
wollen ganz selbständige Wege gehen. Trübner stellt
aus Landschaften, dunkle Historienbilder, Porträts und den
entzückenden „Badeplatz im Wald", Leibl seine „Bäuerinnen
in der Kirche", „Die Tischgesellschaft" in weich aufgelösten
Tönen, Porträts. Es kommt mir hier nur darauf an,
den Eindruck zu konstatieren, den die Münchener Bilder
in dieser Ausstellung auf kunstgeübte Augen machen.
Natürlich den besten, Leibl aber ist die eigentliche Spitze,
und er steht noch hoch auch über dem Besten, was uns das
Ausland geschickt hat. Denn das Ausland ist diesmal
wirklich zu uns gekommen, vor allem die, auf die es
uns ankam, die Pariser und in ihrem Anschluß die
Nordamerikaner. Die verblüffende Wirkung, die man
von der Pariser Kunst hier wohl erwartete, die wird
nicht erreicht. Auch das wird man den Münchenern
zum Verdienste anrechnen müssen. Denn längst folgt
man dort den Anregungen, die von Paris ausgingen.
Die beiden Gruppen der Pariser Künstlerschaft, die vom
Champ de Mars und die von den Champs Elysees
haben getrennt ausgestellt. Wenn man aus beiden die
besten Bilder vergleicht, so ist der Unterschied nicht so
groß. Als die geschlossenere und fester vorgehende
Gruppe erscheint die vom Champ de Mars. Besnards
„Pontes von Fliegen geplagt" sind das keckste und heraus-
forderndste Stück unter den Bildern dieses Saales. Die
harte Färbung von Wasser und Himmel in grün und
blau ist fremdartig, aber sie stimmt einzig zu der leicht
violetten Tönung der Pferde. Ein älteres Familienbild
Besnards findet hier mehr Beifall, für mein Gefühl
zerflattern hier die Farben, die bei den Ponies so sicher
Zusammengehen. I. Berauds „Kreuzweg", in bekannter
Tendenz die Kreuztragung Christi in moderne Zeit ver-
legend, ist koloristisch unleidlich und darum leicht preis-
zugeben. Puvis de Chavannes ist nicht gut ver-
treten, am besten noch durch die Aktstudie in Rötel, in
der Art etwa eines alten Bologneser Malers. Aber
daß einer heute noch so etwas macht. Unter den Land-
schaften ragen die auch technisch so interessanten Winter-
bilder von Raffaelli hervor. Ein feines Beispiel
eines eleganten Pariser Damenporträts ist das von
H. Gervex, das seine eigene anmutige und chice Frau
darstellen soll. Die nun in dunklen Tönen sanft ver-
 
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