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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Notizen über die 23. Ausstellung der Berliner Sezession
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0204

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alle Erdenwucht, die sich auf unsern Alltagsgassen ner Fall: Herrenwille in einem sentimentalischen
profan verzettelt, aufgespeichert ist. Der Fall Menschen. Feuerbach war ein Kulturprodukt, nicht
Feuerbach ist merkwürdig. Es ist ein ganz moder- eine Natur.

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JEAN LOUIS FORA1N, CHAMBRE SEPAREE. RADIERUNG



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Unter den graphischen Arbeiten dominieren
die Radierungen. Die modernen Zeichner lieben
diese Technik, weil sie mit deren Hilfe der Freude
am intellektuell Eleganten, am nuancierenden
Ausdrucksspiel genugthun können. Der leichte,
leise Strich, das Zeichnerische, wird überall fast be-
vorzugt, feine charakteristische Akzente und viel
Papierton. So verfahren Corinth und Slevogt, Fo-
rain und Hans Meid. Jeder in seiner persönlichen
Weise. Künstler wie Pretzfelder, Schinnerer, Lederer
und Erna Franck folgen in weiterer Entfernung.
Sie alle deuten „lebende Punkte" an, die einen
mehr illustrativ ausdeutend, die andern mehr

malerisch impressiv. Sie streicheln und kitzeln
am warmen Körper der Natur neugierig tän-
delnd herum; dafür lacht die Natur sie alle mit
heiteren Augen an. Handwerklich schwerer sind
Philipp Frank und Reifferscheid; zwei Kalckreuth-
artige Temperamente. Nicht fern dieser mehr be-
schaulichen Anlage stand auch der eben gestorbene
Israels. Eine moderne Ludwig Richter-Natur. Lud-
wig Richter als holländisch-jüdischer Impressionist.
Schade, dass es von ihm nicht Illustrationen zu
Dickens' Romanen giebt. Er hat die Atmosphäre
des „Raritätenladens", des „Copperfield" und der
„Little Dornt".

Diekräftigeren Empfindungen wendensichlieber
der Lithographie zu. Wenn unsere Maler sich
des Steins oder des lithographischen Papieres be-
dienen, geraten sie wie von selbst ins Malerische,
ins dramatisch Stimmungshafte. Waldemar Rösler,
zum Beispiel, variiert lirhographierend seine kräftig
schönen Landschaften. Beckmann hat sich mit

seiner Grüblerromantik der Tragik des neuen
Testaments bemächtigt, seinem sozial erregten
Temperament ausdrucksvolle Stoffe suchend. Diese
Stoffwahl wirkt auf ihn zugleich fördernd und re-
tardierend. Der „grosse Stoff" hypnotisiert. Und
Beckmanns Sensibilität neigt sehr stark zum Ge-
danklichen. Gauguin hat sich der Lithographie

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