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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 9
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Eulenberg, Herbert: Holbein: ein Bild von ihm
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0449

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grauslich abgemolt hat. Er war aber kein ge-
duldig und sanftmütig Mann und konnte vielfach
jachzornig seyn, besunders wann er getrunken
hatte. Nit leiden mocht er, wann eyner klug
redete und als ein ungelernter über die Kunst oder
die Schönheit sprach. Denn was die Schönheit
sei, das wisse keiner, ging oftmals seine Rede. Er
hat vile vom Hof unsers Königs conterfet, Prinzen,
Ritter, Sieurs, Falkeniere, Gelahrte, Geistliche und
Erzbischöffe. Ihr müsst wissen, dass hierzulande
nichts mehr gilt als sich conterfeyen zu lassen.
Item wie es auch Brauch ist dahier, sämtliche
Schreiben nit anders denn mit „ich" anzufangen.
Und sind alle Engelländer darauf versessen, ein Ge-
mäl von sich zu erlangen und ihren Kindern zu
hinterlassen. Eynige sperren sich wohl, geschieht
aber bloss zum Schein, wie bei Erasmo Rodera-
damo. Von dem hat mir der Meister erzählt, doss
er allweyl gesprochen habe, dass er nit Freude
hätte am eigenen Gesicht, hernachen aber nit müde
ward, sich eines ums andere und bis ins siebente
Mal von ihm conterfeyen zu lassen.

Darumb nun weyl ein idlicher dohier gemolt
sein will, ist es kommen, doss Hans Holbein wenig
Häusser und Wände mehr hat müssen ausmolen,
womit er doch seyn Zeyt in Basel seyn Kunst be-
gunnen hat. Des zum Zeugnis das Hauss zum
Tanz gegen die Eisengassen und der Gross Rat
Saal zu Basel, so er mit lieblichen und künstreichen
antiquen Gemälen aus der Historia hat decoriert,
itzt noch stehen. Desgleichen auch die Front und
Kammern vom Hausse des Schultheissen Jakob von
Hertenstein zu Luzern. Allhier zu London hot er
bloss den Sal im Stahlhof, allwo die teutzschen
Kaufleut und Händler Versammlung pflegen, be-
molt. Und dos ist nit ohn mein Zuthun geschehen.
Sölchs aber sind die Gemäl dort von ihm an den
zween Wänden. Das eyn wird geheissen der

Triumph des Reichtums, aber das andere der
Triumph der Armut. Massen ober dem Portal zu
der Gildenhallen die Reimen gemolt sind:

„dat gold ist vater van der loest

un ist des kummers söhn:

wer's nit hat, dem ist zwak di broest,

wer's hat, kriegt angst davon."
Dise Gemäl sind mit grauen Farben erhabn uff
Leinwand gemacht und sie gelten als herrlich
Köstlichkeit bei jedermann, sind leider schon vom
Wetter und von Feuchtigkeit wüst geschändet.
Schliesslich hot der Meister for den König selbsten
noch die weisse Hallen, was weyland Kardinals
Wolsey Burg was, aber vom König umb Hoch-
verrats einzogen ward, mit Gemälen verziert. Do
hot er den König an die Wand gemolt in einem
Kleid weiss und gülden. Davor erschröckte id-
licher, wer es sach. So genauw was es als der ge-
waltige König in persona anzuschauen.

Hernachen aber wollte Meister Holbein nit vil
mehr wissen von der Kunst Häusser und Säle aus-
zumolen. Meinte eynmal zu mir: „Dos mag recht
und gut seyn für die Walchen, wie ich es auch in
Mailand, Fenedich oder Polognia geschaut habe.
Aber hierzuland frisst die Feuchte alles fürt und ist
hinter den Farben her wie derWulfhinterdemLamb."
Also ist es geschehen, doss er immer mehr hat
Menschen conterfet, denn grosse imagines gemolt.
Item warn ihm vor allen Ehren die Wort am lieb-
sten, die König Franz der Erste, Majestät von Frank-
reich, zu Heinrich, seynem allergnädigsten Herrn,
sagte, do er ihm in Holbeins Beysein Gemäl von
ihm wies: „Dos ist der allerfürtrefflichste Menschen-
maler, den es seyt je gegeben hot."

Sunsten weiss ich nichts mehr über Holbein
zu berichten. Hiemit lasst mich Euch befohlen sein.

Euer williger und unterthäniger

Georg Gisze, Kaufmann zu London.

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