verbreiten und, bei einem mannigfaltigen Thun, eine
edle Harmonie in sein Leben bringen.
Dieses alles hat Lichtwark nicht eigentlich
naiv gethan, sondern mehr als ein Zögling der
Idee. Dieses eben ist das Magisterhafte seines
Wesens. Wer wollte die Idee nicht loben, die
solches Resultat zustande gebracht hat! Dass die
notwendig zur Programmatik führende Idee daneben
ihre Gefahren hat, braucht keineswegs übersehen
zu werden. Die Gefahr in diesem Falle ist, dass
das instinktive Qualitätsgefühl für Kunst zuweilen
unter die Diktatur von Theorien gerät. Das ist
typisch deutsch. Selbst die Tendenzlosigkeit wird
vom Deutschen noch mit einer gewissen Tendenz
geübt; ganz ohne Gedanken kann der Deutsche
vor Werken der bildenden Kunst nicht stehen. So
erscheint denn auch in Lichtwarks Organisations-
arbeit die Unterscheidungskraft für Qualität mit-
unter von der Idee getrübt. Zuweilen zeigt sich
eine Neigung zum Heimatskünstlerischen. Gerade
in diesem Punkte aber berührt Lichtwark sich mit
manchem seiner Genossen, die ebenso wie er als
Museumsleiter eine umfangreichere Kulturmission
zu erfüllen suchen und die es ohne das Rüstzeug der
Idee nicht können. Sie alle übertrifft Lichtwark
aber an Fülle und Aktivität, man möchte sagen an
Regierungsfähigkeit. Die günstige
Situation in einer freien Stadt kommt,
hinzu der Persönlichkeit Souveränität
zu geben. Eine Souveränität, die
nur im Reich voll gewürdigt werden
kann. Ebenso wie auch nur aus der
Distanz recht gesehen werden kann,
dass die Hamburger Kunsthalle, dank
Lichtwark, Züge einer nationalen
Galerie aufweist.
Als Lichtwark die Leitung der
Kunsthalle übernahm, fand er eine
Zufallssammlung internationalen Ge-
präges vor, in einem spätklassizi-
stischen Ziegelbau, dem es nicht
an feineren architektonischen Reizen
fehlt. Gleichzeitig ungefähr mit dem
neuen Direktor kam die umfang-
reiche Sammlung englischer und
teilweise auch französischer Bilder
zur Aufstellung, die der in London
lebende Hamburger Kaufmann Schwa-
be der Kunsthalle seiner Vaterstadt
geschenkt hatte. Diese Sammlung war aller-
dings eine Vermehrung aber nicht eben eine Be-
reicherung der Galerie, so dass Lichtwark vor einem
Material stand, aus dem nichts zu machen war.
Um so weniger, als die lokale Note noch ganz
fehlte. Man muss sich diesen Zustand vor Augen
halten, um zu ermessen, was dem neuen Mann zu
thun blieb. Da ein Stadtmuseum wie die Kunst-
halle zugleich eine Galerie alter und neuer Kunst
sein soll, so hat sich Lichtwark, um mit dem An-
fang zu beginnen, zuerst mit der Kunst Hamburgs,
seiner Vaterstadt, gründlich beschäftigt. Das Glück,
das allen zugethan ist, die in einer guten Sache uner-
müdlich sind, ist ihm dabei überraschend zu Hilfe
gekommen. Es ist ihm gelungen zwei wichtige Früh-
meister aus der hanseatischen Epoche Hamburgs zu
entdecken und ihre Hauptwerke der Galerie ein-
zuverleiben. Es lohnt sich, die beiden Bücher Licht-
warks über Meister Bertram, der von 1367— 141 5
in Hamburg thätig war, und über Meister Francke,
der Bertrams Nachfolger war, im besonderen nach-
zulesen. Die Geschichte der Bilderentdeckungen liest
sich in diesen Büchern streckenweis wie ein Roman.
Beide Meister haben nicht nur Bedeutung für die Ent-
wickelung der Hamburger Kunst, sondern sie sind
wichtig auch geworden für die Kunstforschung über-
UMHHH
PHILIPP OTTO RUNGE, SELBSTBILDNIS
edle Harmonie in sein Leben bringen.
Dieses alles hat Lichtwark nicht eigentlich
naiv gethan, sondern mehr als ein Zögling der
Idee. Dieses eben ist das Magisterhafte seines
Wesens. Wer wollte die Idee nicht loben, die
solches Resultat zustande gebracht hat! Dass die
notwendig zur Programmatik führende Idee daneben
ihre Gefahren hat, braucht keineswegs übersehen
zu werden. Die Gefahr in diesem Falle ist, dass
das instinktive Qualitätsgefühl für Kunst zuweilen
unter die Diktatur von Theorien gerät. Das ist
typisch deutsch. Selbst die Tendenzlosigkeit wird
vom Deutschen noch mit einer gewissen Tendenz
geübt; ganz ohne Gedanken kann der Deutsche
vor Werken der bildenden Kunst nicht stehen. So
erscheint denn auch in Lichtwarks Organisations-
arbeit die Unterscheidungskraft für Qualität mit-
unter von der Idee getrübt. Zuweilen zeigt sich
eine Neigung zum Heimatskünstlerischen. Gerade
in diesem Punkte aber berührt Lichtwark sich mit
manchem seiner Genossen, die ebenso wie er als
Museumsleiter eine umfangreichere Kulturmission
zu erfüllen suchen und die es ohne das Rüstzeug der
Idee nicht können. Sie alle übertrifft Lichtwark
aber an Fülle und Aktivität, man möchte sagen an
Regierungsfähigkeit. Die günstige
Situation in einer freien Stadt kommt,
hinzu der Persönlichkeit Souveränität
zu geben. Eine Souveränität, die
nur im Reich voll gewürdigt werden
kann. Ebenso wie auch nur aus der
Distanz recht gesehen werden kann,
dass die Hamburger Kunsthalle, dank
Lichtwark, Züge einer nationalen
Galerie aufweist.
Als Lichtwark die Leitung der
Kunsthalle übernahm, fand er eine
Zufallssammlung internationalen Ge-
präges vor, in einem spätklassizi-
stischen Ziegelbau, dem es nicht
an feineren architektonischen Reizen
fehlt. Gleichzeitig ungefähr mit dem
neuen Direktor kam die umfang-
reiche Sammlung englischer und
teilweise auch französischer Bilder
zur Aufstellung, die der in London
lebende Hamburger Kaufmann Schwa-
be der Kunsthalle seiner Vaterstadt
geschenkt hatte. Diese Sammlung war aller-
dings eine Vermehrung aber nicht eben eine Be-
reicherung der Galerie, so dass Lichtwark vor einem
Material stand, aus dem nichts zu machen war.
Um so weniger, als die lokale Note noch ganz
fehlte. Man muss sich diesen Zustand vor Augen
halten, um zu ermessen, was dem neuen Mann zu
thun blieb. Da ein Stadtmuseum wie die Kunst-
halle zugleich eine Galerie alter und neuer Kunst
sein soll, so hat sich Lichtwark, um mit dem An-
fang zu beginnen, zuerst mit der Kunst Hamburgs,
seiner Vaterstadt, gründlich beschäftigt. Das Glück,
das allen zugethan ist, die in einer guten Sache uner-
müdlich sind, ist ihm dabei überraschend zu Hilfe
gekommen. Es ist ihm gelungen zwei wichtige Früh-
meister aus der hanseatischen Epoche Hamburgs zu
entdecken und ihre Hauptwerke der Galerie ein-
zuverleiben. Es lohnt sich, die beiden Bücher Licht-
warks über Meister Bertram, der von 1367— 141 5
in Hamburg thätig war, und über Meister Francke,
der Bertrams Nachfolger war, im besonderen nach-
zulesen. Die Geschichte der Bilderentdeckungen liest
sich in diesen Büchern streckenweis wie ein Roman.
Beide Meister haben nicht nur Bedeutung für die Ent-
wickelung der Hamburger Kunst, sondern sie sind
wichtig auch geworden für die Kunstforschung über-
UMHHH
PHILIPP OTTO RUNGE, SELBSTBILDNIS