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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 1
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Mackowsky, Hans: Rahels Haus: Mauerstrasse 36, eine baugeschichtliche und literarische Studie aus der Zeit des Altberliner Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0042

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mannigfach bewährten Baumeisters Langhans lag,
dessen bedeutendste Berliner Leistung das Branden-
burger Tor geworden ist. Ein Stab von Beamten,
d. h. von selbständigen Architekten, stand dem
Direktor zur Seite; zugleich wurde für die Über-
wachung der bildhauerischen Arbeiten der Hof-
bildhauer verpflichtet, eine Stelle, die, wenn auch
nicht dem Titel, so doch dem Wesen nach Gottfried
Schadow einnahm. Alle diese Kräfte arbeiteten
sich in die Hände und weil es tüchtig geschulte und
geschmackvoll angeleitete Künstler waren, schufen
sie einen Baustil, der mit Recht „die Blüte der selb-
ständig gewordenen BerlinerSchule"genanntworden
ist. Die Zahl der erhaltenen Gebäude ist nicht so
gross, dass wir nicht jedes, dessen Dasein bedroht
ist, als einen schmerzlich zu empfindenden Verlust
beklagen müssten.

Hinsichtlich des Umfanges der von dem König
unterstützten Privatbauten hatte v. Woellner schon
1788 ganz bestimmte Vorschriften erwirkt. Es
sollte „ohne specieller Ordre kein neues Hauss von
3 Etagen, sondern bloss von 2 Stockwerk und einer
proportionirlichen Fronte ohne Hinter-Gebäude
oder Seiten-Flügel" erbaut werden. „Ein solches
Hauss bekam 70 Fuss Fronte, wurde 8 Fenster
breit und kostete gewöhnlich 12 bis 13000 Taler,
so dass der Proprietaire mit solchem Königl. Ge-
schenk immer zufrieden sein konnte. Bei diesem
Satz ■— so heisst es weiter in dem Promemoria
Woellners an den König vom 18. April 1792, das
auf jene ursprüngliche Abmachung zurückgreift*
— bin ich zum Besten der Bau-Casse stets feste
stehen geblieben, und wenn Jemand ein grösseres
Hauss oder Seiten-Flügels pp. verlangt hat, so hat
er solches bei Ew. Königlichen Majestät immediate
nachsuchen, und mir darüber eine Cabinets-Ordre
verschaffen müssen, in welchem Fall noch in diesem
Jahre der Englische Doktor [Brown], die Generalin
von Rosiere, die Frau von Massow und Madlle
Vahrenkampf gewesen sind. Denn die Forderungen
der Leute würden sonst ins Unendliche wachsen."

Von den hier erwähnten Häusern, die also
durch Stattlichkeit und Aufwand eine Ausnahme
von der Regel darstellten, haben sich noch zwei er-
halten: das für die verwittwete Frau Staatsrat v.
Massow Behrenstr. 67 erbaute (heute Militär-
kabinett)** und dass der Frau Generalin v. Rosieres
geb. v. Schlieben, Mauerstr. 36.

* Geh. Staats-Archiv Rep. 96, Nr. 246 A.
** Abb. Kunst u. Künstler VIII, Heft V (Februar 1910)
S. 263.

Ein wohlbeleibtes Aktenkonvolut bewahrt mit
vielen, meist belanglosen Einzelheiten die Bau-
geschichte dieses Hauses, die mit ihren Verschlep-
pungen, ihren Gesuchen, Reskripten, Kosten-
anschlägen usw. ein typisches Bild des wirtschaft-
lichen wie geschäftlichen Regimes bietet.*

Der General von Rosieres war Kommandant
der Festung Silberberg bei Frankenstein in Schlesien
gewesen, die Friedrich der Grosse 1765 —1777 vom
Obersten v. Regler am Abhang des Eulengebirges
hatte anlegen lassen. Nach seinem Tode fand seine
Witwe in Berlin bald zu klagen, dass die teure
Wohnungsmiete einen beträchtlichen Teil ihrer
kleinen Revenuen verschlinge. In der Absicht, durch
die Erträgnisse eines Mietshauses sich freie Wohnung
und eine Aufbesserung ihrer Lage zu verschaffen,
rief sie unter dem 15. April 1788 die Gnade des
Königs an, ihr einen Hausbau zu bewilligen. Nach
wenigen Tagen lief auch schon die Kabinetsordre
aus Potsdam ein, die den nachgesuchten Bau für
1789 bewilligte. Die Generalin erstand nun in
der Mauerstrasse zwischen den niedrigen primitiven
Besitztümern des Gastwirts Salbach und des Schuh-
machers Trümmer mehrere ebenfalls unansehnliche
alte Baulichkeiten in der stattlichen Frontlänge von
1 18 Fuss (ca. 37 m). Am 6. Januar 1790 wurde
ihr bekannt gegeben, dass der Kondukteur Gentz

der spätere Baumeister der Münze auf dem
Friedrichswerder — beauftragt sei, der Zeichnungen
wegen mit ihr zu konferieren.

Dasselbe Jahr aber brachte infolge der gespann-
ten politischen Lage oder wie es offiziell lautete,
„aus bewegenden Ursachen" einen allgemeinen
Stillstand in der Bautätigkeit des Königs. Erst 1792
wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, und zur
Führung des Baus wurde der Oberhofbaurat Unger
ausersehen. Da aber der Bauetat für 1793 keine
weiteren Raten für Mauerstr. 3 6 aufwies, so betrieb
in Übereinstimmung mit der Behörde die Generalin
aus eigenen Mitteln, die sie sich erborgte und die
ihr vom Oberhofbauamt verzinst wurden, die Fort-
führung der Arbeiten. Gleichzeitig mit der Strassen-
seite erhob sich der ihr besonders mit Kabinets-
ordre zugebilligte Seitenflügel, und am 8. Juli 1 794
unterzeichnete die Besitzerin ein Schriftstück, in dem
sie der Behörde gegenüber ihre Zufriedenheit mit
dem „in allen Teilen vollendeten Bau" erklärte.
Die Kosten beliefen sich auf 3 1 006 Rtlr. 15 Gr.

Das lang gestreckte Gebäude gehört einer schon

* Geh. St. Arch. Akten des Oberhofbauamts Ruhr. VIII.
Sect. VI. lit. R. Nr. 11.

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